Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

6. Periode. Das Shogunat der Tokugawa etc.
des ersten Ranges, Licht des Ostens, grosse Incarnation Buddhas" *).
Unter dem abgekürzten Titel Gongen-sama lebte Iyeyasu im Munde
des Volkes fort, das nicht versäumte, dem neuen Gott in den ihm
geweihten Tempeln an seinen Festtagen gleich den übrigen Gottheiten
seine Reverenz zu machen.

Tokugawa Iyeyasu stammte von Minamoto Yoshiiye (Hachiman
Taro) und zwar dem Nitta-Zweige. Den Familiennamen leitet man
von einem Orte und Flusse in Shimotsuke ab, wo seine Vorfahren
lange wohnten. Tokugawa Shiro, der Vater des Iyeyasu, lebte als
bescheidener Landmann im Dorfe Matsudaira der Provinz Mikawa **).
Hier wurde Iyeyasu im Jahre (1542) der Entdeckung Japans durch
Pinto geboren. Unter Nobunaga verdiente er sich seine ersten Sporen
und erwarb das erste grössere Besitzthum in seiner Heimathprovinz;
deshalb heisst er lange bei seinen Gegnern der Mikawa-Häuptling.
Nachdem ihm das Kuwanto zugefallen war, musste er Mikawa an
Hideyoshi abtreten.

Iyeyasu gilt allgemein für die bedeutendste Persönlichkeit, welche
die Geschichte Japans aufzuweisen hat. Er war eine gewinnende
Erscheinung, ein Mann von hervorragender Menschenkenntniss und
bedeutenden sonstigen Geistesgaben, die er nicht blos als erfolgreicher
Heerführer an den Tag legte, sondern auch als Regent und Gesetz-
geber. Besonders rühmt man seine grosse Wahrheitsliebe und hebt
hervor, dass er nie sein Wort brach, so dass er in dieser Beziehung
unbedingtes Vertrauen genoss. Auch soll er von Natur friedliebend
und milde gewesen sein und jedes Leben bedauert haben, das er
durch die Macht der Verhältnisse zu kürzen gezwungen wurde. In
dieser Beziehung steht er allen seinen Vorgängern gegenüber erhaben
da. Er bewilligte, wie wir bereits sahen, nach der Schlacht bei
Sekigahara allen Gegnern, mit Ausnahme einiger wenigen, Amnestie,
sobald sie darum nachsuchten, ja zeigte sich sogar nachsichtig in
einigen Fällen, wo dies nicht geschah, indem er, wenn für seine
Stellung nichts zu fürchten war, die Aussöhnung der Betreffenden mit
den neuen Verhältnissen der Zeit überliess.

*) Von dem langen chinesischen Titel ist nämlich sho = Hoheit, ichi = eins,
erste, i = Rang, to = ost, sho = Licht, dai = gross, gongen = ein buddhisti-
scher Titel für einen Heiligen oder Buddha.
**) Nachdem Iyeyasu das Shogunat erlangt hatte, wurde der Name seines
Geburtsortes Matsudaira ein Ehrentitel, den er vielen Daimios verlieh, die ihn
ihren sonstigen Titeln vorsetzten, z. B. Kuroda Matsudaira Mino no Kami, wie
sich Kuroda, der Daimio von Chikuzen, nannte, oder Nabeshima Matsudaira
Hizen no Kami, wie der Titel des Fürsten von Saga lautete.

6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
des ersten Ranges, Licht des Ostens, grosse Incarnation Buddhas« *).
Unter dem abgekürzten Titel Gongen-sama lebte Iyeyasu im Munde
des Volkes fort, das nicht versäumte, dem neuen Gott in den ihm
geweihten Tempeln an seinen Festtagen gleich den übrigen Gottheiten
seine Reverenz zu machen.

Tokugawa Iyeyasu stammte von Minamoto Yoshiiye (Hachiman
Tarô) und zwar dem Nitta-Zweige. Den Familiennamen leitet man
von einem Orte und Flusse in Shimotsuke ab, wo seine Vorfahren
lange wohnten. Tokugawa Shiro, der Vater des Iyeyasu, lebte als
bescheidener Landmann im Dorfe Matsudaira der Provinz Mikawa **).
Hier wurde Iyeyasu im Jahre (1542) der Entdeckung Japans durch
Pinto geboren. Unter Nobunaga verdiente er sich seine ersten Sporen
und erwarb das erste grössere Besitzthum in seiner Heimathprovinz;
deshalb heisst er lange bei seinen Gegnern der Mikawa-Häuptling.
Nachdem ihm das Kuwantô zugefallen war, musste er Mikawa an
Hideyoshi abtreten.

Iyeyasu gilt allgemein für die bedeutendste Persönlichkeit, welche
die Geschichte Japans aufzuweisen hat. Er war eine gewinnende
Erscheinung, ein Mann von hervorragender Menschenkenntniss und
bedeutenden sonstigen Geistesgaben, die er nicht blos als erfolgreicher
Heerführer an den Tag legte, sondern auch als Regent und Gesetz-
geber. Besonders rühmt man seine grosse Wahrheitsliebe und hebt
hervor, dass er nie sein Wort brach, so dass er in dieser Beziehung
unbedingtes Vertrauen genoss. Auch soll er von Natur friedliebend
und milde gewesen sein und jedes Leben bedauert haben, das er
durch die Macht der Verhältnisse zu kürzen gezwungen wurde. In
dieser Beziehung steht er allen seinen Vorgängern gegenüber erhaben
da. Er bewilligte, wie wir bereits sahen, nach der Schlacht bei
Sekigahara allen Gegnern, mit Ausnahme einiger wenigen, Amnestie,
sobald sie darum nachsuchten, ja zeigte sich sogar nachsichtig in
einigen Fällen, wo dies nicht geschah, indem er, wenn für seine
Stellung nichts zu fürchten war, die Aussöhnung der Betreffenden mit
den neuen Verhältnissen der Zeit überliess.

*) Von dem langen chinesischen Titel ist nämlich shô = Hoheit, ichi = eins,
erste, i = Rang, tô = ost, shô = Licht, dai = gross, gongen = ein buddhisti-
scher Titel für einen Heiligen oder Buddha.
**) Nachdem Iyeyasu das Shôgunat erlangt hatte, wurde der Name seines
Geburtsortes Matsudaira ein Ehrentitel, den er vielen Daimios verlieh, die ihn
ihren sonstigen Titeln vorsetzten, z. B. Kuroda Matsudaira Mino no Kami, wie
sich Kuroda, der Daimio von Chikuzen, nannte, oder Nabeshima Matsudaira
Hizen no Kami, wie der Titel des Fürsten von Saga lautete.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0375" n="349"/><fw place="top" type="header">6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.</fw><lb/>
des ersten Ranges, Licht des Ostens, grosse Incarnation Buddhas« <note place="foot" n="*)">Von dem langen chinesischen Titel ist nämlich shô = Hoheit, ichi = eins,<lb/>
erste, i = Rang, tô = ost, shô = Licht, dai = gross, gongen = ein buddhisti-<lb/>
scher Titel für einen Heiligen oder Buddha.</note>.<lb/>
Unter dem abgekürzten Titel <hi rendition="#g">Gongen-sama</hi> lebte Iyeyasu im Munde<lb/>
des Volkes fort, das nicht versäumte, dem neuen Gott in den ihm<lb/>
geweihten Tempeln an seinen Festtagen gleich den übrigen Gottheiten<lb/>
seine Reverenz zu machen.</p><lb/>
              <p>Tokugawa Iyeyasu stammte von Minamoto Yoshiiye (Hachiman<lb/>
Tarô) und zwar dem Nitta-Zweige. Den Familiennamen leitet man<lb/>
von einem Orte und Flusse in Shimotsuke ab, wo seine Vorfahren<lb/>
lange wohnten. Tokugawa Shiro, der Vater des Iyeyasu, lebte als<lb/>
bescheidener Landmann im Dorfe Matsudaira der Provinz Mikawa <note place="foot" n="**)">Nachdem Iyeyasu das Shôgunat erlangt hatte, wurde der Name seines<lb/>
Geburtsortes Matsudaira ein Ehrentitel, den er vielen Daimios verlieh, die ihn<lb/>
ihren sonstigen Titeln vorsetzten, z. B. Kuroda Matsudaira Mino no Kami, wie<lb/>
sich Kuroda, der Daimio von Chikuzen, nannte, oder Nabeshima Matsudaira<lb/>
Hizen no Kami, wie der Titel des Fürsten von Saga lautete.</note>.<lb/>
Hier wurde Iyeyasu im Jahre (1542) der Entdeckung Japans durch<lb/>
Pinto geboren. Unter Nobunaga verdiente er sich seine ersten Sporen<lb/>
und erwarb das erste grössere Besitzthum in seiner Heimathprovinz;<lb/>
deshalb heisst er lange bei seinen Gegnern der Mikawa-Häuptling.<lb/>
Nachdem ihm das Kuwantô zugefallen war, musste er Mikawa an<lb/>
Hideyoshi abtreten.</p><lb/>
              <p>Iyeyasu gilt allgemein für die bedeutendste Persönlichkeit, welche<lb/>
die Geschichte Japans aufzuweisen hat. Er war eine gewinnende<lb/>
Erscheinung, ein Mann von hervorragender Menschenkenntniss und<lb/>
bedeutenden sonstigen Geistesgaben, die er nicht blos als erfolgreicher<lb/>
Heerführer an den Tag legte, sondern auch als Regent und Gesetz-<lb/>
geber. Besonders rühmt man seine grosse Wahrheitsliebe und hebt<lb/>
hervor, dass er nie sein Wort brach, so dass er in dieser Beziehung<lb/>
unbedingtes Vertrauen genoss. Auch soll er von Natur friedliebend<lb/>
und milde gewesen sein und jedes Leben bedauert haben, das er<lb/>
durch die Macht der Verhältnisse zu kürzen gezwungen wurde. In<lb/>
dieser Beziehung steht er allen seinen Vorgängern gegenüber erhaben<lb/>
da. Er bewilligte, wie wir bereits sahen, nach der Schlacht bei<lb/>
Sekigahara allen Gegnern, mit Ausnahme einiger wenigen, Amnestie,<lb/>
sobald sie darum nachsuchten, ja zeigte sich sogar nachsichtig in<lb/>
einigen Fällen, wo dies nicht geschah, indem er, wenn für seine<lb/>
Stellung nichts zu fürchten war, die Aussöhnung der Betreffenden mit<lb/>
den neuen Verhältnissen der Zeit überliess.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0375] 6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc. des ersten Ranges, Licht des Ostens, grosse Incarnation Buddhas« *). Unter dem abgekürzten Titel Gongen-sama lebte Iyeyasu im Munde des Volkes fort, das nicht versäumte, dem neuen Gott in den ihm geweihten Tempeln an seinen Festtagen gleich den übrigen Gottheiten seine Reverenz zu machen. Tokugawa Iyeyasu stammte von Minamoto Yoshiiye (Hachiman Tarô) und zwar dem Nitta-Zweige. Den Familiennamen leitet man von einem Orte und Flusse in Shimotsuke ab, wo seine Vorfahren lange wohnten. Tokugawa Shiro, der Vater des Iyeyasu, lebte als bescheidener Landmann im Dorfe Matsudaira der Provinz Mikawa **). Hier wurde Iyeyasu im Jahre (1542) der Entdeckung Japans durch Pinto geboren. Unter Nobunaga verdiente er sich seine ersten Sporen und erwarb das erste grössere Besitzthum in seiner Heimathprovinz; deshalb heisst er lange bei seinen Gegnern der Mikawa-Häuptling. Nachdem ihm das Kuwantô zugefallen war, musste er Mikawa an Hideyoshi abtreten. Iyeyasu gilt allgemein für die bedeutendste Persönlichkeit, welche die Geschichte Japans aufzuweisen hat. Er war eine gewinnende Erscheinung, ein Mann von hervorragender Menschenkenntniss und bedeutenden sonstigen Geistesgaben, die er nicht blos als erfolgreicher Heerführer an den Tag legte, sondern auch als Regent und Gesetz- geber. Besonders rühmt man seine grosse Wahrheitsliebe und hebt hervor, dass er nie sein Wort brach, so dass er in dieser Beziehung unbedingtes Vertrauen genoss. Auch soll er von Natur friedliebend und milde gewesen sein und jedes Leben bedauert haben, das er durch die Macht der Verhältnisse zu kürzen gezwungen wurde. In dieser Beziehung steht er allen seinen Vorgängern gegenüber erhaben da. Er bewilligte, wie wir bereits sahen, nach der Schlacht bei Sekigahara allen Gegnern, mit Ausnahme einiger wenigen, Amnestie, sobald sie darum nachsuchten, ja zeigte sich sogar nachsichtig in einigen Fällen, wo dies nicht geschah, indem er, wenn für seine Stellung nichts zu fürchten war, die Aussöhnung der Betreffenden mit den neuen Verhältnissen der Zeit überliess. *) Von dem langen chinesischen Titel ist nämlich shô = Hoheit, ichi = eins, erste, i = Rang, tô = ost, shô = Licht, dai = gross, gongen = ein buddhisti- scher Titel für einen Heiligen oder Buddha. **) Nachdem Iyeyasu das Shôgunat erlangt hatte, wurde der Name seines Geburtsortes Matsudaira ein Ehrentitel, den er vielen Daimios verlieh, die ihn ihren sonstigen Titeln vorsetzten, z. B. Kuroda Matsudaira Mino no Kami, wie sich Kuroda, der Daimio von Chikuzen, nannte, oder Nabeshima Matsudaira Hizen no Kami, wie der Titel des Fürsten von Saga lautete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/375
Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/375>, abgerufen am 20.05.2024.