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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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6. Periode. Das Shogunat der Tokugawa etc.

Wenn auch Kaempfer die Naturwissenschaften und insbesondere
die Botanik nicht unbeachtet liess, so liegt doch sein Hauptverdienst
in seinen historischen und culturhistorischen Leistungen. Es gibt
keine grössere Anerkennung für seine Hauptwerke, die "Amaenitates
exoticae" und "Historia imperii japonici germanice scripta", als dass
dieselben jetzt, nach bald 200 Jahren und nachdem über Japan seit
seiner Eröffnung für die Fremden so viel geschrieben worden ist,
jeder mit japanischen Verhältnissen Vertraute dieselben noch gern
liest und von der Zuverlässigkeit des Autors überzeugt ist *).

Als erster Naturforscher von Belang, der uns die herrliche japa-
nische Flora erschloss und dessen Name mit Dutzenden unserer schön-
sten Zierpflanzen aus derselben aufs innigste verknüpft ist, der auch
in seinem vierbändigen Reisewerke sich als feinen, kenntnissreichen
Beobachter und Darsteller zeigt, ist C. P. Thunberg zu nennen.
Er war 1763 zu Jönköping geboren, studierte in Upsala Medicin
und Naturkunde und nahm nach seiner Rückkehr von der neunjährigen
Reise nach Europa, Afrika und Asien als Botaniker den Stuhl seines
Lehrers Linne ein.

Die Leistungen unseres Würzburger Landsmannes v. Siebold
endlich, der mehr als unermüdlicher und höchst erfolgreicher Samm-
ler, denn als selbständiger, tiefer Forscher auftrat, sind so bekannt,
dass ich kaum nöthig habe, sie besonders hervorzuheben. Selten hat
ein einzelner Mann vermocht, das Wissenswerthe über ein fremdes
Land aus den verschiedensten Gebieten so zu sammeln und zur
Kenntniss Europas zu bringen, wie er in seinem Archiv über Nippon
und der Flora und Fauna japonica. Siebold verstand es, eine Menge
Japaner zu instruieren, anzuregen und sich dienstbar zu machen, wie
er denn auch für seine reichen Sammlungen auf vielen Gebieten her-
vorragende holländische und deutsche Gelehrte fand, die ihm halfen,
denselben ein wissenschaftliches Kleid anzulegen. Endlich muss auch
noch die Munificenz der holländischen Compagnie sowie der Regie-
rung rühmend hervorgehoben werden, welche v. Siebold und seine
Mitarbeiter in der Herausgabe ihrer kostspieligen Foliobände über
Japan aufs wirksamste unterstützten.

Fast 150 Jahre hindurch war beinahe die ganze geistige Anregung,
welche Japan durch die Holländer erhielt, beschränkt auf das, was

*) Kaempfer's "German laboriousness and perseverance enabled him to
bequeath to posterity a result of his twentysix month's residence in this empire,
the value of which as a whole, as a historical and scientific record, it would
be difficult to exaggerate". R. G. Watson. Transactions of the Asiatic Society
of Japan 1874, pag. 2.
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.

Wenn auch Kaempfer die Naturwissenschaften und insbesondere
die Botanik nicht unbeachtet liess, so liegt doch sein Hauptverdienst
in seinen historischen und culturhistorischen Leistungen. Es gibt
keine grössere Anerkennung für seine Hauptwerke, die »Amaenitates
exoticae« und »Historia imperii japonici germanice scripta«, als dass
dieselben jetzt, nach bald 200 Jahren und nachdem über Japan seit
seiner Eröffnung für die Fremden so viel geschrieben worden ist,
jeder mit japanischen Verhältnissen Vertraute dieselben noch gern
liest und von der Zuverlässigkeit des Autors überzeugt ist *).

Als erster Naturforscher von Belang, der uns die herrliche japa-
nische Flora erschloss und dessen Name mit Dutzenden unserer schön-
sten Zierpflanzen aus derselben aufs innigste verknüpft ist, der auch
in seinem vierbändigen Reisewerke sich als feinen, kenntnissreichen
Beobachter und Darsteller zeigt, ist C. P. Thunberg zu nennen.
Er war 1763 zu Jönköping geboren, studierte in Upsala Medicin
und Naturkunde und nahm nach seiner Rückkehr von der neunjährigen
Reise nach Europa, Afrika und Asien als Botaniker den Stuhl seines
Lehrers Linné ein.

Die Leistungen unseres Würzburger Landsmannes v. Siebold
endlich, der mehr als unermüdlicher und höchst erfolgreicher Samm-
ler, denn als selbständiger, tiefer Forscher auftrat, sind so bekannt,
dass ich kaum nöthig habe, sie besonders hervorzuheben. Selten hat
ein einzelner Mann vermocht, das Wissenswerthe über ein fremdes
Land aus den verschiedensten Gebieten so zu sammeln und zur
Kenntniss Europas zu bringen, wie er in seinem Archiv über Nippon
und der Flora und Fauna japonica. Siebold verstand es, eine Menge
Japaner zu instruieren, anzuregen und sich dienstbar zu machen, wie
er denn auch für seine reichen Sammlungen auf vielen Gebieten her-
vorragende holländische und deutsche Gelehrte fand, die ihm halfen,
denselben ein wissenschaftliches Kleid anzulegen. Endlich muss auch
noch die Munificenz der holländischen Compagnie sowie der Regie-
rung rühmend hervorgehoben werden, welche v. Siebold und seine
Mitarbeiter in der Herausgabe ihrer kostspieligen Foliobände über
Japan aufs wirksamste unterstützten.

Fast 150 Jahre hindurch war beinahe die ganze geistige Anregung,
welche Japan durch die Holländer erhielt, beschränkt auf das, was

*) Kaempfer’s »German laboriousness and perseverance enabled him to
bequeath to posterity a result of his twentysix month’s residence in this empire,
the value of which as a whole, as a historical and scientific record, it would
be difficult to exaggerate«. R. G. Watson. Transactions of the Asiatic Society
of Japan 1874, pag. 2.
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[391/0419] 6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc. Wenn auch Kaempfer die Naturwissenschaften und insbesondere die Botanik nicht unbeachtet liess, so liegt doch sein Hauptverdienst in seinen historischen und culturhistorischen Leistungen. Es gibt keine grössere Anerkennung für seine Hauptwerke, die »Amaenitates exoticae« und »Historia imperii japonici germanice scripta«, als dass dieselben jetzt, nach bald 200 Jahren und nachdem über Japan seit seiner Eröffnung für die Fremden so viel geschrieben worden ist, jeder mit japanischen Verhältnissen Vertraute dieselben noch gern liest und von der Zuverlässigkeit des Autors überzeugt ist *). Als erster Naturforscher von Belang, der uns die herrliche japa- nische Flora erschloss und dessen Name mit Dutzenden unserer schön- sten Zierpflanzen aus derselben aufs innigste verknüpft ist, der auch in seinem vierbändigen Reisewerke sich als feinen, kenntnissreichen Beobachter und Darsteller zeigt, ist C. P. Thunberg zu nennen. Er war 1763 zu Jönköping geboren, studierte in Upsala Medicin und Naturkunde und nahm nach seiner Rückkehr von der neunjährigen Reise nach Europa, Afrika und Asien als Botaniker den Stuhl seines Lehrers Linné ein. Die Leistungen unseres Würzburger Landsmannes v. Siebold endlich, der mehr als unermüdlicher und höchst erfolgreicher Samm- ler, denn als selbständiger, tiefer Forscher auftrat, sind so bekannt, dass ich kaum nöthig habe, sie besonders hervorzuheben. Selten hat ein einzelner Mann vermocht, das Wissenswerthe über ein fremdes Land aus den verschiedensten Gebieten so zu sammeln und zur Kenntniss Europas zu bringen, wie er in seinem Archiv über Nippon und der Flora und Fauna japonica. Siebold verstand es, eine Menge Japaner zu instruieren, anzuregen und sich dienstbar zu machen, wie er denn auch für seine reichen Sammlungen auf vielen Gebieten her- vorragende holländische und deutsche Gelehrte fand, die ihm halfen, denselben ein wissenschaftliches Kleid anzulegen. Endlich muss auch noch die Munificenz der holländischen Compagnie sowie der Regie- rung rühmend hervorgehoben werden, welche v. Siebold und seine Mitarbeiter in der Herausgabe ihrer kostspieligen Foliobände über Japan aufs wirksamste unterstützten. Fast 150 Jahre hindurch war beinahe die ganze geistige Anregung, welche Japan durch die Holländer erhielt, beschränkt auf das, was *) Kaempfer’s »German laboriousness and perseverance enabled him to bequeath to posterity a result of his twentysix month’s residence in this empire, the value of which as a whole, as a historical and scientific record, it would be difficult to exaggerate«. R. G. Watson. Transactions of the Asiatic Society of Japan 1874, pag. 2.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/419>, abgerufen am 22.11.2024.