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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
Prof. Cohn*), "bei welchen die Tange eine Volksnahrung bilden".
Doch nicht blos diese, die Riesen der marinen Flora, werden von den
Chinesen und Japanern gefischt und in verschiedener Weise als Nah-
rung verwerthet, sondern in mindestens gleichem Umfang die zarteren
rothen und grünen Arten, mit deren Gebrauch sich auch die Malayen
befreundet haben. In Europa beschränkt sich der Genuss weniger
Arten, wie Alaria esculenta Grev., Sphaerococcus palmatus Kg., Por-
phyra laciniata, Gracilaria lichenoides A. und einiger andern auf die
arme Küstenbevölkerung des Nordens, insbesondere Irlands, Schott-
lands, Islands und Norwegens, während z. B. der Franzose, welcher
doch in Bezug auf marine thierische Nahrung keineswegs wählerisch
ist und mit seiner Kochkunst jede appetitlich zubereitet, die Algen
verschmäht.

Licht und Wärme, daher auch Tiefe, Lage und Gestalt der Buch-
ten, sowie Meeresströmungen, haben bekanntlich auf die marine Flora
den grössten Einfluss. Da aber das Meerwasser nicht so leicht und
oft seine Temperatur ändert, als die Luft, da es als Verbreitungsmittel
seiner Bewohner alle Erdtheile berührt und auch die von Algen sich
nährenden Fische und Schildkröten mit den Strömungen weite Areale
durchwandern und die Keime fernen Gestaden zutragen, so kann es
nicht fehlen, dass viele Algen eine weite Verbreitung haben und wir
in den Gewässern Japans manche Art wiederfinden, die auch aus an-
dern Oceanen bekannt ist. Die circumpolaren Riementange (Lamina-
rien) und Blasentange (Fucusarten) lieben kaltes Meerwasser und starke
Brandung, wie sie die Umgebung der Insel Yezo und der Kurilen bie-
tet, während zwei andere Gruppen der Melanospermen, die Cystosi-
reen (Blasenschnur-) und Sargassaceen (Beeren-Tange) sich südwärts
anschliessen. Namentlich ist die letztgenannte Familie in verschiede-
nen Gattungen (Sargassum, Spongocarpus, Halochloa, Myagropsis, Coc-
cophora) reich vertreten. Ich sah sie jedoch nirgends im Haushalte,
sondern nur als Dünger verwenden, ausgenommen Halochloa macrantha
Kg., jap. Hondawara, welche mit Essig und eingesalzen genossen
wird. Eine bedeutende Lichteinwirkung ist Hauptlebensbedingung für
die zarteren grünen Meeresalgen; dagegen stellen viele keine hohen
Ansprüche an den Salzgehalt des Wassers und finden sich noch an

3) G. von Martens: Die Preuss. Exped. nach Ost-Asien. Botan. Theil. Die Tange,
1866. 111 Arten, gesammelt von E. v. Martens.

4) Suringar: Algae Japonicae Musei Botanici Lugduno-Batavi. Harlem 1874. 34 Sp.
hauptsächlich von Siebold in Nagasaki gesammelt.
*) Im 58. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft pg. 152.

I. Land- und Forstwirthschaft.
Prof. Cohn*), »bei welchen die Tange eine Volksnahrung bilden«.
Doch nicht blos diese, die Riesen der marinen Flora, werden von den
Chinesen und Japanern gefischt und in verschiedener Weise als Nah-
rung verwerthet, sondern in mindestens gleichem Umfang die zarteren
rothen und grünen Arten, mit deren Gebrauch sich auch die Malayen
befreundet haben. In Europa beschränkt sich der Genuss weniger
Arten, wie Alaria esculenta Grev., Sphaerococcus palmatus Kg., Por-
phyra laciniata, Gracilaria lichenoides A. und einiger andern auf die
arme Küstenbevölkerung des Nordens, insbesondere Irlands, Schott-
lands, Islands und Norwegens, während z. B. der Franzose, welcher
doch in Bezug auf marine thierische Nahrung keineswegs wählerisch
ist und mit seiner Kochkunst jede appetitlich zubereitet, die Algen
verschmäht.

Licht und Wärme, daher auch Tiefe, Lage und Gestalt der Buch-
ten, sowie Meeresströmungen, haben bekanntlich auf die marine Flora
den grössten Einfluss. Da aber das Meerwasser nicht so leicht und
oft seine Temperatur ändert, als die Luft, da es als Verbreitungsmittel
seiner Bewohner alle Erdtheile berührt und auch die von Algen sich
nährenden Fische und Schildkröten mit den Strömungen weite Areale
durchwandern und die Keime fernen Gestaden zutragen, so kann es
nicht fehlen, dass viele Algen eine weite Verbreitung haben und wir
in den Gewässern Japans manche Art wiederfinden, die auch aus an-
dern Oceanen bekannt ist. Die circumpolaren Riementange (Lamina-
rien) und Blasentange (Fucusarten) lieben kaltes Meerwasser und starke
Brandung, wie sie die Umgebung der Insel Yezo und der Kurilen bie-
tet, während zwei andere Gruppen der Melanospermen, die Cystosi-
reen (Blasenschnur-) und Sargassaceen (Beeren-Tange) sich südwärts
anschliessen. Namentlich ist die letztgenannte Familie in verschiede-
nen Gattungen (Sargassum, Spongocarpus, Halochloa, Myagropsis, Coc-
cophora) reich vertreten. Ich sah sie jedoch nirgends im Haushalte,
sondern nur als Dünger verwenden, ausgenommen Halochloa macrantha
Kg., jap. Hondawara, welche mit Essig und eingesalzen genossen
wird. Eine bedeutende Lichteinwirkung ist Hauptlebensbedingung für
die zarteren grünen Meeresalgen; dagegen stellen viele keine hohen
Ansprüche an den Salzgehalt des Wassers und finden sich noch an

3) G. von Martens: Die Preuss. Exped. nach Ost-Asien. Botan. Theil. Die Tange,
1866. 111 Arten, gesammelt von E. v. Martens.

4) Suringar: Algae Japonicae Musei Botanici Lugduno-Batavi. Harlem 1874. 34 Sp.
hauptsächlich von Siebold in Nagasaki gesammelt.
*) Im 58. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft pg. 152.
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[94/0114] I. Land- und Forstwirthschaft. Prof. Cohn *), »bei welchen die Tange eine Volksnahrung bilden«. Doch nicht blos diese, die Riesen der marinen Flora, werden von den Chinesen und Japanern gefischt und in verschiedener Weise als Nah- rung verwerthet, sondern in mindestens gleichem Umfang die zarteren rothen und grünen Arten, mit deren Gebrauch sich auch die Malayen befreundet haben. In Europa beschränkt sich der Genuss weniger Arten, wie Alaria esculenta Grev., Sphaerococcus palmatus Kg., Por- phyra laciniata, Gracilaria lichenoides A. und einiger andern auf die arme Küstenbevölkerung des Nordens, insbesondere Irlands, Schott- lands, Islands und Norwegens, während z. B. der Franzose, welcher doch in Bezug auf marine thierische Nahrung keineswegs wählerisch ist und mit seiner Kochkunst jede appetitlich zubereitet, die Algen verschmäht. Licht und Wärme, daher auch Tiefe, Lage und Gestalt der Buch- ten, sowie Meeresströmungen, haben bekanntlich auf die marine Flora den grössten Einfluss. Da aber das Meerwasser nicht so leicht und oft seine Temperatur ändert, als die Luft, da es als Verbreitungsmittel seiner Bewohner alle Erdtheile berührt und auch die von Algen sich nährenden Fische und Schildkröten mit den Strömungen weite Areale durchwandern und die Keime fernen Gestaden zutragen, so kann es nicht fehlen, dass viele Algen eine weite Verbreitung haben und wir in den Gewässern Japans manche Art wiederfinden, die auch aus an- dern Oceanen bekannt ist. Die circumpolaren Riementange (Lamina- rien) und Blasentange (Fucusarten) lieben kaltes Meerwasser und starke Brandung, wie sie die Umgebung der Insel Yezo und der Kurilen bie- tet, während zwei andere Gruppen der Melanospermen, die Cystosi- reen (Blasenschnur-) und Sargassaceen (Beeren-Tange) sich südwärts anschliessen. Namentlich ist die letztgenannte Familie in verschiede- nen Gattungen (Sargassum, Spongocarpus, Halochloa, Myagropsis, Coc- cophora) reich vertreten. Ich sah sie jedoch nirgends im Haushalte, sondern nur als Dünger verwenden, ausgenommen Halochloa macrantha Kg., jap. Hondawara, welche mit Essig und eingesalzen genossen wird. Eine bedeutende Lichteinwirkung ist Hauptlebensbedingung für die zarteren grünen Meeresalgen; dagegen stellen viele keine hohen Ansprüche an den Salzgehalt des Wassers und finden sich noch an *) *) Im 58. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft pg. 152. *) 3) G. von Martens: Die Preuss. Exped. nach Ost-Asien. Botan. Theil. Die Tange, 1866. 111 Arten, gesammelt von E. v. Martens. 4) Suringar: Algae Japonicae Musei Botanici Lugduno-Batavi. Harlem 1874. 34 Sp. hauptsächlich von Siebold in Nagasaki gesammelt.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/114>, abgerufen am 29.03.2024.