Das Verfahren wurde später durch einen Chinesen nach Japan verpflanzt. Der Sohn desselben änderte es dahin ab, dass er für die einzelnen Lagen verschiedenfarbige Mischungen zwischen schwarzem und rothem Lack anwandte und dann seine Verzierungen tief eingra- vierte oder vielmehr schräg einschnitt, so dass die verschiedenen Farben der Lackschichten hintereinander in parallelen Bändern zum Vorschein kamen.
Solche Arbeiten werden heutzutage in Japan nicht mehr geliefert und sind deshalb nur noch hin und wieder bei Trödlern aufzutreiben. Dagegen finden sich billigere Nachahmungen derselben ziemlich häufig. Nach dem einen Verfahren werden die Ornamente in das Holz ein- graviert, worauf man den ganzen Gegenstand mit einer dünnen Lack- schicht gleichmässig überdeckt und nach dem Trocknen die einge- schnittenen Stellen mit einem scharfen Messer nachfährt; nach dem andern, welches in geringem Umfange noch in Kioto angewandt wird, bereitet man aus gekochtem Leim, Ocker und Se-shime-urushi unter Hinzufügung von Weizenmehl (Ko-mugi-no-ko) einen braunen oder dunkelgrauen Kitt, den man in eine dünne Platte auswalzt. Dieselbe wird hierauf über ein Brett ausgebreitet, welches einen frischen An- strich von Se-shime-urushi erhalten hatte, um das Festhaften des Kittes zu bewirken. In diesen Kitt werden nunmehr die Verzierungen, welche man anbringen will, eingepresst oder eingraviert, worauf man ihn trocknen lässt. So erhält man die Kata oder Schablone.
Aus demselben Teig wird nun eine zweite Platte ausgewalzt, dann die aus der ersten gewonnene Hohlform daraufgelegt und eingepresst, so dass die Verzierung beim Abheben der Form erhaben zurückbleibt. Nunmehr überträgt man eine solche Kittplatte mit ihren Relieffiguren auf den damit zu schmückenden Gegenstand, wobei das Festhaften wiederum durch einen Anstrich mit Se-shime bewirkt wird. Um die Zeichnung schärfer hervortreten zu lassen, wird nachgraviert. Nach- dem die Masse völlig trocken geworden ist, wird der damit bedeckte Gegenstand ein- oder mehrmals mit flüssigem rothen oder braunen Lack überstrichen. Auf diese Weise verziert man Präsentierteller, Vasen und andere Geräthe aus Holz, gebranntem Thon und Porzellan. Der Kunstwerth und die Nachfrage nach ihnen sind jedoch nur gering.
Geschichtliche Notizen über die japanische Lackindustrie.
Obgleich das Alter dieser Industrie in Japan kaum genau zu be- stimmen sein dürfte und die sagenhafte Geschichte, welche ihren An- fang Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung ver- legt, sehr wenig Vertrauen verdient, so darf man doch annehmen, dass
3. Lackindustrie.
Das Verfahren wurde später durch einen Chinesen nach Japan verpflanzt. Der Sohn desselben änderte es dahin ab, dass er für die einzelnen Lagen verschiedenfarbige Mischungen zwischen schwarzem und rothem Lack anwandte und dann seine Verzierungen tief eingra- vierte oder vielmehr schräg einschnitt, so dass die verschiedenen Farben der Lackschichten hintereinander in parallelen Bändern zum Vorschein kamen.
Solche Arbeiten werden heutzutage in Japan nicht mehr geliefert und sind deshalb nur noch hin und wieder bei Trödlern aufzutreiben. Dagegen finden sich billigere Nachahmungen derselben ziemlich häufig. Nach dem einen Verfahren werden die Ornamente in das Holz ein- graviert, worauf man den ganzen Gegenstand mit einer dünnen Lack- schicht gleichmässig überdeckt und nach dem Trocknen die einge- schnittenen Stellen mit einem scharfen Messer nachfährt; nach dem andern, welches in geringem Umfange noch in Kiôto angewandt wird, bereitet man aus gekochtem Leim, Ocker und Se-shime-urushi unter Hinzufügung von Weizenmehl (Ko-mugi-no-ko) einen braunen oder dunkelgrauen Kitt, den man in eine dünne Platte auswalzt. Dieselbe wird hierauf über ein Brett ausgebreitet, welches einen frischen An- strich von Se-shime-urushi erhalten hatte, um das Festhaften des Kittes zu bewirken. In diesen Kitt werden nunmehr die Verzierungen, welche man anbringen will, eingepresst oder eingraviert, worauf man ihn trocknen lässt. So erhält man die Kata oder Schablone.
Aus demselben Teig wird nun eine zweite Platte ausgewalzt, dann die aus der ersten gewonnene Hohlform daraufgelegt und eingepresst, so dass die Verzierung beim Abheben der Form erhaben zurückbleibt. Nunmehr überträgt man eine solche Kittplatte mit ihren Relieffiguren auf den damit zu schmückenden Gegenstand, wobei das Festhaften wiederum durch einen Anstrich mit Se-shime bewirkt wird. Um die Zeichnung schärfer hervortreten zu lassen, wird nachgraviert. Nach- dem die Masse völlig trocken geworden ist, wird der damit bedeckte Gegenstand ein- oder mehrmals mit flüssigem rothen oder braunen Lack überstrichen. Auf diese Weise verziert man Präsentierteller, Vasen und andere Geräthe aus Holz, gebranntem Thon und Porzellan. Der Kunstwerth und die Nachfrage nach ihnen sind jedoch nur gering.
Geschichtliche Notizen über die japanische Lackindustrie.
Obgleich das Alter dieser Industrie in Japan kaum genau zu be- stimmen sein dürfte und die sagenhafte Geschichte, welche ihren An- fang Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung ver- legt, sehr wenig Vertrauen verdient, so darf man doch annehmen, dass
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3. Lackindustrie.
Das Verfahren wurde später durch einen Chinesen nach Japan
verpflanzt. Der Sohn desselben änderte es dahin ab, dass er für die
einzelnen Lagen verschiedenfarbige Mischungen zwischen schwarzem
und rothem Lack anwandte und dann seine Verzierungen tief eingra-
vierte oder vielmehr schräg einschnitt, so dass die verschiedenen Farben
der Lackschichten hintereinander in parallelen Bändern zum Vorschein
kamen.
Solche Arbeiten werden heutzutage in Japan nicht mehr geliefert
und sind deshalb nur noch hin und wieder bei Trödlern aufzutreiben.
Dagegen finden sich billigere Nachahmungen derselben ziemlich häufig.
Nach dem einen Verfahren werden die Ornamente in das Holz ein-
graviert, worauf man den ganzen Gegenstand mit einer dünnen Lack-
schicht gleichmässig überdeckt und nach dem Trocknen die einge-
schnittenen Stellen mit einem scharfen Messer nachfährt; nach dem
andern, welches in geringem Umfange noch in Kiôto angewandt wird,
bereitet man aus gekochtem Leim, Ocker und Se-shime-urushi unter
Hinzufügung von Weizenmehl (Ko-mugi-no-ko) einen braunen oder
dunkelgrauen Kitt, den man in eine dünne Platte auswalzt. Dieselbe
wird hierauf über ein Brett ausgebreitet, welches einen frischen An-
strich von Se-shime-urushi erhalten hatte, um das Festhaften des Kittes
zu bewirken. In diesen Kitt werden nunmehr die Verzierungen, welche
man anbringen will, eingepresst oder eingraviert, worauf man ihn
trocknen lässt. So erhält man die Kata oder Schablone.
Aus demselben Teig wird nun eine zweite Platte ausgewalzt, dann
die aus der ersten gewonnene Hohlform daraufgelegt und eingepresst,
so dass die Verzierung beim Abheben der Form erhaben zurückbleibt.
Nunmehr überträgt man eine solche Kittplatte mit ihren Relieffiguren
auf den damit zu schmückenden Gegenstand, wobei das Festhaften
wiederum durch einen Anstrich mit Se-shime bewirkt wird. Um die
Zeichnung schärfer hervortreten zu lassen, wird nachgraviert. Nach-
dem die Masse völlig trocken geworden ist, wird der damit bedeckte
Gegenstand ein- oder mehrmals mit flüssigem rothen oder braunen Lack
überstrichen. Auf diese Weise verziert man Präsentierteller, Vasen
und andere Geräthe aus Holz, gebranntem Thon und Porzellan. Der
Kunstwerth und die Nachfrage nach ihnen sind jedoch nur gering.
Geschichtliche Notizen über die japanische Lackindustrie.
Obgleich das Alter dieser Industrie in Japan kaum genau zu be-
stimmen sein dürfte und die sagenhafte Geschichte, welche ihren An-
fang Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung ver-
legt, sehr wenig Vertrauen verdient, so darf man doch annehmen, dass
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/473>, abgerufen am 23.11.2024.
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