Abdrehen auf der Drehbank treten beide Veränderungen, der stockige Charakter und die eigenthümliche Zeichnung, durch den Farbstoff deut- lich hervor. Nach dem Putzen mit Schachtelhalm fügt man die Gegen- stände nochmals der Drehbank ein und lässt sie an einem dagegen gehaltenen Stück Pflanzenwachs (Ro, siehe pag. 185 ff.) rotieren, wodurch sie ein glattes, glänzendes Aussehen erhalten, indem ihre Poren zugleich mit Ro gefüllt werden.
Die Drehbank, von der hier die Rede ist, ist ein sehr einfacher Apparat. Der Dreher hat den Hauptbestandtheil, eine eiserne Achse, mit ihrem einen Ende, einer vierzinkigen Gabel, sich zugekehrt. Diese Achse ruht und bewegt sich am andern Ende in einer Pfanne, in der Mitte aber auf einem Träger. Zwischen beiden ist der links und rechts gewundene Riemen angebracht, welche nach unten in zwei Tritte endigt. Um diese und damit die Drehbank zu bewegen, sitzt der Arbeiter in einer kastenartigen Vertiefung, wenigstens mit den Beinen, zu denen die Riemen mit den Tritten hinabreichen. Indem er nun diese Tritte, wie ein Balkentreter beim Blasebalg einer Orgel auf- und abbewegt, dreht er die horizontale Achse nicht nach einer Rich- tung, sondern bald rechts bald links. In die erwähnte Gabel schlägt der Dreher einen dicken Querschnitt Holz, dreht je nach Bedarf eine engere oder weitere becherförmige Vertiefung hinein und zwängt dann das Stück Holz, aus dem er einen Gegenstand drehen will, mit einem Ende hinein etc.
Nikko-zaiku (Nikko-Arbeit). In dem berühmten Tempel- und Wallfahrtsorte Nikko (Imaichi) gibt es eine verhältnissmässig sehr grosse Zahl von Läden, welche mit einfach lackierten Waaren für den einheimischen Gebrauch, ferner mit eigenthümlichen Holz-, Schnitz- und Dreharbeiten handeln. Erstere kommen von Wakamatsu in Aidzu, die andern aber werden in Nikko selbst angefertigt, und nur für diese passt daher obiger Name. Die Gegenstände sind weder so mannig- faltig und schön, noch so geschätzt, wie die von Hakone, aber sehr eigenartig. Das Holz des Kampferlorbeers, der Erlen und anderer, die dort besonders häufig verwendet werden, kommen in Nikko nicht in Betracht. Was der Nikko-Arbeit ihren Reiz gibt, ist die Eigenart der Form und des verwendeten Materials. Wurzel- und Aststücke des Shakunagi (Rhododendron Metternichii) werden ihrer Rinde beraubt, zu Dosen, Aschenbechern, Schöpfbechern für Wasser und andere Zwecke ausgehöhlt, im Innern lackiert und mit einem lackierten Deckel versehen; alte verkorkte Polyporus behandelt man in ähnlicher Weise und schafft eine Menge Hohlgefässe, die ebenso durch ihre Unsym- metrie, wie durch ihre Originalität überraschen.
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Abdrehen auf der Drehbank treten beide Veränderungen, der stockige Charakter und die eigenthümliche Zeichnung, durch den Farbstoff deut- lich hervor. Nach dem Putzen mit Schachtelhalm fügt man die Gegen- stände nochmals der Drehbank ein und lässt sie an einem dagegen gehaltenen Stück Pflanzenwachs (Rô, siehe pag. 185 ff.) rotieren, wodurch sie ein glattes, glänzendes Aussehen erhalten, indem ihre Poren zugleich mit Rô gefüllt werden.
Die Drehbank, von der hier die Rede ist, ist ein sehr einfacher Apparat. Der Dreher hat den Hauptbestandtheil, eine eiserne Achse, mit ihrem einen Ende, einer vierzinkigen Gabel, sich zugekehrt. Diese Achse ruht und bewegt sich am andern Ende in einer Pfanne, in der Mitte aber auf einem Träger. Zwischen beiden ist der links und rechts gewundene Riemen angebracht, welche nach unten in zwei Tritte endigt. Um diese und damit die Drehbank zu bewegen, sitzt der Arbeiter in einer kastenartigen Vertiefung, wenigstens mit den Beinen, zu denen die Riemen mit den Tritten hinabreichen. Indem er nun diese Tritte, wie ein Balkentreter beim Blasebalg einer Orgel auf- und abbewegt, dreht er die horizontale Achse nicht nach einer Rich- tung, sondern bald rechts bald links. In die erwähnte Gabel schlägt der Dreher einen dicken Querschnitt Holz, dreht je nach Bedarf eine engere oder weitere becherförmige Vertiefung hinein und zwängt dann das Stück Holz, aus dem er einen Gegenstand drehen will, mit einem Ende hinein etc.
Nikkô-zaiku (Nikkô-Arbeit). In dem berühmten Tempel- und Wallfahrtsorte Nikkô (Imaichi) gibt es eine verhältnissmässig sehr grosse Zahl von Läden, welche mit einfach lackierten Waaren für den einheimischen Gebrauch, ferner mit eigenthümlichen Holz-, Schnitz- und Dreharbeiten handeln. Erstere kommen von Wakamatsu in Aidzu, die andern aber werden in Nikkô selbst angefertigt, und nur für diese passt daher obiger Name. Die Gegenstände sind weder so mannig- faltig und schön, noch so geschätzt, wie die von Hakone, aber sehr eigenartig. Das Holz des Kampferlorbeers, der Erlen und anderer, die dort besonders häufig verwendet werden, kommen in Nikkô nicht in Betracht. Was der Nikkô-Arbeit ihren Reiz gibt, ist die Eigenart der Form und des verwendeten Materials. Wurzel- und Aststücke des Shakunagi (Rhododendron Metternichii) werden ihrer Rinde beraubt, zu Dosen, Aschenbechern, Schöpfbechern für Wasser und andere Zwecke ausgehöhlt, im Innern lackiert und mit einem lackierten Deckel versehen; alte verkorkte Polyporus behandelt man in ähnlicher Weise und schafft eine Menge Hohlgefässe, die ebenso durch ihre Unsym- metrie, wie durch ihre Originalität überraschen.
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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Abdrehen auf der Drehbank treten beide Veränderungen, der stockige
Charakter und die eigenthümliche Zeichnung, durch den Farbstoff deut-
lich hervor. Nach dem Putzen mit Schachtelhalm fügt man die Gegen-
stände nochmals der Drehbank ein und lässt sie an einem dagegen
gehaltenen Stück Pflanzenwachs (Rô, siehe pag. 185 ff.) rotieren,
wodurch sie ein glattes, glänzendes Aussehen erhalten, indem ihre
Poren zugleich mit Rô gefüllt werden.
Die Drehbank, von der hier die Rede ist, ist ein sehr einfacher
Apparat. Der Dreher hat den Hauptbestandtheil, eine eiserne Achse,
mit ihrem einen Ende, einer vierzinkigen Gabel, sich zugekehrt. Diese
Achse ruht und bewegt sich am andern Ende in einer Pfanne, in der
Mitte aber auf einem Träger. Zwischen beiden ist der links und
rechts gewundene Riemen angebracht, welche nach unten in zwei
Tritte endigt. Um diese und damit die Drehbank zu bewegen, sitzt
der Arbeiter in einer kastenartigen Vertiefung, wenigstens mit den
Beinen, zu denen die Riemen mit den Tritten hinabreichen. Indem er
nun diese Tritte, wie ein Balkentreter beim Blasebalg einer Orgel auf-
und abbewegt, dreht er die horizontale Achse nicht nach einer Rich-
tung, sondern bald rechts bald links. In die erwähnte Gabel schlägt
der Dreher einen dicken Querschnitt Holz, dreht je nach Bedarf eine
engere oder weitere becherförmige Vertiefung hinein und zwängt dann
das Stück Holz, aus dem er einen Gegenstand drehen will, mit einem
Ende hinein etc.
Nikkô-zaiku (Nikkô-Arbeit). In dem berühmten Tempel- und
Wallfahrtsorte Nikkô (Imaichi) gibt es eine verhältnissmässig sehr
grosse Zahl von Läden, welche mit einfach lackierten Waaren für den
einheimischen Gebrauch, ferner mit eigenthümlichen Holz-, Schnitz-
und Dreharbeiten handeln. Erstere kommen von Wakamatsu in Aidzu,
die andern aber werden in Nikkô selbst angefertigt, und nur für diese
passt daher obiger Name. Die Gegenstände sind weder so mannig-
faltig und schön, noch so geschätzt, wie die von Hakone, aber sehr
eigenartig. Das Holz des Kampferlorbeers, der Erlen und anderer, die
dort besonders häufig verwendet werden, kommen in Nikkô nicht in
Betracht. Was der Nikkô-Arbeit ihren Reiz gibt, ist die Eigenart der
Form und des verwendeten Materials. Wurzel- und Aststücke des
Shakunagi (Rhododendron Metternichii) werden ihrer Rinde beraubt,
zu Dosen, Aschenbechern, Schöpfbechern für Wasser und andere
Zwecke ausgehöhlt, im Innern lackiert und mit einem lackierten Deckel
versehen; alte verkorkte Polyporus behandelt man in ähnlicher Weise
und schafft eine Menge Hohlgefässe, die ebenso durch ihre Unsym-
metrie, wie durch ihre Originalität überraschen.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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