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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
stimmten dieser entschiedenen Erklärung bei. Nun wurde der Ope-
rationsplan entworfen. Man würdigte Masanori der Ehre, den Vortrab
führen zu dürfen, vertraute Yuki Hideyasu, dem ältesten Sohne
des Iyeyasu, die Sorge um die Hauptstadt und das Kuwanto und
theilte die Armee in zwei Heere, deren eines Iyeyasu selbst den
Tokaido entlang führen sollte, während sein zweiter Sohn Hidetada
mit dem andern die Nakasendo-Route einzuschlagen hatte.

Mitsunari hatte die Schlossstadt Ogaki in Mino erreicht, rasch
in Vertheidigungsstand versetzt und viele kleinere Barone von Ise
und Owari zu sich herangezogen. Das Heer der Liga, welches unter
ihm stand, wird auf 180000 Mann geschätzt. Durch Versprechungen
war es ihm weiter gelungen, Ota Hidenobu, den Enkel des Nobu-
naga, einen verschwenderischen, vergnügungssüchtigen Menschen, für
die Liga zu gewinnen, und hatte ihm die Vertheidigung des Schlosses
zu Gifu anvertraut, eines sehr wichtigen Punktes, insofern als er
zur Vertheidigung eines Vorstosses auf dem Nakasendo sowohl als
dem Tokaido diente.

Die Barone längs des Tokaido schlossen sich Iyeyasu an, der
ohne Hinderniss bald Owari erreichte und zu Kiyosu, 7 ri von
Ogaki, ein Lager bezog. Sein Heer (75000 Mann) war viel schwächer
an Zahl, aber es folgte voll Vertrauen einem Willen und war damit der
Armee der Liga gegenüber in grossem Vortheile, wie sich bald zeigte.

Ukita Hideiye, der Obercommandant in Ogaki, hatte sich in Korea
unter Konishi grosse Verdienste erworben und war ein tüchtiger Führer,
dessen Begabung Iyeyasu vollkommen anerkannte. Statt ihm zu folgen
und in Ogaki zu bleiben, pflichtete die Mehrzahl der Verbündeten
dem Vorschlage des militärisch wenig geschulten Ishida Mitsunari bei,
und so verliess man im Vertrauen auf die numerische Ueberlegenheit
die Festung, um Iyeyasu in offener Feldschlacht zu begegnen. Mit
der Einnahme von Gifu hatte dieser erfolgreich die Offensive ergriffen,
ohne die Armee seines Sohnes, der in Shinano aufgehalten wurde,
abzuwarten. Die Armee der Liga zog sich gegen Sekigahara
zurück und nahm hier, 130000 Mann stark, zur Seite des Nakasendo
und sich anlehnend an die südlichen Ausläufer des 3 ri entfernten
Ibukiyama eine günstige Stellung ein, während Iyeyasu mit 75000
Mann von Gifu her heranrückte. Im October 1600 kam es zur Ent-
scheidungsschlacht. Auf beiden Seiten wurde den ganzen Tag tapfer
gekämpft, lange blieb das heisse Ringen unentschieden, aber Aus-
dauer, Einheit im Befehl, Raschheit und Umsicht verschafften schliess-
lich Iyeyasu den Sieg. Sein Sohn kam zu spät und konnte nur noch
an der Verfolgung des Feindes gegen Kioto und Osaka theilnehmen.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
stimmten dieser entschiedenen Erklärung bei. Nun wurde der Ope-
rationsplan entworfen. Man würdigte Masanori der Ehre, den Vortrab
führen zu dürfen, vertraute Yuki Hideyasu, dem ältesten Sohne
des Iyeyasu, die Sorge um die Hauptstadt und das Kuwantô und
theilte die Armee in zwei Heere, deren eines Iyeyasu selbst den
Tôkaidô entlang führen sollte, während sein zweiter Sohn Hidetada
mit dem andern die Nakasendô-Route einzuschlagen hatte.

Mitsunari hatte die Schlossstadt Ogaki in Mino erreicht, rasch
in Vertheidigungsstand versetzt und viele kleinere Barone von Ise
und Owari zu sich herangezogen. Das Heer der Liga, welches unter
ihm stand, wird auf 180000 Mann geschätzt. Durch Versprechungen
war es ihm weiter gelungen, Ota Hidenobu, den Enkel des Nobu-
naga, einen verschwenderischen, vergnügungssüchtigen Menschen, für
die Liga zu gewinnen, und hatte ihm die Vertheidigung des Schlosses
zu Gifu anvertraut, eines sehr wichtigen Punktes, insofern als er
zur Vertheidigung eines Vorstosses auf dem Nakasendô sowohl als
dem Tôkaidô diente.

Die Barone längs des Tôkaidô schlossen sich Iyeyasu an, der
ohne Hinderniss bald Owari erreichte und zu Kiyosu, 7 ri von
Ogaki, ein Lager bezog. Sein Heer (75000 Mann) war viel schwächer
an Zahl, aber es folgte voll Vertrauen einem Willen und war damit der
Armee der Liga gegenüber in grossem Vortheile, wie sich bald zeigte.

Ukita Hideiye, der Obercommandant in Ogaki, hatte sich in Korea
unter Konishi grosse Verdienste erworben und war ein tüchtiger Führer,
dessen Begabung Iyeyasu vollkommen anerkannte. Statt ihm zu folgen
und in Ogaki zu bleiben, pflichtete die Mehrzahl der Verbündeten
dem Vorschlage des militärisch wenig geschulten Ishida Mitsunari bei,
und so verliess man im Vertrauen auf die numerische Ueberlegenheit
die Festung, um Iyeyasu in offener Feldschlacht zu begegnen. Mit
der Einnahme von Gifu hatte dieser erfolgreich die Offensive ergriffen,
ohne die Armee seines Sohnes, der in Shinano aufgehalten wurde,
abzuwarten. Die Armee der Liga zog sich gegen Sekigahara
zurück und nahm hier, 130000 Mann stark, zur Seite des Nakasendô
und sich anlehnend an die südlichen Ausläufer des 3 ri entfernten
Ibukiyama eine günstige Stellung ein, während Iyeyasu mit 75000
Mann von Gifu her heranrückte. Im October 1600 kam es zur Ent-
scheidungsschlacht. Auf beiden Seiten wurde den ganzen Tag tapfer
gekämpft, lange blieb das heisse Ringen unentschieden, aber Aus-
dauer, Einheit im Befehl, Raschheit und Umsicht verschafften schliess-
lich Iyeyasu den Sieg. Sein Sohn kam zu spät und konnte nur noch
an der Verfolgung des Feindes gegen Kiôto und Ôsaka theilnehmen.

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[344/0370] I. Geschichte des japanischen Volkes. stimmten dieser entschiedenen Erklärung bei. Nun wurde der Ope- rationsplan entworfen. Man würdigte Masanori der Ehre, den Vortrab führen zu dürfen, vertraute Yuki Hideyasu, dem ältesten Sohne des Iyeyasu, die Sorge um die Hauptstadt und das Kuwantô und theilte die Armee in zwei Heere, deren eines Iyeyasu selbst den Tôkaidô entlang führen sollte, während sein zweiter Sohn Hidetada mit dem andern die Nakasendô-Route einzuschlagen hatte. Mitsunari hatte die Schlossstadt Ogaki in Mino erreicht, rasch in Vertheidigungsstand versetzt und viele kleinere Barone von Ise und Owari zu sich herangezogen. Das Heer der Liga, welches unter ihm stand, wird auf 180000 Mann geschätzt. Durch Versprechungen war es ihm weiter gelungen, Ota Hidenobu, den Enkel des Nobu- naga, einen verschwenderischen, vergnügungssüchtigen Menschen, für die Liga zu gewinnen, und hatte ihm die Vertheidigung des Schlosses zu Gifu anvertraut, eines sehr wichtigen Punktes, insofern als er zur Vertheidigung eines Vorstosses auf dem Nakasendô sowohl als dem Tôkaidô diente. Die Barone längs des Tôkaidô schlossen sich Iyeyasu an, der ohne Hinderniss bald Owari erreichte und zu Kiyosu, 7 ri von Ogaki, ein Lager bezog. Sein Heer (75000 Mann) war viel schwächer an Zahl, aber es folgte voll Vertrauen einem Willen und war damit der Armee der Liga gegenüber in grossem Vortheile, wie sich bald zeigte. Ukita Hideiye, der Obercommandant in Ogaki, hatte sich in Korea unter Konishi grosse Verdienste erworben und war ein tüchtiger Führer, dessen Begabung Iyeyasu vollkommen anerkannte. Statt ihm zu folgen und in Ogaki zu bleiben, pflichtete die Mehrzahl der Verbündeten dem Vorschlage des militärisch wenig geschulten Ishida Mitsunari bei, und so verliess man im Vertrauen auf die numerische Ueberlegenheit die Festung, um Iyeyasu in offener Feldschlacht zu begegnen. Mit der Einnahme von Gifu hatte dieser erfolgreich die Offensive ergriffen, ohne die Armee seines Sohnes, der in Shinano aufgehalten wurde, abzuwarten. Die Armee der Liga zog sich gegen Sekigahara zurück und nahm hier, 130000 Mann stark, zur Seite des Nakasendô und sich anlehnend an die südlichen Ausläufer des 3 ri entfernten Ibukiyama eine günstige Stellung ein, während Iyeyasu mit 75000 Mann von Gifu her heranrückte. Im October 1600 kam es zur Ent- scheidungsschlacht. Auf beiden Seiten wurde den ganzen Tag tapfer gekämpft, lange blieb das heisse Ringen unentschieden, aber Aus- dauer, Einheit im Befehl, Raschheit und Umsicht verschafften schliess- lich Iyeyasu den Sieg. Sein Sohn kam zu spät und konnte nur noch an der Verfolgung des Feindes gegen Kiôto und Ôsaka theilnehmen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/370>, abgerufen am 21.05.2024.