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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
erkennt man die Stadt. Das japanische Wohnhaus ist durchweg auf
eine kleine Familie von 4--5 Personen berechnet und, den in der
Regel sehr bescheidenen Mitteln und Anforderungen seines Besitzers
entsprechend, klein und einfach, so dass es für eine in unseren Augen
sehr unbedeutende Summe von 150--1000 Mark hergestellt werden
kann und dabei natürlich ein gewöhnliches, armseliges Aussehen hat,
ohne jede Verzierung und gefällige Ausstattung. Das Hauptbau-
material liefern verschiedene Kiefern und Tannen, sowie für bessere
Häuser die Cryptomerien. Das japanische Haus ist ein niedriges
Gebäude von 1--2 Stockwerken aus leichtem Rahmwerk ohne Funda-
ment und mit schwerem Dach. Hölzerne Pfosten, auf unbehauenen
Steinen ruhend, stützen das letztere. Die Hauptträger desselben sind
starke Balken, welche sorgfältig an einander gefügt werden. Das
Dach liegt stumpfwinkelig auf, greift in der Regel weit über, ist bei
Wohnhäusern einfach und flach, bei Tempeln und alten Burgen gegen
den Rand meist wie bei chinesischen Pagoden nach oben geschweift,
in den Dörfern noch meist mit Stroh, in den Städten mit Schindeln
oder Ziegeln bedeckt. Es unterliegt keiner Frage, dass die Japaner
gerade in der Construction und Bedeckung ihrer Dächer viel Geschick
entwickeln und das dicke Ziegel- oder Strohdach eine Sorgfalt zuge-
wiesen bekommt, welche man sonst vielfach vermisst.

Parallel zu und hinter der in Abständen von einem Ken *) (etwa
2 Meter) errichteten Reihe von Pfosten, auf denen das Dach ruht,
läuft noch eine zweite Reihe. Der Abstand zwischen beiden von
3 shaku (1 Meter) ist für die Veranda bestimmt. Sobald auf diesen
Pfosten und den sie verbindenden Balken das schwere Dach ruht,
ist der daiku (Zimmermann) fertig und die feinere Arbeit des sashi-
mono-ya (Schreiners) beginnt. Das japanische Haus, ohne Funda-
ment, zwei bis drei Fuss über dem Boden auf den Ecksteinen ruhend,
schwebt also gewissermassen in der Luft, doch pflegt man ihm häufig
später eine Mauer unterzufügen oder die Zwischenräume zwischen den
Ecksteinen mit Bretterwerk zu bekleiden.

Die Grösse der Zimmer, ja der ganze Grundriss der Häuser
richtet sich in Japan nach den tatami **) oder Binsenmatten, mit denen
die gedielten Böden bedeckt werden. Dieselben stellen ohne Aus-
nahme Rechtecke von 6 shaku (gegen 2 Meter) Länge und 3 shaku
Breite dar, welche man auf der Rückseite 3--4 Centimeter dick mit

*) 1 Ken = 6 shaku; 1 Meter = 3,3 shaku oder Fuss.
**) Die zu diesem feinen Geflecht verwandte Binse, Ii oder Iigusa (Juncus
effusus Thbg.), wird ähnlich wie Reis auf sumpfigem Boden angebaut.
Rein, Japan I. 31

3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
erkennt man die Stadt. Das japanische Wohnhaus ist durchweg auf
eine kleine Familie von 4—5 Personen berechnet und, den in der
Regel sehr bescheidenen Mitteln und Anforderungen seines Besitzers
entsprechend, klein und einfach, so dass es für eine in unseren Augen
sehr unbedeutende Summe von 150—1000 Mark hergestellt werden
kann und dabei natürlich ein gewöhnliches, armseliges Aussehen hat,
ohne jede Verzierung und gefällige Ausstattung. Das Hauptbau-
material liefern verschiedene Kiefern und Tannen, sowie für bessere
Häuser die Cryptomerien. Das japanische Haus ist ein niedriges
Gebäude von 1—2 Stockwerken aus leichtem Rahmwerk ohne Funda-
ment und mit schwerem Dach. Hölzerne Pfosten, auf unbehauenen
Steinen ruhend, stützen das letztere. Die Hauptträger desselben sind
starke Balken, welche sorgfältig an einander gefügt werden. Das
Dach liegt stumpfwinkelig auf, greift in der Regel weit über, ist bei
Wohnhäusern einfach und flach, bei Tempeln und alten Burgen gegen
den Rand meist wie bei chinesischen Pagoden nach oben geschweift,
in den Dörfern noch meist mit Stroh, in den Städten mit Schindeln
oder Ziegeln bedeckt. Es unterliegt keiner Frage, dass die Japaner
gerade in der Construction und Bedeckung ihrer Dächer viel Geschick
entwickeln und das dicke Ziegel- oder Strohdach eine Sorgfalt zuge-
wiesen bekommt, welche man sonst vielfach vermisst.

Parallel zu und hinter der in Abständen von einem Ken *) (etwa
2 Meter) errichteten Reihe von Pfosten, auf denen das Dach ruht,
läuft noch eine zweite Reihe. Der Abstand zwischen beiden von
3 shaku (1 Meter) ist für die Veranda bestimmt. Sobald auf diesen
Pfosten und den sie verbindenden Balken das schwere Dach ruht,
ist der daiku (Zimmermann) fertig und die feinere Arbeit des sashi-
mono-ya (Schreiners) beginnt. Das japanische Haus, ohne Funda-
ment, zwei bis drei Fuss über dem Boden auf den Ecksteinen ruhend,
schwebt also gewissermassen in der Luft, doch pflegt man ihm häufig
später eine Mauer unterzufügen oder die Zwischenräume zwischen den
Ecksteinen mit Bretterwerk zu bekleiden.

Die Grösse der Zimmer, ja der ganze Grundriss der Häuser
richtet sich in Japan nach den tatami **) oder Binsenmatten, mit denen
die gedielten Böden bedeckt werden. Dieselben stellen ohne Aus-
nahme Rechtecke von 6 shaku (gegen 2 Meter) Länge und 3 shaku
Breite dar, welche man auf der Rückseite 3—4 Centimeter dick mit

*) 1 Ken = 6 shaku; 1 Meter = 3,3 shaku oder Fuss.
**) Die zu diesem feinen Geflecht verwandte Binse, Ii oder Iigusa (Juncus
effusus Thbg.), wird ähnlich wie Reis auf sumpfigem Boden angebaut.
Rein, Japan I. 31
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[481/0515] 3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc. erkennt man die Stadt. Das japanische Wohnhaus ist durchweg auf eine kleine Familie von 4—5 Personen berechnet und, den in der Regel sehr bescheidenen Mitteln und Anforderungen seines Besitzers entsprechend, klein und einfach, so dass es für eine in unseren Augen sehr unbedeutende Summe von 150—1000 Mark hergestellt werden kann und dabei natürlich ein gewöhnliches, armseliges Aussehen hat, ohne jede Verzierung und gefällige Ausstattung. Das Hauptbau- material liefern verschiedene Kiefern und Tannen, sowie für bessere Häuser die Cryptomerien. Das japanische Haus ist ein niedriges Gebäude von 1—2 Stockwerken aus leichtem Rahmwerk ohne Funda- ment und mit schwerem Dach. Hölzerne Pfosten, auf unbehauenen Steinen ruhend, stützen das letztere. Die Hauptträger desselben sind starke Balken, welche sorgfältig an einander gefügt werden. Das Dach liegt stumpfwinkelig auf, greift in der Regel weit über, ist bei Wohnhäusern einfach und flach, bei Tempeln und alten Burgen gegen den Rand meist wie bei chinesischen Pagoden nach oben geschweift, in den Dörfern noch meist mit Stroh, in den Städten mit Schindeln oder Ziegeln bedeckt. Es unterliegt keiner Frage, dass die Japaner gerade in der Construction und Bedeckung ihrer Dächer viel Geschick entwickeln und das dicke Ziegel- oder Strohdach eine Sorgfalt zuge- wiesen bekommt, welche man sonst vielfach vermisst. Parallel zu und hinter der in Abständen von einem Ken *) (etwa 2 Meter) errichteten Reihe von Pfosten, auf denen das Dach ruht, läuft noch eine zweite Reihe. Der Abstand zwischen beiden von 3 shaku (1 Meter) ist für die Veranda bestimmt. Sobald auf diesen Pfosten und den sie verbindenden Balken das schwere Dach ruht, ist der daiku (Zimmermann) fertig und die feinere Arbeit des sashi- mono-ya (Schreiners) beginnt. Das japanische Haus, ohne Funda- ment, zwei bis drei Fuss über dem Boden auf den Ecksteinen ruhend, schwebt also gewissermassen in der Luft, doch pflegt man ihm häufig später eine Mauer unterzufügen oder die Zwischenräume zwischen den Ecksteinen mit Bretterwerk zu bekleiden. Die Grösse der Zimmer, ja der ganze Grundriss der Häuser richtet sich in Japan nach den tatami **) oder Binsenmatten, mit denen die gedielten Böden bedeckt werden. Dieselben stellen ohne Aus- nahme Rechtecke von 6 shaku (gegen 2 Meter) Länge und 3 shaku Breite dar, welche man auf der Rückseite 3—4 Centimeter dick mit *) 1 Ken = 6 shaku; 1 Meter = 3,3 shaku oder Fuss. **) Die zu diesem feinen Geflecht verwandte Binse, Ii oder Iigusa (Juncus effusus Thbg.), wird ähnlich wie Reis auf sumpfigem Boden angebaut. Rein, Japan I. 31

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/515>, abgerufen am 22.11.2024.