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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
auf die Menge des angewandten Edelmetalls an, die eine feine Lack-
arbeit in Anspruch nahm, wenn sie sonst nur befriedigte.

In dem Maasse, in welchem Yedo, die Stadt der Tokugawa, vom
Jahre 1600 ab an Umfang, Macht und Ansehen emporwuchs, wurde
sie auch mehr und mehr der Sammelplatz der geschicktesten Lack-
arbeiter. Unter den grösseren lackierten Gegenständen von hoher
Vollendung aus dieser langen Epoche ist der älteste und schönste un-
streitig das Grab des Shogun Hidetada im Mausoleum zu Shiba, einem
Stadtteil von Tokio, welches aus dem 2. Viertel des 17. Jahrhunderts
stammt.

Mit Beginn des 18 Jahrhunderts gesellte sich zu den bisherigen Ver-
zierungsweisen noch das Giyo-bu Nashi-ji (siehe pg. 441), benannt
nach einem einflussreichen Lackierer Giyo-bu Taro in Yedo. Seinem
Beispiele folgten viele und legten stellenweise, z. B. in die Stämme
nachgebildeter Bäume, kleine Quadrate aus Goldfolie ein, eine müh-
same kostspielige Verzierungsweise, die wir auf älteren Lackarbeiten
aus Japan oft finden, aber nicht in gleichem Maasse wie die Japaner
zu würdigen vermögen.

Viele der feineren Goldlackarbeiten aus der Zeit der Tokugawa-
Shogune tragen das einfache Wappen dieser Familie oder irgend eines
Daimio, der sie anfertigen liess. Hierher gehören unter anderm auch
die vielen schönen Kästchen mit schachtelartig übergreifendem Deckel.
Sie dienten bei Hochzeiten und sonstigen feierlichen Gelegenheiten zum
Ueberreichen von Geschenken und wurden an einer schweren schönen
Seidenschnur mit Troddeln getragen, welche eine, das Kästchen um-
gebende, schützende Hülle aus steifem Seidenstoff oben schloss. Wohl
standen auch schöne Gewebe, Bronzen und feine keramische Produkte
in Ansehen, doch scheinen die alten und wohlhabenden Familien neben
ihren Schwertern kaum etwas so hoch geschätzt zu haben, als einen schö-
nen Lackgegenstand aus der Hand eines anerkannt tüchtigen Meisters.

Als die alte Ordnung der Dinge in Japan zusammenbrach, Shogun
und Daimios ihre Macht verloren und manches herrliche Erzeugniss
des Kunstgewerbfleisses, welches man bisher gewissermaassen als
Familienschatz behandelt und oft mit Wohlgefallen und Stolz gezeigt
und bewundert hatte, missachtet und verschleudert wurde, kamen auch
viele alte, werthvolle Lackgegenstände in die Hände der Trödler und
Fremden. Die Preise derselben sollen um jene Zeit (1868--1870) so
niedrig gewesen sein, dass danach die oft gehörte Aeusserung der
Verkäufer, es sei vortheilhafter, die Gegenstände zu verbrennen und
das auf ihre Herstellung verwandte Gold wieder zu sammeln und zu
verkaufen, vielfach wohl begründet war.

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
auf die Menge des angewandten Edelmetalls an, die eine feine Lack-
arbeit in Anspruch nahm, wenn sie sonst nur befriedigte.

In dem Maasse, in welchem Yedo, die Stadt der Tokugawa, vom
Jahre 1600 ab an Umfang, Macht und Ansehen emporwuchs, wurde
sie auch mehr und mehr der Sammelplatz der geschicktesten Lack-
arbeiter. Unter den grösseren lackierten Gegenständen von hoher
Vollendung aus dieser langen Epoche ist der älteste und schönste un-
streitig das Grab des Shôgun Hidetada im Mausoleum zu Shiba, einem
Stadtteil von Tôkio, welches aus dem 2. Viertel des 17. Jahrhunderts
stammt.

Mit Beginn des 18 Jahrhunderts gesellte sich zu den bisherigen Ver-
zierungsweisen noch das Giyô-bu Nashi-ji (siehe pg. 441), benannt
nach einem einflussreichen Lackierer Giyô-bu Tarô in Yedo. Seinem
Beispiele folgten viele und legten stellenweise, z. B. in die Stämme
nachgebildeter Bäume, kleine Quadrate aus Goldfolie ein, eine müh-
same kostspielige Verzierungsweise, die wir auf älteren Lackarbeiten
aus Japan oft finden, aber nicht in gleichem Maasse wie die Japaner
zu würdigen vermögen.

Viele der feineren Goldlackarbeiten aus der Zeit der Tokugawa-
Shôgune tragen das einfache Wappen dieser Familie oder irgend eines
Daimiô, der sie anfertigen liess. Hierher gehören unter anderm auch
die vielen schönen Kästchen mit schachtelartig übergreifendem Deckel.
Sie dienten bei Hochzeiten und sonstigen feierlichen Gelegenheiten zum
Ueberreichen von Geschenken und wurden an einer schweren schönen
Seidenschnur mit Troddeln getragen, welche eine, das Kästchen um-
gebende, schützende Hülle aus steifem Seidenstoff oben schloss. Wohl
standen auch schöne Gewebe, Bronzen und feine keramische Produkte
in Ansehen, doch scheinen die alten und wohlhabenden Familien neben
ihren Schwertern kaum etwas so hoch geschätzt zu haben, als einen schö-
nen Lackgegenstand aus der Hand eines anerkannt tüchtigen Meisters.

Als die alte Ordnung der Dinge in Japan zusammenbrach, Shôgun
und Daimiôs ihre Macht verloren und manches herrliche Erzeugniss
des Kunstgewerbfleisses, welches man bisher gewissermaassen als
Familienschatz behandelt und oft mit Wohlgefallen und Stolz gezeigt
und bewundert hatte, missachtet und verschleudert wurde, kamen auch
viele alte, werthvolle Lackgegenstände in die Hände der Trödler und
Fremden. Die Preise derselben sollen um jene Zeit (1868—1870) so
niedrig gewesen sein, dass danach die oft gehörte Aeusserung der
Verkäufer, es sei vortheilhafter, die Gegenstände zu verbrennen und
das auf ihre Herstellung verwandte Gold wieder zu sammeln und zu
verkaufen, vielfach wohl begründet war.

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[446/0476] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. auf die Menge des angewandten Edelmetalls an, die eine feine Lack- arbeit in Anspruch nahm, wenn sie sonst nur befriedigte. In dem Maasse, in welchem Yedo, die Stadt der Tokugawa, vom Jahre 1600 ab an Umfang, Macht und Ansehen emporwuchs, wurde sie auch mehr und mehr der Sammelplatz der geschicktesten Lack- arbeiter. Unter den grösseren lackierten Gegenständen von hoher Vollendung aus dieser langen Epoche ist der älteste und schönste un- streitig das Grab des Shôgun Hidetada im Mausoleum zu Shiba, einem Stadtteil von Tôkio, welches aus dem 2. Viertel des 17. Jahrhunderts stammt. Mit Beginn des 18 Jahrhunderts gesellte sich zu den bisherigen Ver- zierungsweisen noch das Giyô-bu Nashi-ji (siehe pg. 441), benannt nach einem einflussreichen Lackierer Giyô-bu Tarô in Yedo. Seinem Beispiele folgten viele und legten stellenweise, z. B. in die Stämme nachgebildeter Bäume, kleine Quadrate aus Goldfolie ein, eine müh- same kostspielige Verzierungsweise, die wir auf älteren Lackarbeiten aus Japan oft finden, aber nicht in gleichem Maasse wie die Japaner zu würdigen vermögen. Viele der feineren Goldlackarbeiten aus der Zeit der Tokugawa- Shôgune tragen das einfache Wappen dieser Familie oder irgend eines Daimiô, der sie anfertigen liess. Hierher gehören unter anderm auch die vielen schönen Kästchen mit schachtelartig übergreifendem Deckel. Sie dienten bei Hochzeiten und sonstigen feierlichen Gelegenheiten zum Ueberreichen von Geschenken und wurden an einer schweren schönen Seidenschnur mit Troddeln getragen, welche eine, das Kästchen um- gebende, schützende Hülle aus steifem Seidenstoff oben schloss. Wohl standen auch schöne Gewebe, Bronzen und feine keramische Produkte in Ansehen, doch scheinen die alten und wohlhabenden Familien neben ihren Schwertern kaum etwas so hoch geschätzt zu haben, als einen schö- nen Lackgegenstand aus der Hand eines anerkannt tüchtigen Meisters. Als die alte Ordnung der Dinge in Japan zusammenbrach, Shôgun und Daimiôs ihre Macht verloren und manches herrliche Erzeugniss des Kunstgewerbfleisses, welches man bisher gewissermaassen als Familienschatz behandelt und oft mit Wohlgefallen und Stolz gezeigt und bewundert hatte, missachtet und verschleudert wurde, kamen auch viele alte, werthvolle Lackgegenstände in die Hände der Trödler und Fremden. Die Preise derselben sollen um jene Zeit (1868—1870) so niedrig gewesen sein, dass danach die oft gehörte Aeusserung der Verkäufer, es sei vortheilhafter, die Gegenstände zu verbrennen und das auf ihre Herstellung verwandte Gold wieder zu sammeln und zu verkaufen, vielfach wohl begründet war.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/476>, abgerufen am 12.05.2024.