bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei dem Eierschalen-Porzellan.
Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz- waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tokaido, zwischen Yokohama und Tokio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder- spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver- wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be- kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner andern Nation wiederfindet.
Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher Spielsachen oder Omocha -- ich erinnere nur an den Koma oder Kreisel --, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg- fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit höherem Maasse bekunden.
3. Lackindustrie.
Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks. Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar- beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun- gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.
Vorbemerkungen.
Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani- schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja- paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei dem Eierschalen-Porzellan.
Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz- waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tôkaidô, zwischen Yokohama und Tôkio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder- spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver- wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be- kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner andern Nation wiederfindet.
Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher Spielsachen oder Omocha — ich erinnere nur an den Koma oder Kreisel —, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg- fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit höherem Maasse bekunden.
3. Lackindustrie.
Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks. Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar- beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun- gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.
Vorbemerkungen.
Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani- schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja- paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0424"n="400"/><fwplace="top"type="header">III. Kunstgewerbe und Verwandtes.</fw><lb/>
bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert<lb/>
mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei<lb/>
dem Eierschalen-Porzellan.</p><lb/><p>Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz-<lb/>
waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und<lb/>
andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch<lb/>
ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der<lb/>
Provinz <hirendition="#g">Tajima</hi> nach den Vertragshäfen. Auch <hirendition="#g">Omori</hi> am Tôkaidô,<lb/>
zwischen Yokohama und Tôkio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder-<lb/>
spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver-<lb/>
wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden<lb/>
nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem<lb/>
andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe<lb/>
Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be-<lb/>
kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der<lb/>
Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner<lb/>
andern Nation wiederfindet.</p><lb/><p>Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher<lb/>
Spielsachen oder <hirendition="#g">Omocha</hi>— ich erinnere nur an den <hirendition="#g">Koma</hi> oder<lb/>
Kreisel —, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg-<lb/>
fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern<lb/>
Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit<lb/>
höherem Maasse bekunden.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">3. Lackindustrie.</hi></head><lb/><argument><p>Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks.<lb/>
Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den<lb/>
Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der<lb/>
Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar-<lb/>
beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun-<lb/>
gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.</p></argument><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Vorbemerkungen</hi>.</head><lb/><p>Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani-<lb/>
schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle<lb/>
ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja-<lb/>
paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe<lb/>
Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen<lb/>
Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von<lb/>
seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[400/0424]
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert
mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei
dem Eierschalen-Porzellan.
Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz-
waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und
andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch
ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der
Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tôkaidô,
zwischen Yokohama und Tôkio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder-
spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver-
wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden
nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem
andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe
Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be-
kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der
Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner
andern Nation wiederfindet.
Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher
Spielsachen oder Omocha — ich erinnere nur an den Koma oder
Kreisel —, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg-
fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern
Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit
höherem Maasse bekunden.
3. Lackindustrie.
Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks.
Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den
Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der
Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar-
beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun-
gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.
Vorbemerkungen.
Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani-
schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle
ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja-
paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe
Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen
Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von
seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/424>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.