schen Kunstfertigkeit, gehört diesem Typus an. In Wirklichkeit ist das weibliche Geschlecht hier schöner, als das Ideal einheimischer Künstler; eine blühende Gesichtsfarbe mit rothen Wangen und einem feingeschnittenen, gerötheten Munde herrschen bei den Mädchen vor, sie werden durch das wohlgepflegte rabenschwarze Haar noch ge- hoben. Sie sind früh entwickelt und früh verblüht, auch selten, wenn je, unserem Begriff von einer schönen Frauengestalt ganz ent- sprechend.
Zwischen diesen beiden, hier kurz charakterisierten Grundge- stalten, denen meist geringer und auf das Kinn beschränkter Bartwuchs gemein ist, bemerken wir nun eine Menge Abstufungen und Ueber- gänge, denen weitaus die Mehrheit der japanischen Bevölkerung an- gehört. In der That zeigt sich in der japanischen Gesellschaft eine überraschend grosse Verschiedenheit und Veränderlichkeit in den Ge- sichtszügen und der Hautfarbe. Letztere, obgleich im allgemeinen weit dunkler als bei den Kaukasiern, nähert sich in einzelnen Fällen sogar der hellen Farbe des Germanen. Nicht selten sind Ebenmaass und Regelmässigkeit des Gesichtes so gross und abweichend von der herrschenden mongolischen Grundgestalt, dass man einen wohlgebil- deten Europäer vor sich zu haben glaubt. Unter den Jünglingen der Samuraiklasse finden sich solche, die in ihrem Aussehen überraschend mädchenhaft erscheinen. Allein dies sind Ausnahmen, das japanische Volk ist nichtsdestoweniger im ganzen keineswegs ein schöner Men- schenschlag. Aber die Physiognomieen verrathen Intelligenz und sind meist beweglich und ausdrucksvoll.
Im Vergleiche zu den Europäern ist die japanische Rasse klein, der Mann im Mittel etwa 150 Centimeter hoch, also kleiner als ihre westlichen Nachbarn, die Koreaner und Chinesen. Wie in China, so bleibt auch in Japan die Durchschnittsgrösse der Frauen weit hinter derjenigen der Männer zurück; doch sieht man hier weder Riesen noch Zwerge, noch auch jene Fettleibigkeit, welche unter Chinesen und manchen anderen Völkern so häufig ist. Nur die Ringkämpfer (sumo-tori) machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme und zeichnen sich durch grosse Körperfülle aus. Eine sehr merkliche Verdrehung der Beine durch Einwärtskrümmung der Kniee beeinträchtigt sehr häufig den günstigen Eindruck der übrigen Gestalt und zeigt sich bei den Männern namentlich, wenn sie in eng anschliessendem euro- päischen Anzug erscheinen. Sie wird wahrscheinlich hervorgerufen durch die eigenthümliche Art, wie Kinder von Müttern, Wärterinnen oder älteren Schwestern auf dem Rücken getragen werden. Man bindet sie nämlich durch ein Tuch, das der Träger sich um Schultern
II. Ethnographie.
schen Kunstfertigkeit, gehört diesem Typus an. In Wirklichkeit ist das weibliche Geschlecht hier schöner, als das Ideal einheimischer Künstler; eine blühende Gesichtsfarbe mit rothen Wangen und einem feingeschnittenen, gerötheten Munde herrschen bei den Mädchen vor, sie werden durch das wohlgepflegte rabenschwarze Haar noch ge- hoben. Sie sind früh entwickelt und früh verblüht, auch selten, wenn je, unserem Begriff von einer schönen Frauengestalt ganz ent- sprechend.
Zwischen diesen beiden, hier kurz charakterisierten Grundge- stalten, denen meist geringer und auf das Kinn beschränkter Bartwuchs gemein ist, bemerken wir nun eine Menge Abstufungen und Ueber- gänge, denen weitaus die Mehrheit der japanischen Bevölkerung an- gehört. In der That zeigt sich in der japanischen Gesellschaft eine überraschend grosse Verschiedenheit und Veränderlichkeit in den Ge- sichtszügen und der Hautfarbe. Letztere, obgleich im allgemeinen weit dunkler als bei den Kaukasiern, nähert sich in einzelnen Fällen sogar der hellen Farbe des Germanen. Nicht selten sind Ebenmaass und Regelmässigkeit des Gesichtes so gross und abweichend von der herrschenden mongolischen Grundgestalt, dass man einen wohlgebil- deten Europäer vor sich zu haben glaubt. Unter den Jünglingen der Samuraiklasse finden sich solche, die in ihrem Aussehen überraschend mädchenhaft erscheinen. Allein dies sind Ausnahmen, das japanische Volk ist nichtsdestoweniger im ganzen keineswegs ein schöner Men- schenschlag. Aber die Physiognomieen verrathen Intelligenz und sind meist beweglich und ausdrucksvoll.
Im Vergleiche zu den Europäern ist die japanische Rasse klein, der Mann im Mittel etwa 150 Centimeter hoch, also kleiner als ihre westlichen Nachbarn, die Koreaner und Chinesen. Wie in China, so bleibt auch in Japan die Durchschnittsgrösse der Frauen weit hinter derjenigen der Männer zurück; doch sieht man hier weder Riesen noch Zwerge, noch auch jene Fettleibigkeit, welche unter Chinesen und manchen anderen Völkern so häufig ist. Nur die Ringkämpfer (sumo-tôri) machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme und zeichnen sich durch grosse Körperfülle aus. Eine sehr merkliche Verdrehung der Beine durch Einwärtskrümmung der Kniee beeinträchtigt sehr häufig den günstigen Eindruck der übrigen Gestalt und zeigt sich bei den Männern namentlich, wenn sie in eng anschliessendem euro- päischen Anzug erscheinen. Sie wird wahrscheinlich hervorgerufen durch die eigenthümliche Art, wie Kinder von Müttern, Wärterinnen oder älteren Schwestern auf dem Rücken getragen werden. Man bindet sie nämlich durch ein Tuch, das der Träger sich um Schultern
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II. Ethnographie.
schen Kunstfertigkeit, gehört diesem Typus an. In Wirklichkeit ist
das weibliche Geschlecht hier schöner, als das Ideal einheimischer
Künstler; eine blühende Gesichtsfarbe mit rothen Wangen und einem
feingeschnittenen, gerötheten Munde herrschen bei den Mädchen vor,
sie werden durch das wohlgepflegte rabenschwarze Haar noch ge-
hoben. Sie sind früh entwickelt und früh verblüht, auch selten,
wenn je, unserem Begriff von einer schönen Frauengestalt ganz ent-
sprechend.
Zwischen diesen beiden, hier kurz charakterisierten Grundge-
stalten, denen meist geringer und auf das Kinn beschränkter Bartwuchs
gemein ist, bemerken wir nun eine Menge Abstufungen und Ueber-
gänge, denen weitaus die Mehrheit der japanischen Bevölkerung an-
gehört. In der That zeigt sich in der japanischen Gesellschaft eine
überraschend grosse Verschiedenheit und Veränderlichkeit in den Ge-
sichtszügen und der Hautfarbe. Letztere, obgleich im allgemeinen
weit dunkler als bei den Kaukasiern, nähert sich in einzelnen Fällen
sogar der hellen Farbe des Germanen. Nicht selten sind Ebenmaass
und Regelmässigkeit des Gesichtes so gross und abweichend von der
herrschenden mongolischen Grundgestalt, dass man einen wohlgebil-
deten Europäer vor sich zu haben glaubt. Unter den Jünglingen der
Samuraiklasse finden sich solche, die in ihrem Aussehen überraschend
mädchenhaft erscheinen. Allein dies sind Ausnahmen, das japanische
Volk ist nichtsdestoweniger im ganzen keineswegs ein schöner Men-
schenschlag. Aber die Physiognomieen verrathen Intelligenz und sind
meist beweglich und ausdrucksvoll.
Im Vergleiche zu den Europäern ist die japanische Rasse klein,
der Mann im Mittel etwa 150 Centimeter hoch, also kleiner als ihre
westlichen Nachbarn, die Koreaner und Chinesen. Wie in China, so
bleibt auch in Japan die Durchschnittsgrösse der Frauen weit hinter
derjenigen der Männer zurück; doch sieht man hier weder Riesen
noch Zwerge, noch auch jene Fettleibigkeit, welche unter Chinesen
und manchen anderen Völkern so häufig ist. Nur die Ringkämpfer
(sumo-tôri) machen in letzterer Beziehung eine Ausnahme und zeichnen
sich durch grosse Körperfülle aus. Eine sehr merkliche Verdrehung
der Beine durch Einwärtskrümmung der Kniee beeinträchtigt sehr
häufig den günstigen Eindruck der übrigen Gestalt und zeigt sich
bei den Männern namentlich, wenn sie in eng anschliessendem euro-
päischen Anzug erscheinen. Sie wird wahrscheinlich hervorgerufen
durch die eigenthümliche Art, wie Kinder von Müttern, Wärterinnen
oder älteren Schwestern auf dem Rücken getragen werden. Man
bindet sie nämlich durch ein Tuch, das der Träger sich um Schultern
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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