seide, der sich diejenige von Seidenraupeneiern bald zugesellte, einen grossen Einfluss auf die Preise der Rohseide übte, welche in wenigen Jahren auf das 10--16 fache stiegen. Viele Japaner sahen sich unter diesen Umständen genöthigt, ihre Gewohnheit, seidene Kleider zu tragen, aufzugeben und sich den viel billigeren wollenen und baum- wollenen zuzuwenden.
Anderseits konnte die japanische Seidenindustrie trotz ihrer herr- lichen Produkte auch kein nennenswerthes neues Absatzgebiet erobern; denn der Uebergang der Handweberei zur mechanischen hat bei ihr noch nicht stattgefunden. Noch arbeitet man in altgewohnter Weise mit Handstühlen, wie sie vor etwa 100 Jahren auch in Europa ge- bräuchlich waren. Selbst der Uebergang von den schmalen Bahnen, namentlich bei glatten Geweben, von nur 34--45 cm Breite zu den in Europa gangbaren grösseren Breiten hat sich nur langsam und noch keineswegs überall vollzogen. Nachdem der Dampfwebstuhl die Seiden- industrie in Europa umzugestalten begonnen hatte, konnte von einem Mitbewerb der japanischen keine Rede mehr sein. *) Erst wenn man in Japan auch in dieser Beziehung dem Beispiel Europas gefolgt ist, werden die billigeren Arbeitskräfte und grössere Geschicklichkeit und Gelehrigkeit wieder zur rechten Geltung kommen und die Japaner auf neuer Basis auch in der Seidenindustrie dem Ausland gegenüber wie- der concurrenzfähig werden. Das eröffnet freilich der Hausindustrie keine helle Zukunft. Wie die grossen Filanden mit Dampfbetrieb, Tomioka seit 1872 oben an, allmählich die kleinen Haspelvorrichtungen der Seidenzüchter, die nicht mehr mit ihnen concurrieren können, brach legen, so werden auch Hunderte von Webstühlen und die davon ab- hängigen Existenzen in Frage kommen.
In der japanischen Seidenindustrie nimmt Kioto immer noch, wie seit vielen Jahrhunderten, mit seinen gemusterten Stoffen aller Art, ins- besondere mit golddurchwirkten Brocaten, reich mit Blumen und andern Ornamenten verziertem Damast und Krepp, mit seinem Rips, Sammet und andern schönen Geweben weitaus die erste Stelle ein. Die Webereien und Färbereien befinden sich in dem unter dem Namen Nishi-jin, d. h. "Westbaracken", bekannten westlichen Stadtteil und sind immer noch sehr zahlreich. Nach Bavier verarbeiten ungefähr 18000 Seidenweber in Kioto und Umgebung auf etwa 6000 Webstühlen
*) In China hatte die Taiping-Revolution, wie dem Kunstgewerbe überhaupt, so namentlich auch der Seidenweberei einen Stoss versetzt, von dem sich das Land nie wieder vollständig erholt hat. Die Ausfuhr seidener Gewebe hat seit 1854 in keinem Jahre die frühere Höhe erreicht.
4. Textilindustrie.
seide, der sich diejenige von Seidenraupeneiern bald zugesellte, einen grossen Einfluss auf die Preise der Rohseide übte, welche in wenigen Jahren auf das 10—16 fache stiegen. Viele Japaner sahen sich unter diesen Umständen genöthigt, ihre Gewohnheit, seidene Kleider zu tragen, aufzugeben und sich den viel billigeren wollenen und baum- wollenen zuzuwenden.
Anderseits konnte die japanische Seidenindustrie trotz ihrer herr- lichen Produkte auch kein nennenswerthes neues Absatzgebiet erobern; denn der Uebergang der Handweberei zur mechanischen hat bei ihr noch nicht stattgefunden. Noch arbeitet man in altgewohnter Weise mit Handstühlen, wie sie vor etwa 100 Jahren auch in Europa ge- bräuchlich waren. Selbst der Uebergang von den schmalen Bahnen, namentlich bei glatten Geweben, von nur 34—45 cm Breite zu den in Europa gangbaren grösseren Breiten hat sich nur langsam und noch keineswegs überall vollzogen. Nachdem der Dampfwebstuhl die Seiden- industrie in Europa umzugestalten begonnen hatte, konnte von einem Mitbewerb der japanischen keine Rede mehr sein. *) Erst wenn man in Japan auch in dieser Beziehung dem Beispiel Europas gefolgt ist, werden die billigeren Arbeitskräfte und grössere Geschicklichkeit und Gelehrigkeit wieder zur rechten Geltung kommen und die Japaner auf neuer Basis auch in der Seidenindustrie dem Ausland gegenüber wie- der concurrenzfähig werden. Das eröffnet freilich der Hausindustrie keine helle Zukunft. Wie die grossen Filanden mit Dampfbetrieb, Tomioka seit 1872 oben an, allmählich die kleinen Haspelvorrichtungen der Seidenzüchter, die nicht mehr mit ihnen concurrieren können, brach legen, so werden auch Hunderte von Webstühlen und die davon ab- hängigen Existenzen in Frage kommen.
In der japanischen Seidenindustrie nimmt Kiôto immer noch, wie seit vielen Jahrhunderten, mit seinen gemusterten Stoffen aller Art, ins- besondere mit golddurchwirkten Brocaten, reich mit Blumen und andern Ornamenten verziertem Damast und Krepp, mit seinem Rips, Sammet und andern schönen Geweben weitaus die erste Stelle ein. Die Webereien und Färbereien befinden sich in dem unter dem Namen Nishi-jin, d. h. »Westbaracken«, bekannten westlichen Stadtteil und sind immer noch sehr zahlreich. Nach Bavier verarbeiten ungefähr 18000 Seidenweber in Kiôto und Umgebung auf etwa 6000 Webstühlen
*) In China hatte die Taiping-Revolution, wie dem Kunstgewerbe überhaupt, so namentlich auch der Seidenweberei einen Stoss versetzt, von dem sich das Land nie wieder vollständig erholt hat. Die Ausfuhr seidener Gewebe hat seit 1854 in keinem Jahre die frühere Höhe erreicht.
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4. Textilindustrie.
seide, der sich diejenige von Seidenraupeneiern bald zugesellte, einen
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Jahren auf das 10—16 fache stiegen. Viele Japaner sahen sich unter
diesen Umständen genöthigt, ihre Gewohnheit, seidene Kleider zu
tragen, aufzugeben und sich den viel billigeren wollenen und baum-
wollenen zuzuwenden.
Anderseits konnte die japanische Seidenindustrie trotz ihrer herr-
lichen Produkte auch kein nennenswerthes neues Absatzgebiet erobern;
denn der Uebergang der Handweberei zur mechanischen hat bei ihr
noch nicht stattgefunden. Noch arbeitet man in altgewohnter Weise
mit Handstühlen, wie sie vor etwa 100 Jahren auch in Europa ge-
bräuchlich waren. Selbst der Uebergang von den schmalen Bahnen,
namentlich bei glatten Geweben, von nur 34—45 cm Breite zu den in
Europa gangbaren grösseren Breiten hat sich nur langsam und noch
keineswegs überall vollzogen. Nachdem der Dampfwebstuhl die Seiden-
industrie in Europa umzugestalten begonnen hatte, konnte von einem
Mitbewerb der japanischen keine Rede mehr sein. *) Erst wenn man
in Japan auch in dieser Beziehung dem Beispiel Europas gefolgt ist,
werden die billigeren Arbeitskräfte und grössere Geschicklichkeit und
Gelehrigkeit wieder zur rechten Geltung kommen und die Japaner auf
neuer Basis auch in der Seidenindustrie dem Ausland gegenüber wie-
der concurrenzfähig werden. Das eröffnet freilich der Hausindustrie
keine helle Zukunft. Wie die grossen Filanden mit Dampfbetrieb,
Tomioka seit 1872 oben an, allmählich die kleinen Haspelvorrichtungen
der Seidenzüchter, die nicht mehr mit ihnen concurrieren können, brach
legen, so werden auch Hunderte von Webstühlen und die davon ab-
hängigen Existenzen in Frage kommen.
In der japanischen Seidenindustrie nimmt Kiôto immer noch, wie
seit vielen Jahrhunderten, mit seinen gemusterten Stoffen aller Art, ins-
besondere mit golddurchwirkten Brocaten, reich mit Blumen und andern
Ornamenten verziertem Damast und Krepp, mit seinem Rips, Sammet
und andern schönen Geweben weitaus die erste Stelle ein. Die
Webereien und Färbereien befinden sich in dem unter dem Namen
Nishi-jin, d. h. »Westbaracken«, bekannten westlichen Stadtteil und
sind immer noch sehr zahlreich. Nach Bavier verarbeiten ungefähr
18000 Seidenweber in Kiôto und Umgebung auf etwa 6000 Webstühlen
*) In China hatte die Taiping-Revolution, wie dem Kunstgewerbe überhaupt, so
namentlich auch der Seidenweberei einen Stoss versetzt, von dem sich das Land
nie wieder vollständig erholt hat. Die Ausfuhr seidener Gewebe hat seit 1854 in
keinem Jahre die frühere Höhe erreicht.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/483>, abgerufen am 23.11.2024.
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