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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Kai, sowie Theile von einigen anderen. In Hamamatsu residierte
Tokugawa Iyeyasu, der Mikawa-Häuptling, wie er oft genannt wird,
über Mikawa, Totomi und Suruga. Er hatte zum Nachbarn in Oda-
wara den Hojo Ujimasa *), Herrn des Kuwanto Ha'shiu (acht Pro-
vinzen des Kuwanto, nämlich Sagami, Musashi, Awa, Kadzusa,
Shimosa, Hitachi, Shimotsuke und Kotsuke). Echizen war im Besitze
von Shibata Katsuye, dem schon erwähnten General Nobunaga's, der
eine Schwester von diesem geheirathet hatte. Im Chiugoku hatte die
Familie Mori von Hagi (Choshiu) sich allmählich in den Besitz von
10 Provinzen gesetzt und auf Kiushiu die Familie Shimatsu auf Kosten
von Otomo grosse Macht erlangt.

Nobunaga hatte drei Söhne, von denen der älteste mit ihm in
Kioto sein Leben verlor. Derselbe hinterliess einen Sohn, Namens
Hidenobu, welchen die angestammten Vasallen der Familie (der
Ota-Clan in Omi) zum Nachfolger seines Grossvaters wählten und
mit Omi belehnen liessen. Hidenobu war damals drei Jahre alt.
Hideyoshi machte sich zu seinem Vormund und Erzieher und gewann
so die äussere Berechtigung zu der Rolle, welche er nun zu spielen
gesonnen war. Der dritte Sohn, Nobutaka, ein Schwächling, war
unter Führung seines Onkels Shibata Katsuye Gouverneur in Shikoku
gewesen und erhielt nun die Provinzen Mino und Owari. Der zweite
Sohn des Nobunaga, Namens Nobuwo, hatte bisher bei der Armee
gegen Mori gestanden. Er fand nun eine Stütze an Iyeyasu, an
dessen Besitzungen die seinigen grenzten. Der Anarchie, welche in
Kai, Shinano und Kotsuke eingerissen war, machte Iyeyasu schon im
Jahre 1582 ein Ende und vermehrte seine Besitzungen um die beiden
erstgenannten Provinzen, so dass zur Neujahrsgratulation 1583 die
Barone von fünf Provinzen (Mikawa, Totomi, Suruga, Kai und Shinano)
in Hamamatsu vor Iyeyasu erschienen, Vasallen, die ihm von da ab
treu ergeben waren, da sie unter dieser hervorragenden Persönlichkeit
den besten Beistand zur Wahrung ihrer Interessen fanden.

Hideyoshi stand um diese Zeit mit Iyeyasu und Nobuwo auf
gutem Fusse. Letzterer belagerte in Folge eines Erbstreites seinen
Bruder Nobutaka in Gifu und nahm dieses ein. Nobutaka floh, fand
sich aber bald vom Feinde umringt und nahm sich, als er keinen
anderen Ausweg sah, das Leben. Ein gleiches Ende fand 1583 sein
Oheim und Verbündeter Shibata Katsuye. Nachdem derselbe in Mino

*) Diese Hojo von Odawara waren kein Zweig des alten Hojo-Geschlechtes,
sondern stammten von einem Kaufmanne aus Ise, der es verstanden hatte, sich
die Wirren zur Zeit der Ashikaga zur Begründung einer ausgedehnten Lehns-
herrschaft nutzbar zu machen.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Kai, sowie Theile von einigen anderen. In Hamamatsu residierte
Tokugawa Iyeyasu, der Mikawa-Häuptling, wie er oft genannt wird,
über Mikawa, Tôtomi und Suruga. Er hatte zum Nachbarn in Oda-
wara den Hôjô Ujimasa *), Herrn des Kuwantô Ha’shiu (acht Pro-
vinzen des Kuwantô, nämlich Sagami, Musashi, Awa, Kadzusa,
Shimosa, Hitachi, Shimotsuke und Kotsuke). Echizen war im Besitze
von Shibata Katsuye, dem schon erwähnten General Nobunaga’s, der
eine Schwester von diesem geheirathet hatte. Im Chiugoku hatte die
Familie Môri von Hagi (Chôshiu) sich allmählich in den Besitz von
10 Provinzen gesetzt und auf Kiushiu die Familie Shimatsu auf Kosten
von Ôtomo grosse Macht erlangt.

Nobunaga hatte drei Söhne, von denen der älteste mit ihm in
Kiôto sein Leben verlor. Derselbe hinterliess einen Sohn, Namens
Hidenobu, welchen die angestammten Vasallen der Familie (der
Ota-Clan in Ômi) zum Nachfolger seines Grossvaters wählten und
mit Ômi belehnen liessen. Hidenobu war damals drei Jahre alt.
Hideyoshi machte sich zu seinem Vormund und Erzieher und gewann
so die äussere Berechtigung zu der Rolle, welche er nun zu spielen
gesonnen war. Der dritte Sohn, Nobutaka, ein Schwächling, war
unter Führung seines Onkels Shibata Katsuye Gouverneur in Shikoku
gewesen und erhielt nun die Provinzen Mino und Owari. Der zweite
Sohn des Nobunaga, Namens Nobuwo, hatte bisher bei der Armee
gegen Môri gestanden. Er fand nun eine Stütze an Iyeyasu, an
dessen Besitzungen die seinigen grenzten. Der Anarchie, welche in
Kai, Shinano und Kotsuke eingerissen war, machte Iyeyasu schon im
Jahre 1582 ein Ende und vermehrte seine Besitzungen um die beiden
erstgenannten Provinzen, so dass zur Neujahrsgratulation 1583 die
Barone von fünf Provinzen (Mikawa, Tôtomi, Suruga, Kai und Shinano)
in Hamamatsu vor Iyeyasu erschienen, Vasallen, die ihm von da ab
treu ergeben waren, da sie unter dieser hervorragenden Persönlichkeit
den besten Beistand zur Wahrung ihrer Interessen fanden.

Hideyoshi stand um diese Zeit mit Iyeyasu und Nobuwo auf
gutem Fusse. Letzterer belagerte in Folge eines Erbstreites seinen
Bruder Nobutaka in Gifu und nahm dieses ein. Nobutaka floh, fand
sich aber bald vom Feinde umringt und nahm sich, als er keinen
anderen Ausweg sah, das Leben. Ein gleiches Ende fand 1583 sein
Oheim und Verbündeter Shibata Katsuye. Nachdem derselbe in Mino

*) Diese Hôjô von Odawara waren kein Zweig des alten Hôjô-Geschlechtes,
sondern stammten von einem Kaufmanne aus Ise, der es verstanden hatte, sich
die Wirren zur Zeit der Ashikaga zur Begründung einer ausgedehnten Lehns-
herrschaft nutzbar zu machen.
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[320/0346] I. Geschichte des japanischen Volkes. Kai, sowie Theile von einigen anderen. In Hamamatsu residierte Tokugawa Iyeyasu, der Mikawa-Häuptling, wie er oft genannt wird, über Mikawa, Tôtomi und Suruga. Er hatte zum Nachbarn in Oda- wara den Hôjô Ujimasa *), Herrn des Kuwantô Ha’shiu (acht Pro- vinzen des Kuwantô, nämlich Sagami, Musashi, Awa, Kadzusa, Shimosa, Hitachi, Shimotsuke und Kotsuke). Echizen war im Besitze von Shibata Katsuye, dem schon erwähnten General Nobunaga’s, der eine Schwester von diesem geheirathet hatte. Im Chiugoku hatte die Familie Môri von Hagi (Chôshiu) sich allmählich in den Besitz von 10 Provinzen gesetzt und auf Kiushiu die Familie Shimatsu auf Kosten von Ôtomo grosse Macht erlangt. Nobunaga hatte drei Söhne, von denen der älteste mit ihm in Kiôto sein Leben verlor. Derselbe hinterliess einen Sohn, Namens Hidenobu, welchen die angestammten Vasallen der Familie (der Ota-Clan in Ômi) zum Nachfolger seines Grossvaters wählten und mit Ômi belehnen liessen. Hidenobu war damals drei Jahre alt. Hideyoshi machte sich zu seinem Vormund und Erzieher und gewann so die äussere Berechtigung zu der Rolle, welche er nun zu spielen gesonnen war. Der dritte Sohn, Nobutaka, ein Schwächling, war unter Führung seines Onkels Shibata Katsuye Gouverneur in Shikoku gewesen und erhielt nun die Provinzen Mino und Owari. Der zweite Sohn des Nobunaga, Namens Nobuwo, hatte bisher bei der Armee gegen Môri gestanden. Er fand nun eine Stütze an Iyeyasu, an dessen Besitzungen die seinigen grenzten. Der Anarchie, welche in Kai, Shinano und Kotsuke eingerissen war, machte Iyeyasu schon im Jahre 1582 ein Ende und vermehrte seine Besitzungen um die beiden erstgenannten Provinzen, so dass zur Neujahrsgratulation 1583 die Barone von fünf Provinzen (Mikawa, Tôtomi, Suruga, Kai und Shinano) in Hamamatsu vor Iyeyasu erschienen, Vasallen, die ihm von da ab treu ergeben waren, da sie unter dieser hervorragenden Persönlichkeit den besten Beistand zur Wahrung ihrer Interessen fanden. Hideyoshi stand um diese Zeit mit Iyeyasu und Nobuwo auf gutem Fusse. Letzterer belagerte in Folge eines Erbstreites seinen Bruder Nobutaka in Gifu und nahm dieses ein. Nobutaka floh, fand sich aber bald vom Feinde umringt und nahm sich, als er keinen anderen Ausweg sah, das Leben. Ein gleiches Ende fand 1583 sein Oheim und Verbündeter Shibata Katsuye. Nachdem derselbe in Mino *) Diese Hôjô von Odawara waren kein Zweig des alten Hôjô-Geschlechtes, sondern stammten von einem Kaufmanne aus Ise, der es verstanden hatte, sich die Wirren zur Zeit der Ashikaga zur Begründung einer ausgedehnten Lehns- herrschaft nutzbar zu machen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/346>, abgerufen am 17.05.2024.