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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
des Heidenthums mit allen denkbaren Mitteln. Die meisten seiner
Unterthanen blieben ihrem Glauben treu und erduldeten alle Art von
Entbehrung, Verfolgung und Tortur aufs standhafteste. Dass hier
der gemeine, in knechtischer Unterwürfigkeit lebende Mann sich nicht
willig in allen Dingen seinem Herrn fügte, war eine neue Erscheinung,
welche diese Christenverfolgungen zu Tage brachten und die bei Hofe
viel zu denken gab. Tausende wurden nach den Bergwerken der Insel
Sado verbannt. Ihre Glaubenstreue und persönliche Tüchtigkeit be-
stimmten den Gouverneur derselben, Namens Okubo Nagayasu, zur
Annahme des Evangeliums *). Griffis erwähnt, dass derselbe bald
darauf das Haupt einer christlichen Verschwörung geworden sei, welche
beabsichtigte, die Insel Sado selbständig und Okubo zum Herrn der-
selben zu machen. Man habe die Unterschriften der Verschworenen,
besiegelt mit ihrem Blute, auf einem Document gefunden und andere
sichere Anzeichen von dem Vorhaben erhalten. Ob dies begründet
oder die ganze Geschichte nicht ein boshaftes untergeschobenes Werk
der Feinde des Christenthums und insbesondere der Apostaten war,
die sich damals überall mit Anklagen regten, konnte ich nicht er-
mitteln. Schon im Jahre 1606 hatte Iyeyasu das Verbot des Taiko-
sama gegen das Christenthum erneuert, sich aber jahrelang mit einer
äusseren Befolgung desselben begnügt, bis mancherlei Einflüsse zu-
sammenwirkten, um ihn zu strengeren Massregeln zu bestimmen.
Diese Einflüsse kamen theils von den Feinden des Christenthums
überhaupt, theils von den Holländern und Engländern und endlich
durch die Unklugheit und das herausfordernde Benehmen der christ-
lichen Missionare selbst. Seitdem im Jahre 1608 der Papst auch
anderen religiösen Orden ausser den Jesuiten das Missionswerk in
Japan gestattet hatte, kamen wieder spanische Mönche von Manila
und erregten den Zorn des Iyeyasu, indem sie sich um sein Verbot,
das Christenthum zu verkünden, nicht kümmerten und die christlichen
Bewohner, wie es heisst, zum Ungehorsam reizten. Selbst die Glie-
der der Gesellschaft Jesu vergassen, als die Nachricht von der Beati-
fication ihres Gründers Loyola nach Japan kam, ihre gewohnte Klug-
heit und Vorsicht und veranstalteten in Nagasaki mit viel Gepränge
eine öffentliche Procession, an welcher allein vierzig Väter des Ordens
sich betheiligten und der eine Illumination folgte.

*) Die Insel Sado mit ihren reichen Gold- und Silberminen hatte früher
dem Hause Mori, dann Uyesugi gehört. Nach der Schlacht bei Sekigahara wurde
sie letzterem entrissen und Okubo's Verwaltung übergeben, unter der ihre Er-
träge sich ansehnlich steigerten.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
des Heidenthums mit allen denkbaren Mitteln. Die meisten seiner
Unterthanen blieben ihrem Glauben treu und erduldeten alle Art von
Entbehrung, Verfolgung und Tortur aufs standhafteste. Dass hier
der gemeine, in knechtischer Unterwürfigkeit lebende Mann sich nicht
willig in allen Dingen seinem Herrn fügte, war eine neue Erscheinung,
welche diese Christenverfolgungen zu Tage brachten und die bei Hofe
viel zu denken gab. Tausende wurden nach den Bergwerken der Insel
Sado verbannt. Ihre Glaubenstreue und persönliche Tüchtigkeit be-
stimmten den Gouverneur derselben, Namens Ôkubo Nagayasu, zur
Annahme des Evangeliums *). Griffis erwähnt, dass derselbe bald
darauf das Haupt einer christlichen Verschwörung geworden sei, welche
beabsichtigte, die Insel Sado selbständig und Ôkubo zum Herrn der-
selben zu machen. Man habe die Unterschriften der Verschworenen,
besiegelt mit ihrem Blute, auf einem Document gefunden und andere
sichere Anzeichen von dem Vorhaben erhalten. Ob dies begründet
oder die ganze Geschichte nicht ein boshaftes untergeschobenes Werk
der Feinde des Christenthums und insbesondere der Apostaten war,
die sich damals überall mit Anklagen regten, konnte ich nicht er-
mitteln. Schon im Jahre 1606 hatte Iyeyasu das Verbot des Taikô-
sama gegen das Christenthum erneuert, sich aber jahrelang mit einer
äusseren Befolgung desselben begnügt, bis mancherlei Einflüsse zu-
sammenwirkten, um ihn zu strengeren Massregeln zu bestimmen.
Diese Einflüsse kamen theils von den Feinden des Christenthums
überhaupt, theils von den Holländern und Engländern und endlich
durch die Unklugheit und das herausfordernde Benehmen der christ-
lichen Missionare selbst. Seitdem im Jahre 1608 der Papst auch
anderen religiösen Orden ausser den Jesuiten das Missionswerk in
Japan gestattet hatte, kamen wieder spanische Mönche von Manila
und erregten den Zorn des Iyeyasu, indem sie sich um sein Verbot,
das Christenthum zu verkünden, nicht kümmerten und die christlichen
Bewohner, wie es heisst, zum Ungehorsam reizten. Selbst die Glie-
der der Gesellschaft Jesu vergassen, als die Nachricht von der Beati-
fication ihres Gründers Loyola nach Japan kam, ihre gewohnte Klug-
heit und Vorsicht und veranstalteten in Nagasaki mit viel Gepränge
eine öffentliche Procession, an welcher allein vierzig Väter des Ordens
sich betheiligten und der eine Illumination folgte.

*) Die Insel Sado mit ihren reichen Gold- und Silberminen hatte früher
dem Hause Môri, dann Uyesugi gehört. Nach der Schlacht bei Sekigahara wurde
sie letzterem entrissen und Ôkubo’s Verwaltung übergeben, unter der ihre Er-
träge sich ansehnlich steigerten.
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[352/0378] I. Geschichte des japanischen Volkes. des Heidenthums mit allen denkbaren Mitteln. Die meisten seiner Unterthanen blieben ihrem Glauben treu und erduldeten alle Art von Entbehrung, Verfolgung und Tortur aufs standhafteste. Dass hier der gemeine, in knechtischer Unterwürfigkeit lebende Mann sich nicht willig in allen Dingen seinem Herrn fügte, war eine neue Erscheinung, welche diese Christenverfolgungen zu Tage brachten und die bei Hofe viel zu denken gab. Tausende wurden nach den Bergwerken der Insel Sado verbannt. Ihre Glaubenstreue und persönliche Tüchtigkeit be- stimmten den Gouverneur derselben, Namens Ôkubo Nagayasu, zur Annahme des Evangeliums *). Griffis erwähnt, dass derselbe bald darauf das Haupt einer christlichen Verschwörung geworden sei, welche beabsichtigte, die Insel Sado selbständig und Ôkubo zum Herrn der- selben zu machen. Man habe die Unterschriften der Verschworenen, besiegelt mit ihrem Blute, auf einem Document gefunden und andere sichere Anzeichen von dem Vorhaben erhalten. Ob dies begründet oder die ganze Geschichte nicht ein boshaftes untergeschobenes Werk der Feinde des Christenthums und insbesondere der Apostaten war, die sich damals überall mit Anklagen regten, konnte ich nicht er- mitteln. Schon im Jahre 1606 hatte Iyeyasu das Verbot des Taikô- sama gegen das Christenthum erneuert, sich aber jahrelang mit einer äusseren Befolgung desselben begnügt, bis mancherlei Einflüsse zu- sammenwirkten, um ihn zu strengeren Massregeln zu bestimmen. Diese Einflüsse kamen theils von den Feinden des Christenthums überhaupt, theils von den Holländern und Engländern und endlich durch die Unklugheit und das herausfordernde Benehmen der christ- lichen Missionare selbst. Seitdem im Jahre 1608 der Papst auch anderen religiösen Orden ausser den Jesuiten das Missionswerk in Japan gestattet hatte, kamen wieder spanische Mönche von Manila und erregten den Zorn des Iyeyasu, indem sie sich um sein Verbot, das Christenthum zu verkünden, nicht kümmerten und die christlichen Bewohner, wie es heisst, zum Ungehorsam reizten. Selbst die Glie- der der Gesellschaft Jesu vergassen, als die Nachricht von der Beati- fication ihres Gründers Loyola nach Japan kam, ihre gewohnte Klug- heit und Vorsicht und veranstalteten in Nagasaki mit viel Gepränge eine öffentliche Procession, an welcher allein vierzig Väter des Ordens sich betheiligten und der eine Illumination folgte. *) Die Insel Sado mit ihren reichen Gold- und Silberminen hatte früher dem Hause Môri, dann Uyesugi gehört. Nach der Schlacht bei Sekigahara wurde sie letzterem entrissen und Ôkubo’s Verwaltung übergeben, unter der ihre Er- träge sich ansehnlich steigerten.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/378>, abgerufen am 28.09.2024.