Nach persönlichen Mittheilungen von Dr. Brandis war das Assam- thal noch im vorigen Jahrhundert dicht bevölkert und vortrefflich bebaut. Diese Cultur wurde jedoch durch die Einfälle der Birmaner zum grossen Theil vernichtet. Die Wälder nun, welche seitdem über alten Culturstätten herangewachsen sind, enthalten den Theebaum, und so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass derselbe trotz mancher Eigen- thümlichkeiten hier nur verwilderte und im wirklichen Naturzustande die Theepflanze möglicherweise in den noch unerforschten Urwäldern der benachbarten indo-chinesischen Grenzgebiete sich findet.
Nach neueren Ansichten gehört nun aber der Theebaum vom Assamthale gleich den verschiedenen, in ihrer Entwickelung gehemmten Formen des in China und Japan cultivierten Strauches derselben Art an, die man als Camellia theifera Griffth. oder Thea chinensis Sims. bezeichnet. Hiernach gelten als Varietäten mit mancherlei Ueber- gängen a Thea viridis L. b Thea Bohea L. g Thea assamica Masters.
Die allgemeinen Charaktere (Siehe Taf. I) sind folgende: Strauch oder Baum bis 9 m Höhe, mit hartem, lichtem Holze und starker Ver- ästelung. Rinde glatt, hellaschfarben, an die der Buche erinnernd, bei jungen Zweigen bräunlich. Krone dicht. Blätter abwechselnd, kurzge- stielt, elliptisch bis länglich lanzettförmig, am Rande scharf gesägt, aus- dauernd, glänzend dunkelgrün, doch viel weniger dick und lederartig steif wie bei Camellia japonica, in der Jugend mit weissem Flaum oder seidenen Härchen bedeckt, die bei weiterer Entwickelung abfallen. Blüthen nach dem Linne'schen System der 13. Cl. 1. Ordn. angehörend, fast geruchlos, regelmässig, einzeln oder zu 2--3 aus den Blattwinkeln, kurzgestielt. Kelch 5--6-blätterig, Krone regelmässig radförmig mit 1--11/2 cm Durchmesser, weiss bis rosafarbig mit 6 Blumenblättern, von denen die 2 äussersten etwas kleiner als die 4 andern sind. Staub- gefässe zahlreich, radförmig ausgebreitet, Griffel dreispaltig, Frucht- knoten mit drei Embryonen. Frucht eine runde, dreifächerige, drei- samige Kapsel, aussehend, wie aus drei theilweise in einander ge- schobenen Kugeln bestehend, seitlich aufspringend. Die von harter Schale eingeschlossenen ölreichen Samen sind kugelrund, von der Grösse der Kirschkerne und der Färbung der Haselnüsse (a). Blüthe- zeit und Fruchtreife fallen September bis December, so dass die Samen fast ein ganzes Jahr zur Entwickelung bedürfen und in den kälteren Theedistrikten Japans, Chinas und der Himalaya-Landschaften in der Regel Nachtfröste die späteren Blüthen zerstören.
Von den Abarten bildet Thea viridis L. einen grossen rasch wach- senden Strauch, der weniger empfindlich ist, als Th. Bohea L. Seine Blätter sind lanzettlich und erreichen oft 8--12 cm Länge bei 1/3 der
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3. Handelsgewächse.
Nach persönlichen Mittheilungen von Dr. Brandis war das Assam- thal noch im vorigen Jahrhundert dicht bevölkert und vortrefflich bebaut. Diese Cultur wurde jedoch durch die Einfälle der Birmaner zum grossen Theil vernichtet. Die Wälder nun, welche seitdem über alten Culturstätten herangewachsen sind, enthalten den Theebaum, und so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass derselbe trotz mancher Eigen- thümlichkeiten hier nur verwilderte und im wirklichen Naturzustande die Theepflanze möglicherweise in den noch unerforschten Urwäldern der benachbarten indo-chinesischen Grenzgebiete sich findet.
Nach neueren Ansichten gehört nun aber der Theebaum vom Assamthale gleich den verschiedenen, in ihrer Entwickelung gehemmten Formen des in China und Japan cultivierten Strauches derselben Art an, die man als Camellia theïfera Griffth. oder Thea chinensis Sims. bezeichnet. Hiernach gelten als Varietäten mit mancherlei Ueber- gängen α Thea viridis L. β Thea Bohea L. γ Thea assamica Masters.
Die allgemeinen Charaktere (Siehe Taf. I) sind folgende: Strauch oder Baum bis 9 m Höhe, mit hartem, lichtem Holze und starker Ver- ästelung. Rinde glatt, hellaschfarben, an die der Buche erinnernd, bei jungen Zweigen bräunlich. Krone dicht. Blätter abwechselnd, kurzge- stielt, elliptisch bis länglich lanzettförmig, am Rande scharf gesägt, aus- dauernd, glänzend dunkelgrün, doch viel weniger dick und lederartig steif wie bei Camellia japonica, in der Jugend mit weissem Flaum oder seidenen Härchen bedeckt, die bei weiterer Entwickelung abfallen. Blüthen nach dem Linné’schen System der 13. Cl. 1. Ordn. angehörend, fast geruchlos, regelmässig, einzeln oder zu 2—3 aus den Blattwinkeln, kurzgestielt. Kelch 5—6-blätterig, Krone regelmässig radförmig mit 1—1½ cm Durchmesser, weiss bis rosafarbig mit 6 Blumenblättern, von denen die 2 äussersten etwas kleiner als die 4 andern sind. Staub- gefässe zahlreich, radförmig ausgebreitet, Griffel dreispaltig, Frucht- knoten mit drei Embryonen. Frucht eine runde, dreifächerige, drei- samige Kapsel, aussehend, wie aus drei theilweise in einander ge- schobenen Kugeln bestehend, seitlich aufspringend. Die von harter Schale eingeschlossenen ölreichen Samen sind kugelrund, von der Grösse der Kirschkerne und der Färbung der Haselnüsse (a). Blüthe- zeit und Fruchtreife fallen September bis December, so dass die Samen fast ein ganzes Jahr zur Entwickelung bedürfen und in den kälteren Theedistrikten Japans, Chinas und der Himalaya-Landschaften in der Regel Nachtfröste die späteren Blüthen zerstören.
Von den Abarten bildet Thea viridis L. einen grossen rasch wach- senden Strauch, der weniger empfindlich ist, als Th. Bohea L. Seine Blätter sind lanzettlich und erreichen oft 8—12 cm Länge bei ⅓ der
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3. Handelsgewächse.
Nach persönlichen Mittheilungen von Dr. Brandis war das Assam-
thal noch im vorigen Jahrhundert dicht bevölkert und vortrefflich
bebaut. Diese Cultur wurde jedoch durch die Einfälle der Birmaner
zum grossen Theil vernichtet. Die Wälder nun, welche seitdem über
alten Culturstätten herangewachsen sind, enthalten den Theebaum, und
so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass derselbe trotz mancher Eigen-
thümlichkeiten hier nur verwilderte und im wirklichen Naturzustande
die Theepflanze möglicherweise in den noch unerforschten Urwäldern
der benachbarten indo-chinesischen Grenzgebiete sich findet.
Nach neueren Ansichten gehört nun aber der Theebaum vom
Assamthale gleich den verschiedenen, in ihrer Entwickelung gehemmten
Formen des in China und Japan cultivierten Strauches derselben Art
an, die man als Camellia theïfera Griffth. oder Thea chinensis Sims.
bezeichnet. Hiernach gelten als Varietäten mit mancherlei Ueber-
gängen α Thea viridis L. β Thea Bohea L. γ Thea assamica Masters.
Die allgemeinen Charaktere (Siehe Taf. I) sind folgende: Strauch
oder Baum bis 9 m Höhe, mit hartem, lichtem Holze und starker Ver-
ästelung. Rinde glatt, hellaschfarben, an die der Buche erinnernd, bei
jungen Zweigen bräunlich. Krone dicht. Blätter abwechselnd, kurzge-
stielt, elliptisch bis länglich lanzettförmig, am Rande scharf gesägt, aus-
dauernd, glänzend dunkelgrün, doch viel weniger dick und lederartig
steif wie bei Camellia japonica, in der Jugend mit weissem Flaum oder
seidenen Härchen bedeckt, die bei weiterer Entwickelung abfallen.
Blüthen nach dem Linné’schen System der 13. Cl. 1. Ordn. angehörend,
fast geruchlos, regelmässig, einzeln oder zu 2—3 aus den Blattwinkeln,
kurzgestielt. Kelch 5—6-blätterig, Krone regelmässig radförmig mit
1—1½ cm Durchmesser, weiss bis rosafarbig mit 6 Blumenblättern,
von denen die 2 äussersten etwas kleiner als die 4 andern sind. Staub-
gefässe zahlreich, radförmig ausgebreitet, Griffel dreispaltig, Frucht-
knoten mit drei Embryonen. Frucht eine runde, dreifächerige, drei-
samige Kapsel, aussehend, wie aus drei theilweise in einander ge-
schobenen Kugeln bestehend, seitlich aufspringend. Die von harter
Schale eingeschlossenen ölreichen Samen sind kugelrund, von der
Grösse der Kirschkerne und der Färbung der Haselnüsse (a). Blüthe-
zeit und Fruchtreife fallen September bis December, so dass die Samen
fast ein ganzes Jahr zur Entwickelung bedürfen und in den kälteren
Theedistrikten Japans, Chinas und der Himalaya-Landschaften in der
Regel Nachtfröste die späteren Blüthen zerstören.
Von den Abarten bildet Thea viridis L. einen grossen rasch wach-
senden Strauch, der weniger empfindlich ist, als Th. Bohea L. Seine
Blätter sind lanzettlich und erreichen oft 8—12 cm Länge bei ⅓ der
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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