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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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6. Periode. Das Shogunat der Tokugawa etc.
Handel auf Hirado und Nagasaki und verbot 1621 den Japanern, das
Land zu verlassen. Endlich wurden 1624 durch Iyemitsu alle Frem-
den, mit Ausnahme der Holländer und Chinesen, des Landes ver-
wiesen und ein weiteres Edict erlassen, welches die Zerstörung aller
grösseren Schiffe und die Beschränkung des Schiffsbaues auf eine
gewisse bescheidene Grösse der Fahrzeuge befahl, um zu verhüten,
dass Japaner hinfort das offene Meer aufsuchten und mit fremden
Nationen in Berührung kämen. Neue Verfolgungen der einheimi-
schen Christen, noch schrecklicher als zuvor, schlossen sich an.
Tausende flohen nach China, Formosa und den Philippinen, während
wiederum Tausende am Kreuze starben, enthauptet, ertränkt oder
lebendig verbrannt wurden. Alle Torturen, welche Barbarei und Hass
nur ersinnen konnten, kamen in Anwendung. Es wird uns warm
ums Herz und erfüllt uns mit höchster Bewunderung, wenn wir die
verschiedenen Berichte über die Freudigkeit und Standhaftigkeit lesen,
mit denen diese unglücklichen Opfer ihres Glaubens starben. Passend
schliesst Griffis seine Schilderung dieser Erscheinung mit den Worten:
"Wenn irgend Jemand die Aufrichtigkeit und Tiefe der christlichen
Convertiten heutiges Tages bezweifelt, oder die Fähigkeit der Japaner,
eine höhere Form des Glaubens anzunehmen, oder ihre Bereitwillig-
keit, zu leiden für das, was sie glauben, so braucht er nur die Be-
richte zu lesen, welche in englischer, holländischer, französischer,
lateinischer und japanischer Sprache von verschiedenen Zeugen der
Standhaftigkeit der japanischen Christen erhalten sind. Die Annalen
der ersten Kirche liefern keine Beispiele von Opfern und heroischer
Standhaftigkeit im Colosseum oder den römischen Arenas, die nicht
in den trockenen Flussbetten und auf den Richtplätzen Japans ihre
Parallele gefunden hätten".

"Die Beschreibung der Qualen, welchen die Christen unterworfen
wurden, liest sich wie ein Capitel aus Dante's Hölle", sagte Gubbins
in einem sehr interessanten Vortrage, den derselbe vor mehreren
Jahren in Tokio hielt. Während die Einen auf die verschiedenste
Weise gemartert wurden, hatten die Anderen zuzusehen. Man be-
gnügte sich nicht mit den gewöhnlichen Todesarten des Erhängens,
Kreuzigens, Ertränkens, Köpfens, sondern stürzte die Opfer von steilen
Anhöhen hinunter, begrub sie lebend, liess sie durch Ochsen zerreissen,
band sie in aus Stroh geflochtene Reissäcke, die man auf einander
häufte und mit dem Scheiterhaufen anzündete, oder man übergab sie
in Käfigen dem Hungertode, mit Speisen vor ihren Augen.

Nachdem diese Greuel ohne nennenswerthen Widerstand der
Christen zwei Jahrzehnte hindurch, wenn auch mit ungleicher Heftig-

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6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
Handel auf Hirado und Nagasaki und verbot 1621 den Japanern, das
Land zu verlassen. Endlich wurden 1624 durch Iyemitsu alle Frem-
den, mit Ausnahme der Holländer und Chinesen, des Landes ver-
wiesen und ein weiteres Edict erlassen, welches die Zerstörung aller
grösseren Schiffe und die Beschränkung des Schiffsbaues auf eine
gewisse bescheidene Grösse der Fahrzeuge befahl, um zu verhüten,
dass Japaner hinfort das offene Meer aufsuchten und mit fremden
Nationen in Berührung kämen. Neue Verfolgungen der einheimi-
schen Christen, noch schrecklicher als zuvor, schlossen sich an.
Tausende flohen nach China, Formosa und den Philippinen, während
wiederum Tausende am Kreuze starben, enthauptet, ertränkt oder
lebendig verbrannt wurden. Alle Torturen, welche Barbarei und Hass
nur ersinnen konnten, kamen in Anwendung. Es wird uns warm
ums Herz und erfüllt uns mit höchster Bewunderung, wenn wir die
verschiedenen Berichte über die Freudigkeit und Standhaftigkeit lesen,
mit denen diese unglücklichen Opfer ihres Glaubens starben. Passend
schliesst Griffis seine Schilderung dieser Erscheinung mit den Worten:
»Wenn irgend Jemand die Aufrichtigkeit und Tiefe der christlichen
Convertiten heutiges Tages bezweifelt, oder die Fähigkeit der Japaner,
eine höhere Form des Glaubens anzunehmen, oder ihre Bereitwillig-
keit, zu leiden für das, was sie glauben, so braucht er nur die Be-
richte zu lesen, welche in englischer, holländischer, französischer,
lateinischer und japanischer Sprache von verschiedenen Zeugen der
Standhaftigkeit der japanischen Christen erhalten sind. Die Annalen
der ersten Kirche liefern keine Beispiele von Opfern und heroischer
Standhaftigkeit im Colosseum oder den römischen Arenas, die nicht
in den trockenen Flussbetten und auf den Richtplätzen Japans ihre
Parallele gefunden hätten«.

»Die Beschreibung der Qualen, welchen die Christen unterworfen
wurden, liest sich wie ein Capitel aus Dante’s Hölle«, sagte Gubbins
in einem sehr interessanten Vortrage, den derselbe vor mehreren
Jahren in Tôkio hielt. Während die Einen auf die verschiedenste
Weise gemartert wurden, hatten die Anderen zuzusehen. Man be-
gnügte sich nicht mit den gewöhnlichen Todesarten des Erhängens,
Kreuzigens, Ertränkens, Köpfens, sondern stürzte die Opfer von steilen
Anhöhen hinunter, begrub sie lebend, liess sie durch Ochsen zerreissen,
band sie in aus Stroh geflochtene Reissäcke, die man auf einander
häufte und mit dem Scheiterhaufen anzündete, oder man übergab sie
in Käfigen dem Hungertode, mit Speisen vor ihren Augen.

Nachdem diese Greuel ohne nennenswerthen Widerstand der
Christen zwei Jahrzehnte hindurch, wenn auch mit ungleicher Heftig-

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[355/0381] 6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc. Handel auf Hirado und Nagasaki und verbot 1621 den Japanern, das Land zu verlassen. Endlich wurden 1624 durch Iyemitsu alle Frem- den, mit Ausnahme der Holländer und Chinesen, des Landes ver- wiesen und ein weiteres Edict erlassen, welches die Zerstörung aller grösseren Schiffe und die Beschränkung des Schiffsbaues auf eine gewisse bescheidene Grösse der Fahrzeuge befahl, um zu verhüten, dass Japaner hinfort das offene Meer aufsuchten und mit fremden Nationen in Berührung kämen. Neue Verfolgungen der einheimi- schen Christen, noch schrecklicher als zuvor, schlossen sich an. Tausende flohen nach China, Formosa und den Philippinen, während wiederum Tausende am Kreuze starben, enthauptet, ertränkt oder lebendig verbrannt wurden. Alle Torturen, welche Barbarei und Hass nur ersinnen konnten, kamen in Anwendung. Es wird uns warm ums Herz und erfüllt uns mit höchster Bewunderung, wenn wir die verschiedenen Berichte über die Freudigkeit und Standhaftigkeit lesen, mit denen diese unglücklichen Opfer ihres Glaubens starben. Passend schliesst Griffis seine Schilderung dieser Erscheinung mit den Worten: »Wenn irgend Jemand die Aufrichtigkeit und Tiefe der christlichen Convertiten heutiges Tages bezweifelt, oder die Fähigkeit der Japaner, eine höhere Form des Glaubens anzunehmen, oder ihre Bereitwillig- keit, zu leiden für das, was sie glauben, so braucht er nur die Be- richte zu lesen, welche in englischer, holländischer, französischer, lateinischer und japanischer Sprache von verschiedenen Zeugen der Standhaftigkeit der japanischen Christen erhalten sind. Die Annalen der ersten Kirche liefern keine Beispiele von Opfern und heroischer Standhaftigkeit im Colosseum oder den römischen Arenas, die nicht in den trockenen Flussbetten und auf den Richtplätzen Japans ihre Parallele gefunden hätten«. »Die Beschreibung der Qualen, welchen die Christen unterworfen wurden, liest sich wie ein Capitel aus Dante’s Hölle«, sagte Gubbins in einem sehr interessanten Vortrage, den derselbe vor mehreren Jahren in Tôkio hielt. Während die Einen auf die verschiedenste Weise gemartert wurden, hatten die Anderen zuzusehen. Man be- gnügte sich nicht mit den gewöhnlichen Todesarten des Erhängens, Kreuzigens, Ertränkens, Köpfens, sondern stürzte die Opfer von steilen Anhöhen hinunter, begrub sie lebend, liess sie durch Ochsen zerreissen, band sie in aus Stroh geflochtene Reissäcke, die man auf einander häufte und mit dem Scheiterhaufen anzündete, oder man übergab sie in Käfigen dem Hungertode, mit Speisen vor ihren Augen. Nachdem diese Greuel ohne nennenswerthen Widerstand der Christen zwei Jahrzehnte hindurch, wenn auch mit ungleicher Heftig- 23*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/381>, abgerufen am 28.09.2024.