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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
die Adoption von Jyemochi, dem Sohne des Fürsten von Kishiu.
Derselbe war nur 12 Jahre alt, als er Shogun wurde, so dass nun die
Regierung ganz in den Händen des Daimio von Hikone lag, des
Bakko Genro (prahlerischen ersten Ministers), wie man ihn nannte.
Als ihm jene Verwandten des Shogun hierüber, sowie über die Ver-
träge Vorwürfe machen wollten, verbot ihnen Ii Kamon das Betreten
des Schlosses. Erzürnt über sein Benehmen, verliessen dieselben nun-
mehr Yedo und klagten den Tairo beim Mikado des Landesverrathes
an; dasselbe geschah Seitens verschiedener anderen Daimio. Als
dann der Hof (des Mikado) Ii Kamon, sowie die Fürsten von Owari,
Mito und Echizen aufforderte, nach Kioto zu kommen, um ihre Zwistig-
keiten zu begleichen, entschuldigte sich der Tairo, dass er durch
mancherlei Dienstpflichten verhindert sei, und blieb in Yedo, wo er
jedoch Zeit fand für sein Vergnügen und, um die Kosten desselben
zu bestreiten, sogar 10000 rio aus dem Staatsschatze borgte.

Bald darauf erhielt der alte Fürst von Mito geheime Instructionen
von Kioto folgenden Inhaltes: "Der Bakufu hat, indem er Verträge
abschloss, ohne die Ansicht des Hofes abzuwarten, und Prinzen be-
schimpfte, welche so nahe Blutsverwandte des Shogun sind, der
öffentlichen Meinung grosse Missachtung bewiesen. Die Ruhe des
Mikado ist durch das Schauspiel solcher Missregierung zur Zeit, wo
der heftige Barbar vor unseren Thoren steht, gestört worden. Unter-
stütze deshalb den Bakufu mit deinem Rathe; vertreibet die Bar-
baren, beruhigt die Gefühle des Volkes und stellet den Frieden in
Sr. Majestät Busen wieder her."

Ii Kamon hatte ausser seinen officiellen Berichterstattern in Kioto
noch einen Spion, der ihn über alle Vorgänge daselbst auf das genaueste
unterrichtete, ihm auch das vorerwähnte Schreiben mittheilte, sowie
die Namen aller Derer, welche bei Hofe gegen ihn wirkten. Er
sandte nun einen seiner Minister hin, der sich mit dem Gouverneur
besprach, worauf 30 seiner Gegner gefangen genommen und unter
militärischer Bedeckung nach Yedo gesandt wurden, wo ihre Zahl
durch 27 weitere Verdächtige vermehrt wurde. Die Hauptführer
hatten das Harakiri vorzunehmen oder wurden geköpft; die andern
blieben in strengem Verwahr. Im nämlichen Jahre (1859) erhielten
eine Anzahl Daimio Hausarrest, obenan der Ex-Daimio zu Mito.
Die Daimio von Owari, Echizen, Tosa und Uwajuna aber mussten
ihre Lehen an ihre Söhne abtreten und sich zurückziehen. Mit diesen
Gewaltacten des Tairo wuchs der Hass und die Erregung gegen ihn
und die Fremden. Sie erfasste nicht das Volk, welches denselben
nach wie vor freundlich und zuvorkommend entgegenkam, wohl aber

7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
die Adoption von Jyemochi, dem Sohne des Fürsten von Kishiu.
Derselbe war nur 12 Jahre alt, als er Shôgun wurde, so dass nun die
Regierung ganz in den Händen des Daimio von Hikone lag, des
Bakkô Genrô (prahlerischen ersten Ministers), wie man ihn nannte.
Als ihm jene Verwandten des Shôgun hierüber, sowie über die Ver-
träge Vorwürfe machen wollten, verbot ihnen Ii Kamon das Betreten
des Schlosses. Erzürnt über sein Benehmen, verliessen dieselben nun-
mehr Yedo und klagten den Tairô beim Mikado des Landesverrathes
an; dasselbe geschah Seitens verschiedener anderen Daimio. Als
dann der Hof (des Mikado) Ii Kamon, sowie die Fürsten von Owari,
Mito und Echizen aufforderte, nach Kiôto zu kommen, um ihre Zwistig-
keiten zu begleichen, entschuldigte sich der Tairô, dass er durch
mancherlei Dienstpflichten verhindert sei, und blieb in Yedo, wo er
jedoch Zeit fand für sein Vergnügen und, um die Kosten desselben
zu bestreiten, sogar 10000 riô aus dem Staatsschatze borgte.

Bald darauf erhielt der alte Fürst von Mito geheime Instructionen
von Kiôto folgenden Inhaltes: »Der Bakufu hat, indem er Verträge
abschloss, ohne die Ansicht des Hofes abzuwarten, und Prinzen be-
schimpfte, welche so nahe Blutsverwandte des Shôgun sind, der
öffentlichen Meinung grosse Missachtung bewiesen. Die Ruhe des
Mikado ist durch das Schauspiel solcher Missregierung zur Zeit, wo
der heftige Barbar vor unseren Thoren steht, gestört worden. Unter-
stütze deshalb den Bakufu mit deinem Rathe; vertreibet die Bar-
baren, beruhigt die Gefühle des Volkes und stellet den Frieden in
Sr. Majestät Busen wieder her.«

Ii Kamon hatte ausser seinen officiellen Berichterstattern in Kiôto
noch einen Spion, der ihn über alle Vorgänge daselbst auf das genaueste
unterrichtete, ihm auch das vorerwähnte Schreiben mittheilte, sowie
die Namen aller Derer, welche bei Hofe gegen ihn wirkten. Er
sandte nun einen seiner Minister hin, der sich mit dem Gouverneur
besprach, worauf 30 seiner Gegner gefangen genommen und unter
militärischer Bedeckung nach Yedo gesandt wurden, wo ihre Zahl
durch 27 weitere Verdächtige vermehrt wurde. Die Hauptführer
hatten das Harakiri vorzunehmen oder wurden geköpft; die andern
blieben in strengem Verwahr. Im nämlichen Jahre (1859) erhielten
eine Anzahl Daimio Hausarrest, obenan der Ex-Daimio zu Mito.
Die Daimio von Owari, Echizen, Tosa und Uwajuna aber mussten
ihre Lehen an ihre Söhne abtreten und sich zurückziehen. Mit diesen
Gewaltacten des Tairô wuchs der Hass und die Erregung gegen ihn
und die Fremden. Sie erfasste nicht das Volk, welches denselben
nach wie vor freundlich und zuvorkommend entgegenkam, wohl aber

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[399/0427] 7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854. die Adoption von Jyemochi, dem Sohne des Fürsten von Kishiu. Derselbe war nur 12 Jahre alt, als er Shôgun wurde, so dass nun die Regierung ganz in den Händen des Daimio von Hikone lag, des Bakkô Genrô (prahlerischen ersten Ministers), wie man ihn nannte. Als ihm jene Verwandten des Shôgun hierüber, sowie über die Ver- träge Vorwürfe machen wollten, verbot ihnen Ii Kamon das Betreten des Schlosses. Erzürnt über sein Benehmen, verliessen dieselben nun- mehr Yedo und klagten den Tairô beim Mikado des Landesverrathes an; dasselbe geschah Seitens verschiedener anderen Daimio. Als dann der Hof (des Mikado) Ii Kamon, sowie die Fürsten von Owari, Mito und Echizen aufforderte, nach Kiôto zu kommen, um ihre Zwistig- keiten zu begleichen, entschuldigte sich der Tairô, dass er durch mancherlei Dienstpflichten verhindert sei, und blieb in Yedo, wo er jedoch Zeit fand für sein Vergnügen und, um die Kosten desselben zu bestreiten, sogar 10000 riô aus dem Staatsschatze borgte. Bald darauf erhielt der alte Fürst von Mito geheime Instructionen von Kiôto folgenden Inhaltes: »Der Bakufu hat, indem er Verträge abschloss, ohne die Ansicht des Hofes abzuwarten, und Prinzen be- schimpfte, welche so nahe Blutsverwandte des Shôgun sind, der öffentlichen Meinung grosse Missachtung bewiesen. Die Ruhe des Mikado ist durch das Schauspiel solcher Missregierung zur Zeit, wo der heftige Barbar vor unseren Thoren steht, gestört worden. Unter- stütze deshalb den Bakufu mit deinem Rathe; vertreibet die Bar- baren, beruhigt die Gefühle des Volkes und stellet den Frieden in Sr. Majestät Busen wieder her.« Ii Kamon hatte ausser seinen officiellen Berichterstattern in Kiôto noch einen Spion, der ihn über alle Vorgänge daselbst auf das genaueste unterrichtete, ihm auch das vorerwähnte Schreiben mittheilte, sowie die Namen aller Derer, welche bei Hofe gegen ihn wirkten. Er sandte nun einen seiner Minister hin, der sich mit dem Gouverneur besprach, worauf 30 seiner Gegner gefangen genommen und unter militärischer Bedeckung nach Yedo gesandt wurden, wo ihre Zahl durch 27 weitere Verdächtige vermehrt wurde. Die Hauptführer hatten das Harakiri vorzunehmen oder wurden geköpft; die andern blieben in strengem Verwahr. Im nämlichen Jahre (1859) erhielten eine Anzahl Daimio Hausarrest, obenan der Ex-Daimio zu Mito. Die Daimio von Owari, Echizen, Tosa und Uwajuna aber mussten ihre Lehen an ihre Söhne abtreten und sich zurückziehen. Mit diesen Gewaltacten des Tairô wuchs der Hass und die Erregung gegen ihn und die Fremden. Sie erfasste nicht das Volk, welches denselben nach wie vor freundlich und zuvorkommend entgegenkam, wohl aber

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/427>, abgerufen am 22.11.2024.