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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
haben von der Anwendung von Spannern in irgend einem Rahmwerk,
noch das Bedürfniss, ein solches auf ein festes Fundament zu stützen.
So gewährt denn das japanische Wohnhaus wohl während der heissen
Sommermonate einen luftigen, kühlen Aufenthalt; wenn aber im
Winter draussen heftige rauhe Winde wehen, dringt ihr kalter Hauch
durch alle Fugen. Alsdann vermögen nur warme Kleider gegen die
Kälte genügend Schutz zu gewähren, da auch die Heizvorrichtungen
keineswegs zweckmässig sind. Auf dem Lande sind die Häuser meist
mit Stroh, in den Städten in der Regel mit Schindeln oder auch mit
Ziegeln bedeckt. Das Schindeldach trägt rechtwinklig sich kreuzende
Bambusrohrschienen, welche mit Drähten befestigt sind, und dazu
dienen, die Schindeln bei heftigen Winden in ihrer Lage zu erhalten.
Zu diesem Zweck werden sie an hochgelegenen Orten noch weiter
durch Steine unterstützt, wie dies in ähnlicher Weise auch in unsern
Gebirgen an Dächern zu beobachten ist.

Der leichte Holzbau, das Fehlen der Schornsteine und genügen-
der Heizvorrichtungen überhaupt, sowie endlich die Sitte, die Woh-
nungen in den Städten und grösseren Ortschaften unmittelbar an ein-
ander zu reihen, erhöhen die Feuersgefahr ausserordentlich. Ver-
heerende Feuersbrünste kommen desshalb sehr häufig vor, zumal in
dem grossen Häusermeer von Tokio; sie vermehren den Bedarf des
Landes an Bauholz in hohem Grade und sind eine der Hauptursachen,
wesshalb letzterer schon seit lange durch planmässige Waldanlagen
gedeckt wird. Denn während im Gebirge noch jetzt der grosse Ueber-
fluss an Holz bei dem Fehlen geeigneter Verkehrsmittel, wie Fuhr-
werke und fahrbare Wege, nur geringe Verwendung findet, und man
die alten abgestorbenen oder vom Winde gebrochenen Stämme in
Menge verfaulen lässt, machte sich in der tieferen Culturregion schon
vor Jahrhunderten Holzmangel geltend, dem nur Aufforstung oder
künstliche Anlagen abhelfen konnten. In dieser Beschränkung ist
denn auch die japanische Behauptung, dass man schon vor 1200 Jahren
in Dai Nippon Wälder durch künstliche Pflanzung erzielt habe, wohl
begründet. Eine systematische, zielbewusste und vom Staate geleitete
Forstwirthschaft war dies jedoch nicht, da ja, wie gesagt, der einzige
Zweck dieser Waldcultur die Beschaffung des nöthigen Holzes war.
Dass aber gerade der vollständig vernachlässigte Gebirgswald ein
Hauptquell der Wohlfahrt für das Land sei und man diese nicht blos
in seinem Holze, sondern vornehmlich auch in seinem klimatischen
Einflusse suchen und erhalten müsse, ist den Japanern erst in der
neuesten Zeit zum Bewusstsein gebracht worden. Von hier ab datiert
denn auch die Energie, mit welcher sie die wissenschaftliche Wald-

I. Land- und Forstwirthschaft.
haben von der Anwendung von Spannern in irgend einem Rahmwerk,
noch das Bedürfniss, ein solches auf ein festes Fundament zu stützen.
So gewährt denn das japanische Wohnhaus wohl während der heissen
Sommermonate einen luftigen, kühlen Aufenthalt; wenn aber im
Winter draussen heftige rauhe Winde wehen, dringt ihr kalter Hauch
durch alle Fugen. Alsdann vermögen nur warme Kleider gegen die
Kälte genügend Schutz zu gewähren, da auch die Heizvorrichtungen
keineswegs zweckmässig sind. Auf dem Lande sind die Häuser meist
mit Stroh, in den Städten in der Regel mit Schindeln oder auch mit
Ziegeln bedeckt. Das Schindeldach trägt rechtwinklig sich kreuzende
Bambusrohrschienen, welche mit Drähten befestigt sind, und dazu
dienen, die Schindeln bei heftigen Winden in ihrer Lage zu erhalten.
Zu diesem Zweck werden sie an hochgelegenen Orten noch weiter
durch Steine unterstützt, wie dies in ähnlicher Weise auch in unsern
Gebirgen an Dächern zu beobachten ist.

Der leichte Holzbau, das Fehlen der Schornsteine und genügen-
der Heizvorrichtungen überhaupt, sowie endlich die Sitte, die Woh-
nungen in den Städten und grösseren Ortschaften unmittelbar an ein-
ander zu reihen, erhöhen die Feuersgefahr ausserordentlich. Ver-
heerende Feuersbrünste kommen desshalb sehr häufig vor, zumal in
dem grossen Häusermeer von Tôkio; sie vermehren den Bedarf des
Landes an Bauholz in hohem Grade und sind eine der Hauptursachen,
wesshalb letzterer schon seit lange durch planmässige Waldanlagen
gedeckt wird. Denn während im Gebirge noch jetzt der grosse Ueber-
fluss an Holz bei dem Fehlen geeigneter Verkehrsmittel, wie Fuhr-
werke und fahrbare Wege, nur geringe Verwendung findet, und man
die alten abgestorbenen oder vom Winde gebrochenen Stämme in
Menge verfaulen lässt, machte sich in der tieferen Culturregion schon
vor Jahrhunderten Holzmangel geltend, dem nur Aufforstung oder
künstliche Anlagen abhelfen konnten. In dieser Beschränkung ist
denn auch die japanische Behauptung, dass man schon vor 1200 Jahren
in Dai Nippon Wälder durch künstliche Pflanzung erzielt habe, wohl
begründet. Eine systematische, zielbewusste und vom Staate geleitete
Forstwirthschaft war dies jedoch nicht, da ja, wie gesagt, der einzige
Zweck dieser Waldcultur die Beschaffung des nöthigen Holzes war.
Dass aber gerade der vollständig vernachlässigte Gebirgswald ein
Hauptquell der Wohlfahrt für das Land sei und man diese nicht blos
in seinem Holze, sondern vornehmlich auch in seinem klimatischen
Einflusse suchen und erhalten müsse, ist den Japanern erst in der
neuesten Zeit zum Bewusstsein gebracht worden. Von hier ab datiert
denn auch die Energie, mit welcher sie die wissenschaftliche Wald-

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[254/0278] I. Land- und Forstwirthschaft. haben von der Anwendung von Spannern in irgend einem Rahmwerk, noch das Bedürfniss, ein solches auf ein festes Fundament zu stützen. So gewährt denn das japanische Wohnhaus wohl während der heissen Sommermonate einen luftigen, kühlen Aufenthalt; wenn aber im Winter draussen heftige rauhe Winde wehen, dringt ihr kalter Hauch durch alle Fugen. Alsdann vermögen nur warme Kleider gegen die Kälte genügend Schutz zu gewähren, da auch die Heizvorrichtungen keineswegs zweckmässig sind. Auf dem Lande sind die Häuser meist mit Stroh, in den Städten in der Regel mit Schindeln oder auch mit Ziegeln bedeckt. Das Schindeldach trägt rechtwinklig sich kreuzende Bambusrohrschienen, welche mit Drähten befestigt sind, und dazu dienen, die Schindeln bei heftigen Winden in ihrer Lage zu erhalten. Zu diesem Zweck werden sie an hochgelegenen Orten noch weiter durch Steine unterstützt, wie dies in ähnlicher Weise auch in unsern Gebirgen an Dächern zu beobachten ist. Der leichte Holzbau, das Fehlen der Schornsteine und genügen- der Heizvorrichtungen überhaupt, sowie endlich die Sitte, die Woh- nungen in den Städten und grösseren Ortschaften unmittelbar an ein- ander zu reihen, erhöhen die Feuersgefahr ausserordentlich. Ver- heerende Feuersbrünste kommen desshalb sehr häufig vor, zumal in dem grossen Häusermeer von Tôkio; sie vermehren den Bedarf des Landes an Bauholz in hohem Grade und sind eine der Hauptursachen, wesshalb letzterer schon seit lange durch planmässige Waldanlagen gedeckt wird. Denn während im Gebirge noch jetzt der grosse Ueber- fluss an Holz bei dem Fehlen geeigneter Verkehrsmittel, wie Fuhr- werke und fahrbare Wege, nur geringe Verwendung findet, und man die alten abgestorbenen oder vom Winde gebrochenen Stämme in Menge verfaulen lässt, machte sich in der tieferen Culturregion schon vor Jahrhunderten Holzmangel geltend, dem nur Aufforstung oder künstliche Anlagen abhelfen konnten. In dieser Beschränkung ist denn auch die japanische Behauptung, dass man schon vor 1200 Jahren in Dai Nippon Wälder durch künstliche Pflanzung erzielt habe, wohl begründet. Eine systematische, zielbewusste und vom Staate geleitete Forstwirthschaft war dies jedoch nicht, da ja, wie gesagt, der einzige Zweck dieser Waldcultur die Beschaffung des nöthigen Holzes war. Dass aber gerade der vollständig vernachlässigte Gebirgswald ein Hauptquell der Wohlfahrt für das Land sei und man diese nicht blos in seinem Holze, sondern vornehmlich auch in seinem klimatischen Einflusse suchen und erhalten müsse, ist den Japanern erst in der neuesten Zeit zum Bewusstsein gebracht worden. Von hier ab datiert denn auch die Energie, mit welcher sie die wissenschaftliche Wald-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/278>, abgerufen am 25.11.2024.