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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.

Im Jahre 1745 brachte Lagertröm, Director der schwedischen
Ostindischen Compagnie, die beiden ersten Varietäten nach Up-
sala; doch war Tsubaki vor 100 Jahren in Europa immer noch eine
Seltenheit. Die meisten der zahlreichen Spielarten wurden erst in
diesem Jahrhundert aus China und Japan eingeführt oder allmählich
in unsern Gärtnereien erzielt. In den Kalthäusern und Treibereien
des gemässigten und kälteren Europas, wo man die Lebensbedürfnisse
der Camellie genau kennt und befriedigt, ist jetzt die Zahl ihrer Ab-
arten, wie schon angedeutet wurde, viel grösser als in Ostasien.*)

Das ausgeprägte Mittelmeerklima mit seiner langen, trockenen
Sommerhitze sagt der Camellie nicht zu. Es ist thatsächlich eine schöne
Blüthe derselben in Petersburg oder Berlin leichter und billiger zu
haben, als beispielsweise in Sevilla. Auch bildet die Pflanze in jenem
ausgeprägten Klima nirgends einen Baum, sondern wird nur 2--3 m
hoch. In Lissabon z. B. gedeiht sie nicht, wohl aber in der feuchteren
Luft von Cintra. Hier kann man in den herrlichen Anlagen von Mont-
serat und der Penha, zumal in der kühlenden Nähe eines munteren
Baches, im März und April niedrige Camellienbüsche in grosser Blü-
thenpracht sehen, ebenso in Malaga. Aber die Sträucher müssen den
Sommer über in Schatten gestellt und thunlichst kühl gehalten werden.

In Florenz bedarf die Camellie während des Winters gleich den
Rosen bei uns eines gewissen Schutzes gegen die Kälte. Dagegen
hat sie sich in und um Constantinopel, woselbst man sie erst vor
15 Jahren ganz dem freien Lande anvertraute, in dem strengen Win-
ter 1879/80 vollkommen widerstandsfähig erwiesen. In Neapel er-
froren zu der Zeit von Freilandpflanzen die Pelargonien, Myrthen,
Oleander und manche andere einheimische oder seit lange eingebür-
gerte Pflanzen, nicht aber die Camellien.

Unstreitig bieten aber die Riviera und die Ufer der norditalieni-
schen Seen der Camellie, wie einer ganzen Anzahl anderer japanischer
Pflanzen, darunter auch Kampferlorbeer und die meisten japanischen
Nadelhölzer, günstigere Klimaverhältnisse, wie irgend ein anderer Theil
Europas. Hier gedeiht Tsubaki ohne jeden Schutz fast so vortrefflich,
wie in ihrer japanischen Heimat, hier (z. B. bei der Villa Carlotta)
finden wir schon Bäume von 8 m Höhe und 18 cm Stammstärke, hier
blüht sie, wie in ihrer Heimat, theilweise schon Mitte Winter, vor allem
aber in üppiger Fülle während der Frühlingsmonate, hier endlich reift
sie auch später ihre grossen Früchte.

*) Einen Camellienflor, wie ihn beispielsweise der Frankfurter Palmengarten im
Frühjahr seinen Besuchern bietet, sucht man in Japan vergeblich.
8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.

Im Jahre 1745 brachte Lagertröm, Director der schwedischen
Ostindischen Compagnie, die beiden ersten Varietäten nach Up-
sala; doch war Tsubaki vor 100 Jahren in Europa immer noch eine
Seltenheit. Die meisten der zahlreichen Spielarten wurden erst in
diesem Jahrhundert aus China und Japan eingeführt oder allmählich
in unsern Gärtnereien erzielt. In den Kalthäusern und Treibereien
des gemässigten und kälteren Europas, wo man die Lebensbedürfnisse
der Camellie genau kennt und befriedigt, ist jetzt die Zahl ihrer Ab-
arten, wie schon angedeutet wurde, viel grösser als in Ostasien.*)

Das ausgeprägte Mittelmeerklima mit seiner langen, trockenen
Sommerhitze sagt der Camellie nicht zu. Es ist thatsächlich eine schöne
Blüthe derselben in Petersburg oder Berlin leichter und billiger zu
haben, als beispielsweise in Sevilla. Auch bildet die Pflanze in jenem
ausgeprägten Klima nirgends einen Baum, sondern wird nur 2—3 m
hoch. In Lissabon z. B. gedeiht sie nicht, wohl aber in der feuchteren
Luft von Cintra. Hier kann man in den herrlichen Anlagen von Mont-
serat und der Penha, zumal in der kühlenden Nähe eines munteren
Baches, im März und April niedrige Camellienbüsche in grosser Blü-
thenpracht sehen, ebenso in Malaga. Aber die Sträucher müssen den
Sommer über in Schatten gestellt und thunlichst kühl gehalten werden.

In Florenz bedarf die Camellie während des Winters gleich den
Rosen bei uns eines gewissen Schutzes gegen die Kälte. Dagegen
hat sie sich in und um Constantinopel, woselbst man sie erst vor
15 Jahren ganz dem freien Lande anvertraute, in dem strengen Win-
ter 1879/80 vollkommen widerstandsfähig erwiesen. In Neapel er-
froren zu der Zeit von Freilandpflanzen die Pelargonien, Myrthen,
Oleander und manche andere einheimische oder seit lange eingebür-
gerte Pflanzen, nicht aber die Camellien.

Unstreitig bieten aber die Riviera und die Ufer der norditalieni-
schen Seen der Camellie, wie einer ganzen Anzahl anderer japanischer
Pflanzen, darunter auch Kampferlorbeer und die meisten japanischen
Nadelhölzer, günstigere Klimaverhältnisse, wie irgend ein anderer Theil
Europas. Hier gedeiht Tsubaki ohne jeden Schutz fast so vortrefflich,
wie in ihrer japanischen Heimat, hier (z. B. bei der Villa Carlotta)
finden wir schon Bäume von 8 m Höhe und 18 cm Stammstärke, hier
blüht sie, wie in ihrer Heimat, theilweise schon Mitte Winter, vor allem
aber in üppiger Fülle während der Frühlingsmonate, hier endlich reift
sie auch später ihre grossen Früchte.

*) Einen Camellienflor, wie ihn beispielsweise der Frankfurter Palmengarten im
Frühjahr seinen Besuchern bietet, sucht man in Japan vergeblich.
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[333/0357] 8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa. Im Jahre 1745 brachte Lagertröm, Director der schwedischen Ostindischen Compagnie, die beiden ersten Varietäten nach Up- sala; doch war Tsubaki vor 100 Jahren in Europa immer noch eine Seltenheit. Die meisten der zahlreichen Spielarten wurden erst in diesem Jahrhundert aus China und Japan eingeführt oder allmählich in unsern Gärtnereien erzielt. In den Kalthäusern und Treibereien des gemässigten und kälteren Europas, wo man die Lebensbedürfnisse der Camellie genau kennt und befriedigt, ist jetzt die Zahl ihrer Ab- arten, wie schon angedeutet wurde, viel grösser als in Ostasien. *) Das ausgeprägte Mittelmeerklima mit seiner langen, trockenen Sommerhitze sagt der Camellie nicht zu. Es ist thatsächlich eine schöne Blüthe derselben in Petersburg oder Berlin leichter und billiger zu haben, als beispielsweise in Sevilla. Auch bildet die Pflanze in jenem ausgeprägten Klima nirgends einen Baum, sondern wird nur 2—3 m hoch. In Lissabon z. B. gedeiht sie nicht, wohl aber in der feuchteren Luft von Cintra. Hier kann man in den herrlichen Anlagen von Mont- serat und der Penha, zumal in der kühlenden Nähe eines munteren Baches, im März und April niedrige Camellienbüsche in grosser Blü- thenpracht sehen, ebenso in Malaga. Aber die Sträucher müssen den Sommer über in Schatten gestellt und thunlichst kühl gehalten werden. In Florenz bedarf die Camellie während des Winters gleich den Rosen bei uns eines gewissen Schutzes gegen die Kälte. Dagegen hat sie sich in und um Constantinopel, woselbst man sie erst vor 15 Jahren ganz dem freien Lande anvertraute, in dem strengen Win- ter 1879/80 vollkommen widerstandsfähig erwiesen. In Neapel er- froren zu der Zeit von Freilandpflanzen die Pelargonien, Myrthen, Oleander und manche andere einheimische oder seit lange eingebür- gerte Pflanzen, nicht aber die Camellien. Unstreitig bieten aber die Riviera und die Ufer der norditalieni- schen Seen der Camellie, wie einer ganzen Anzahl anderer japanischer Pflanzen, darunter auch Kampferlorbeer und die meisten japanischen Nadelhölzer, günstigere Klimaverhältnisse, wie irgend ein anderer Theil Europas. Hier gedeiht Tsubaki ohne jeden Schutz fast so vortrefflich, wie in ihrer japanischen Heimat, hier (z. B. bei der Villa Carlotta) finden wir schon Bäume von 8 m Höhe und 18 cm Stammstärke, hier blüht sie, wie in ihrer Heimat, theilweise schon Mitte Winter, vor allem aber in üppiger Fülle während der Frühlingsmonate, hier endlich reift sie auch später ihre grossen Früchte. *) Einen Camellienflor, wie ihn beispielsweise der Frankfurter Palmengarten im Frühjahr seinen Besuchern bietet, sucht man in Japan vergeblich.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/357>, abgerufen am 27.04.2024.