Auch in Sevres, wo man bereits 1695 eine Art Porzellan verfer- tigte, aber das harte chinesische erst 1712 nachzuahmen wusste, war die Ausschmückung zuerst ebenfalls eine reine Copie der chinesischen und nahm erst allmählich einen mehr selbständigen Charakter an.
Ganz ausser allem Zusammenhang mit diesen frühesten Einflüssen der keramischen Kunst Ostasiens auf die edle Töpferei Europas, und der Zeit nach weit davon getrennt, steht nun das auffallende und weit verbreitete Bestreben der Neuzeit, die japanische Verzierungsweise, weniger die japanischen Formen blind zu copieren, ein Bestreben, das in den meisten Fällen erst seit 15 Jahren und nur ausnahmsweise schon 10 Jahre früher wahrnehmbar war und erst auf der Wiener Weltausstellung zum überraschenden Ausdruck kam. Veranlasst wurde dasselbe durch den grossen Beifall, welchen diese japanische Orna- mentik in maassgebenden Kreisen fand, und die Beliebtheit japanischer Industrieerzeugnisse, seitdem die alten Schranken ihres Versandtes ge- fallen waren. Frankreich und England, die bisher tonangebenden Länder in der Industrie überhaupt, haben auch in dieser Richtung sich am meisten hervorgethan. Legte hiervon schon die Wiener Ausstel- lung Zeugniss ab, so trat der japanische Einfluss auf die Industrie dieser Länder, namentlich in der Keramik, der Bronzewaaren-Verzie- rung und der Gold- und Silberschmiedearbeit (weniger auf andere Zweige des Kunstgewerbes), doch vor allem auf der letzten grossen Pariser Industrie-Ausstellung dem Besucher lebhaft vor Augen.
In der keramischen Klasse der französischen Ausstellung von 1878 fanden sich Nachahmungen japanischer Muster wohl auch bei Porzellan und Terracotta, doch vor allem viel bei der Faience. Als vorzügliche Leistungen derart sind diejenigen der Faiencerie de Gien (Loiret) und de Choisy le Roi (Seine) zu erwähnen. Die grosse Fabrik von Gien hatte Teller ausgestellt, bei welchen die Verzierungsweise des Kutani- yaki (Kaga-Porzellan) täuschend ähnlich wiedergegeben war; ebenso überraschend treu war die Nachbildung eines Räucherbeckens aus Sa- tsuma. Viel Geschmack und Geschick im Nachahmen japanischer Meister hatte auch der Porzellanmaler L. Celliere von Paris entwickelt, ebenso F. Gaidan, der Awata-yaki (Kioto-Faience) gut imitiert und sich ganz besonders durch eine freiere Anwendung der japanischen Manier ausgezeichnet hatte. Majorelle, ein Fabrikant aus Nancy, führte gute Nachbildungen der lackierten Imari-Vasen vor.
Wenden wir nun unsere Blicke zu den Erscheinungen der Pariser Bronze-Industrie, die in glänzender Weise auf der Weltausstellung von 1878 vertreten war, so fesselte selbstverständlich zunächst Barbedienne unser Interesse. Hat er doch unter den Franzosen in der Bronze
1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
Auch in Sèvres, wo man bereits 1695 eine Art Porzellan verfer- tigte, aber das harte chinesische erst 1712 nachzuahmen wusste, war die Ausschmückung zuerst ebenfalls eine reine Copie der chinesischen und nahm erst allmählich einen mehr selbständigen Charakter an.
Ganz ausser allem Zusammenhang mit diesen frühesten Einflüssen der keramischen Kunst Ostasiens auf die edle Töpferei Europas, und der Zeit nach weit davon getrennt, steht nun das auffallende und weit verbreitete Bestreben der Neuzeit, die japanische Verzierungsweise, weniger die japanischen Formen blind zu copieren, ein Bestreben, das in den meisten Fällen erst seit 15 Jahren und nur ausnahmsweise schon 10 Jahre früher wahrnehmbar war und erst auf der Wiener Weltausstellung zum überraschenden Ausdruck kam. Veranlasst wurde dasselbe durch den grossen Beifall, welchen diese japanische Orna- mentik in maassgebenden Kreisen fand, und die Beliebtheit japanischer Industrieerzeugnisse, seitdem die alten Schranken ihres Versandtes ge- fallen waren. Frankreich und England, die bisher tonangebenden Länder in der Industrie überhaupt, haben auch in dieser Richtung sich am meisten hervorgethan. Legte hiervon schon die Wiener Ausstel- lung Zeugniss ab, so trat der japanische Einfluss auf die Industrie dieser Länder, namentlich in der Keramik, der Bronzewaaren-Verzie- rung und der Gold- und Silberschmiedearbeit (weniger auf andere Zweige des Kunstgewerbes), doch vor allem auf der letzten grossen Pariser Industrie-Ausstellung dem Besucher lebhaft vor Augen.
In der keramischen Klasse der französischen Ausstellung von 1878 fanden sich Nachahmungen japanischer Muster wohl auch bei Porzellan und Terracotta, doch vor allem viel bei der Faience. Als vorzügliche Leistungen derart sind diejenigen der Faiencerie de Gien (Loiret) und de Choisy le Roi (Seine) zu erwähnen. Die grosse Fabrik von Gien hatte Teller ausgestellt, bei welchen die Verzierungsweise des Kutani- yaki (Kaga-Porzellan) täuschend ähnlich wiedergegeben war; ebenso überraschend treu war die Nachbildung eines Räucherbeckens aus Sa- tsuma. Viel Geschmack und Geschick im Nachahmen japanischer Meister hatte auch der Porzellanmaler L. Cellière von Paris entwickelt, ebenso F. Gaidan, der Awata-yaki (Kiôto-Faience) gut imitiert und sich ganz besonders durch eine freiere Anwendung der japanischen Manier ausgezeichnet hatte. Majorelle, ein Fabrikant aus Nancy, führte gute Nachbildungen der lackierten Imari-Vasen vor.
Wenden wir nun unsere Blicke zu den Erscheinungen der Pariser Bronze-Industrie, die in glänzender Weise auf der Weltausstellung von 1878 vertreten war, so fesselte selbstverständlich zunächst Barbedienne unser Interesse. Hat er doch unter den Franzosen in der Bronze
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1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
Auch in Sèvres, wo man bereits 1695 eine Art Porzellan verfer-
tigte, aber das harte chinesische erst 1712 nachzuahmen wusste, war
die Ausschmückung zuerst ebenfalls eine reine Copie der chinesischen
und nahm erst allmählich einen mehr selbständigen Charakter an.
Ganz ausser allem Zusammenhang mit diesen frühesten Einflüssen
der keramischen Kunst Ostasiens auf die edle Töpferei Europas, und
der Zeit nach weit davon getrennt, steht nun das auffallende und weit
verbreitete Bestreben der Neuzeit, die japanische Verzierungsweise,
weniger die japanischen Formen blind zu copieren, ein Bestreben, das
in den meisten Fällen erst seit 15 Jahren und nur ausnahmsweise
schon 10 Jahre früher wahrnehmbar war und erst auf der Wiener
Weltausstellung zum überraschenden Ausdruck kam. Veranlasst wurde
dasselbe durch den grossen Beifall, welchen diese japanische Orna-
mentik in maassgebenden Kreisen fand, und die Beliebtheit japanischer
Industrieerzeugnisse, seitdem die alten Schranken ihres Versandtes ge-
fallen waren. Frankreich und England, die bisher tonangebenden
Länder in der Industrie überhaupt, haben auch in dieser Richtung sich
am meisten hervorgethan. Legte hiervon schon die Wiener Ausstel-
lung Zeugniss ab, so trat der japanische Einfluss auf die Industrie
dieser Länder, namentlich in der Keramik, der Bronzewaaren-Verzie-
rung und der Gold- und Silberschmiedearbeit (weniger auf andere
Zweige des Kunstgewerbes), doch vor allem auf der letzten grossen
Pariser Industrie-Ausstellung dem Besucher lebhaft vor Augen.
In der keramischen Klasse der französischen Ausstellung von 1878
fanden sich Nachahmungen japanischer Muster wohl auch bei Porzellan
und Terracotta, doch vor allem viel bei der Faience. Als vorzügliche
Leistungen derart sind diejenigen der Faiencerie de Gien (Loiret) und
de Choisy le Roi (Seine) zu erwähnen. Die grosse Fabrik von Gien
hatte Teller ausgestellt, bei welchen die Verzierungsweise des Kutani-
yaki (Kaga-Porzellan) täuschend ähnlich wiedergegeben war; ebenso
überraschend treu war die Nachbildung eines Räucherbeckens aus Sa-
tsuma. Viel Geschmack und Geschick im Nachahmen japanischer
Meister hatte auch der Porzellanmaler L. Cellière von Paris entwickelt,
ebenso F. Gaidan, der Awata-yaki (Kiôto-Faience) gut imitiert und
sich ganz besonders durch eine freiere Anwendung der japanischen
Manier ausgezeichnet hatte. Majorelle, ein Fabrikant aus Nancy,
führte gute Nachbildungen der lackierten Imari-Vasen vor.
Wenden wir nun unsere Blicke zu den Erscheinungen der Pariser
Bronze-Industrie, die in glänzender Weise auf der Weltausstellung von
1878 vertreten war, so fesselte selbstverständlich zunächst Barbedienne
unser Interesse. Hat er doch unter den Franzosen in der Bronze
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/415>, abgerufen am 24.11.2024.
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