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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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3. Handelsgewächse.
Hügeln dieser Uebergangszone und theilweise in der Ebene selbst ge-
winnt man den geschätztesten Thee von Uji, von dem noch immer
die auserlesene Waare Yen 10=40 Mk. das Kilo kostet und von der
gewöhnlichen Sorte 2--3 Yen.

Etwa 30 Tage vor der ersten Ernte, welche Mitte Mai beginnt (die
zweite fängt am Schluss der Regenzeit etwa 2 Monate später an) werden
die Theegärten zu Uji überdacht. Das Dach ruht auf Pfählen und
Stangen und besteht aus Matten von dicht aneinander gereihten Schilf-
stengeln. Es befindet sich 1 1/2--2 Meter über dem Boden -- die
Sträucher sind 1/2--1 Meter hoch, so dass die Arbeiter bequem dar-
unter hergehen und die erste Blatternte besorgen können. Ist die-
selbe vorüber, so wird es entfernt und bis zum nächsten Jahr in be-
sonderen Häuschen oder Schuppen aufbewahrt. Die Ueberdachung,
welche bereits vor 200 Jahren angewandt worden sein soll, hat zum
Zweck, die Büsche vor dem nächtlichen kalten Thau zu schützen, der
die jungen Blätter röthet und ihnen einen bitteren Geschmack ver-
leiht. Offenbar wird durch dieselbe die Wärmeausstrahlung des Bo-
dens und der Blätter und damit die nächtliche Abkühlung vermindert,
während durch das gedämpfte Licht sich zugleich die Internodien der
jungen Triebe verlängern und die Blätter zarter werden. Wie in
China, so findet auch in Japan in der Regel eine zweimalige Blatt-
lese statt, von denen die erste als Haupternte je nach der Lage und
Entwickelung der Pflanzung Anfang oder Mitte Mai beginnt (im süd-
lichen China noch eher) und 10--20 Tage dauert, die zweite aber erst
den grossen Sommerregen, also etwa 4--6 Wochen später folgt. In
China geht der Haupternte an manchen Orten im April noch eine an-
dere von unentwickelten und noch mit weissem Flaum behafteten
Blättern voraus. Sie liefert die theuersten Theesorten: den feinsten
Pekoe, Pekoe tips, Pekoe Spitzen, fälschlich Pekoe Blüthen genannt,
und Young Hyson und erfordert natürlich besondere Sorgfalt, um die
Büsche nicht zu beschädigen und die Haupternte zu sehr zu beein-
trächtigen. Für diese werden entwickelte, aber noch junge Blätter
genommen, von denen Frauen und Kinder im Durchschnitt täglich
etwa 15 Pfund pflücken, während man sonst und auch in Assam das
dreifache Quantum als Tagesarbeit eines fleissigen Mannes erhält.
Man rechnet 4 Pfund frische Blätter auf 1 Pfund fertigen Thee. Der
Bauer, welcher sie gewann, verarbeitet sie entweder selbst oder ver-
kauft sie an Mittelpersonen. Die zweite, beziehungsweise dritte Blatt-
lese liefert nur ältere, rauhere Blätter für den einheimischen Gebrauch
oder für die Darstellung von Backsteinthee. Es ist wichtig, dass die
frischen Blätter thunlichst bald weiter verarbeitet werden, um daraus,

3. Handelsgewächse.
Hügeln dieser Uebergangszone und theilweise in der Ebene selbst ge-
winnt man den geschätztesten Thee von Uji, von dem noch immer
die auserlesene Waare Yen 10=40 Mk. das Kilo kostet und von der
gewöhnlichen Sorte 2—3 Yen.

Etwa 30 Tage vor der ersten Ernte, welche Mitte Mai beginnt (die
zweite fängt am Schluss der Regenzeit etwa 2 Monate später an) werden
die Theegärten zu Uji überdacht. Das Dach ruht auf Pfählen und
Stangen und besteht aus Matten von dicht aneinander gereihten Schilf-
stengeln. Es befindet sich 1 ½—2 Meter über dem Boden — die
Sträucher sind ½—1 Meter hoch, so dass die Arbeiter bequem dar-
unter hergehen und die erste Blatternte besorgen können. Ist die-
selbe vorüber, so wird es entfernt und bis zum nächsten Jahr in be-
sonderen Häuschen oder Schuppen aufbewahrt. Die Ueberdachung,
welche bereits vor 200 Jahren angewandt worden sein soll, hat zum
Zweck, die Büsche vor dem nächtlichen kalten Thau zu schützen, der
die jungen Blätter röthet und ihnen einen bitteren Geschmack ver-
leiht. Offenbar wird durch dieselbe die Wärmeausstrahlung des Bo-
dens und der Blätter und damit die nächtliche Abkühlung vermindert,
während durch das gedämpfte Licht sich zugleich die Internodien der
jungen Triebe verlängern und die Blätter zarter werden. Wie in
China, so findet auch in Japan in der Regel eine zweimalige Blatt-
lese statt, von denen die erste als Haupternte je nach der Lage und
Entwickelung der Pflanzung Anfang oder Mitte Mai beginnt (im süd-
lichen China noch eher) und 10—20 Tage dauert, die zweite aber erst
den grossen Sommerregen, also etwa 4—6 Wochen später folgt. In
China geht der Haupternte an manchen Orten im April noch eine an-
dere von unentwickelten und noch mit weissem Flaum behafteten
Blättern voraus. Sie liefert die theuersten Theesorten: den feinsten
Pekoe, Pekoe tips, Pekoe Spitzen, fälschlich Pekoe Blüthen genannt,
und Young Hyson und erfordert natürlich besondere Sorgfalt, um die
Büsche nicht zu beschädigen und die Haupternte zu sehr zu beein-
trächtigen. Für diese werden entwickelte, aber noch junge Blätter
genommen, von denen Frauen und Kinder im Durchschnitt täglich
etwa 15 Pfund pflücken, während man sonst und auch in Assam das
dreifache Quantum als Tagesarbeit eines fleissigen Mannes erhält.
Man rechnet 4 Pfund frische Blätter auf 1 Pfund fertigen Thee. Der
Bauer, welcher sie gewann, verarbeitet sie entweder selbst oder ver-
kauft sie an Mittelpersonen. Die zweite, beziehungsweise dritte Blatt-
lese liefert nur ältere, rauhere Blätter für den einheimischen Gebrauch
oder für die Darstellung von Backsteinthee. Es ist wichtig, dass die
frischen Blätter thunlichst bald weiter verarbeitet werden, um daraus,

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[137/0159] 3. Handelsgewächse. Hügeln dieser Uebergangszone und theilweise in der Ebene selbst ge- winnt man den geschätztesten Thee von Uji, von dem noch immer die auserlesene Waare Yen 10=40 Mk. das Kilo kostet und von der gewöhnlichen Sorte 2—3 Yen. Etwa 30 Tage vor der ersten Ernte, welche Mitte Mai beginnt (die zweite fängt am Schluss der Regenzeit etwa 2 Monate später an) werden die Theegärten zu Uji überdacht. Das Dach ruht auf Pfählen und Stangen und besteht aus Matten von dicht aneinander gereihten Schilf- stengeln. Es befindet sich 1 ½—2 Meter über dem Boden — die Sträucher sind ½—1 Meter hoch, so dass die Arbeiter bequem dar- unter hergehen und die erste Blatternte besorgen können. Ist die- selbe vorüber, so wird es entfernt und bis zum nächsten Jahr in be- sonderen Häuschen oder Schuppen aufbewahrt. Die Ueberdachung, welche bereits vor 200 Jahren angewandt worden sein soll, hat zum Zweck, die Büsche vor dem nächtlichen kalten Thau zu schützen, der die jungen Blätter röthet und ihnen einen bitteren Geschmack ver- leiht. Offenbar wird durch dieselbe die Wärmeausstrahlung des Bo- dens und der Blätter und damit die nächtliche Abkühlung vermindert, während durch das gedämpfte Licht sich zugleich die Internodien der jungen Triebe verlängern und die Blätter zarter werden. Wie in China, so findet auch in Japan in der Regel eine zweimalige Blatt- lese statt, von denen die erste als Haupternte je nach der Lage und Entwickelung der Pflanzung Anfang oder Mitte Mai beginnt (im süd- lichen China noch eher) und 10—20 Tage dauert, die zweite aber erst den grossen Sommerregen, also etwa 4—6 Wochen später folgt. In China geht der Haupternte an manchen Orten im April noch eine an- dere von unentwickelten und noch mit weissem Flaum behafteten Blättern voraus. Sie liefert die theuersten Theesorten: den feinsten Pekoe, Pekoe tips, Pekoe Spitzen, fälschlich Pekoe Blüthen genannt, und Young Hyson und erfordert natürlich besondere Sorgfalt, um die Büsche nicht zu beschädigen und die Haupternte zu sehr zu beein- trächtigen. Für diese werden entwickelte, aber noch junge Blätter genommen, von denen Frauen und Kinder im Durchschnitt täglich etwa 15 Pfund pflücken, während man sonst und auch in Assam das dreifache Quantum als Tagesarbeit eines fleissigen Mannes erhält. Man rechnet 4 Pfund frische Blätter auf 1 Pfund fertigen Thee. Der Bauer, welcher sie gewann, verarbeitet sie entweder selbst oder ver- kauft sie an Mittelpersonen. Die zweite, beziehungsweise dritte Blatt- lese liefert nur ältere, rauhere Blätter für den einheimischen Gebrauch oder für die Darstellung von Backsteinthee. Es ist wichtig, dass die frischen Blätter thunlichst bald weiter verarbeitet werden, um daraus,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/159>, abgerufen am 20.04.2024.