und Ausrottung der Christen zu leiten; sie hatten eidlich zu ver- sichern, dass sie unparteiisch und dem Shogun ergeben ihres Amtes warten wollten. Auch wurden Preise ausgeworfen für die Entdeckung und Anzeige fremder Priester oder einheimischer Christen und solche später noch wesentlich erhöht. Man sprach von den Christen als Jashau oder Jashau mon (sprich Tschaschu mong), der corrupten, bösen Secte, und lehrte Jedermann, Kinder und Erwachsene, das Christenthum als das leibhaftige Böse scheuen. Verordnungen gegen die Jashau mon wurden in der Mitte der Ortschaften, an den Kreuz- wegen der Landstrassen und auf den Gebirgspässen angeschlagen. Sie waren noch bis zur Zeit des Zusammenbruches der Tokugawa- herrschaft im Jahre 1868 vielfach zu lesen, sind aber seitdem längst verschwunden.
Dass unter solchen Umständen das Licht des Evangeliums nicht ganz erlosch, sondern stellenweise Jahrhunderte hindurch weiter glomm, ja dass in geringer Entfernung nordwärts von Nagasaki eine ganze grosse Gemeinde (Urakami) ihren christlichen Glauben bewahren und durch viele Generationen bis auf unsere Zeit fortpflanzen konnte, muss uns erstaunen, wie denn auch die japanische Behörde bei Ent- deckung dieser Thatsache im Jahre 1868 nicht wenig überrascht war.
Nachdem wir in einem früheren Capitel Gelegenheit genommen haben, die Umstände hervorzuheben, welche der Ausbreitung des Christenthums in Japan so förderlich waren, wollen wir nun am Schlusse unserer Darstellung der Verfolgung und Ausrottung desselben uns nochmals nach den Gründen fragen, welche ein Volk, das sonst immer grosse religiöse Duldsamkeit gezeigt hatte, zu solcher Ge- hässigkeit und grausamen Verfolgung der Christen treiben konnten. Da müssen wir denn in erster Linie bekennen, dass die Intoleranz, welche die Jesuiten gelehrt hatten, einen grossen Theil dieser Schuld trägt und sich nun an ihnen selbst und ihrem Werk so bitter rächte. Wir lassen uns in diesem Urtheil nicht durch Berichte der holländi- schen Zeitgenossen und der Japaner bestimmen, sondern schöpfen es aus den Berichten der Missionäre selbst. Sie lebten in der Zeit und in dem Geiste der Inquisition, wo man Manches zur grösseren Ehre Gottes unternahm, was der christlichen Lehre widerstreitet. Die Un- duldsamkeit der christlichen Fürsten gegen ihre heidnischen Unter- thanen, die Vertreibung derselben und die Zerstörung ihrer Tempel sind Handlungen, welche die Jesuiten als Zeichen des religiösen Eifers priesen, die aber geeignet waren, der christlichen Sache manchen Todfeind zu schaffen, namentlich unter den heidnischen Priestern. Auch die Anfeindung der christlichen Orden unter einander, namentlich
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
und Ausrottung der Christen zu leiten; sie hatten eidlich zu ver- sichern, dass sie unparteiisch und dem Shôgun ergeben ihres Amtes warten wollten. Auch wurden Preise ausgeworfen für die Entdeckung und Anzeige fremder Priester oder einheimischer Christen und solche später noch wesentlich erhöht. Man sprach von den Christen als Jashû oder Jashû mon (sprich Tschàschu mong), der corrupten, bösen Secte, und lehrte Jedermann, Kinder und Erwachsene, das Christenthum als das leibhaftige Böse scheuen. Verordnungen gegen die Jashû mon wurden in der Mitte der Ortschaften, an den Kreuz- wegen der Landstrassen und auf den Gebirgspässen angeschlagen. Sie waren noch bis zur Zeit des Zusammenbruches der Tokugawa- herrschaft im Jahre 1868 vielfach zu lesen, sind aber seitdem längst verschwunden.
Dass unter solchen Umständen das Licht des Evangeliums nicht ganz erlosch, sondern stellenweise Jahrhunderte hindurch weiter glomm, ja dass in geringer Entfernung nordwärts von Nagasaki eine ganze grosse Gemeinde (Urakami) ihren christlichen Glauben bewahren und durch viele Generationen bis auf unsere Zeit fortpflanzen konnte, muss uns erstaunen, wie denn auch die japanische Behörde bei Ent- deckung dieser Thatsache im Jahre 1868 nicht wenig überrascht war.
Nachdem wir in einem früheren Capitel Gelegenheit genommen haben, die Umstände hervorzuheben, welche der Ausbreitung des Christenthums in Japan so förderlich waren, wollen wir nun am Schlusse unserer Darstellung der Verfolgung und Ausrottung desselben uns nochmals nach den Gründen fragen, welche ein Volk, das sonst immer grosse religiöse Duldsamkeit gezeigt hatte, zu solcher Ge- hässigkeit und grausamen Verfolgung der Christen treiben konnten. Da müssen wir denn in erster Linie bekennen, dass die Intoleranz, welche die Jesuiten gelehrt hatten, einen grossen Theil dieser Schuld trägt und sich nun an ihnen selbst und ihrem Werk so bitter rächte. Wir lassen uns in diesem Urtheil nicht durch Berichte der holländi- schen Zeitgenossen und der Japaner bestimmen, sondern schöpfen es aus den Berichten der Missionäre selbst. Sie lebten in der Zeit und in dem Geiste der Inquisition, wo man Manches zur grösseren Ehre Gottes unternahm, was der christlichen Lehre widerstreitet. Die Un- duldsamkeit der christlichen Fürsten gegen ihre heidnischen Unter- thanen, die Vertreibung derselben und die Zerstörung ihrer Tempel sind Handlungen, welche die Jesuiten als Zeichen des religiösen Eifers priesen, die aber geeignet waren, der christlichen Sache manchen Todfeind zu schaffen, namentlich unter den heidnischen Priestern. Auch die Anfeindung der christlichen Orden unter einander, namentlich
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6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
und Ausrottung der Christen zu leiten; sie hatten eidlich zu ver-
sichern, dass sie unparteiisch und dem Shôgun ergeben ihres Amtes
warten wollten. Auch wurden Preise ausgeworfen für die Entdeckung
und Anzeige fremder Priester oder einheimischer Christen und solche
später noch wesentlich erhöht. Man sprach von den Christen als
Jashû oder Jashû mon (sprich Tschàschu mong), der corrupten,
bösen Secte, und lehrte Jedermann, Kinder und Erwachsene, das
Christenthum als das leibhaftige Böse scheuen. Verordnungen gegen
die Jashû mon wurden in der Mitte der Ortschaften, an den Kreuz-
wegen der Landstrassen und auf den Gebirgspässen angeschlagen.
Sie waren noch bis zur Zeit des Zusammenbruches der Tokugawa-
herrschaft im Jahre 1868 vielfach zu lesen, sind aber seitdem längst
verschwunden.
Dass unter solchen Umständen das Licht des Evangeliums nicht
ganz erlosch, sondern stellenweise Jahrhunderte hindurch weiter
glomm, ja dass in geringer Entfernung nordwärts von Nagasaki eine
ganze grosse Gemeinde (Urakami) ihren christlichen Glauben bewahren
und durch viele Generationen bis auf unsere Zeit fortpflanzen konnte,
muss uns erstaunen, wie denn auch die japanische Behörde bei Ent-
deckung dieser Thatsache im Jahre 1868 nicht wenig überrascht war.
Nachdem wir in einem früheren Capitel Gelegenheit genommen
haben, die Umstände hervorzuheben, welche der Ausbreitung des
Christenthums in Japan so förderlich waren, wollen wir nun am
Schlusse unserer Darstellung der Verfolgung und Ausrottung desselben
uns nochmals nach den Gründen fragen, welche ein Volk, das sonst
immer grosse religiöse Duldsamkeit gezeigt hatte, zu solcher Ge-
hässigkeit und grausamen Verfolgung der Christen treiben konnten.
Da müssen wir denn in erster Linie bekennen, dass die Intoleranz,
welche die Jesuiten gelehrt hatten, einen grossen Theil dieser Schuld
trägt und sich nun an ihnen selbst und ihrem Werk so bitter rächte.
Wir lassen uns in diesem Urtheil nicht durch Berichte der holländi-
schen Zeitgenossen und der Japaner bestimmen, sondern schöpfen es
aus den Berichten der Missionäre selbst. Sie lebten in der Zeit und
in dem Geiste der Inquisition, wo man Manches zur grösseren Ehre
Gottes unternahm, was der christlichen Lehre widerstreitet. Die Un-
duldsamkeit der christlichen Fürsten gegen ihre heidnischen Unter-
thanen, die Vertreibung derselben und die Zerstörung ihrer Tempel
sind Handlungen, welche die Jesuiten als Zeichen des religiösen Eifers
priesen, die aber geeignet waren, der christlichen Sache manchen
Todfeind zu schaffen, namentlich unter den heidnischen Priestern.
Auch die Anfeindung der christlichen Orden unter einander, namentlich
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/383>, abgerufen am 25.11.2024.
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