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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Periode. Von Yoritomo's Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
alten Zweig der Taira abhieben und der Administration und Tyrannei
derselben ein Ende machten. Der Hergang war folgender: Takatoki,
von Natur schwach und kränklich und durch manche Intriguen in
Kamakura und Kioto anderweitig in Anspruch genommen, konnte
sich um die Verwaltung wenig kümmern und überliess diese einem
Rendanten, Namens Nagasaki Takasuke, einem geizigen und
verschrobenen Manne, der bestrebt war, sich auf Kosten des Landes
zu bereichern, und dadurch die Abneigung gegen die Hojo-Regent-
schaft rasch steigerte. Besonders geschah dies durch sein Verhalten
während einer drückenden Theuerung. Bisher hatten die Sukken
den Ueberfluss reicher Ernten aufgekauft, in ihren Magazinen ver-
wahrt und dann nach Misswachs zu billigen Preisen an das Volk
abgegeben, wohl auch verschenkt, um der Hungersnoth vorzubeugen.
Jetzt aber, als in Folge langer Trockenheit Theuerung und Noth
eingetreten war, wetteiferte der Rendant mit den ärgsten Wucherern
und gab den Reis, Buchweizen und andere Früchte nur zu hohen
Preisen her. Dies und seine Bestechlichkeit machten ihn und seinen
Rückhalt, die Hojo, mehr und mehr verhasst. Auf der anderen Seite
lebte in Kioto als 96. Mikado von 1319--1338 Go-Daigo-Tenno
(Daigo II.), der ausnahmsweise erst mit 30 Jahren auf den Thron
gekommen war und ungeachtet seiner Vorliebe für Prunk und Frauen
die unwürdige Rolle der Nachkommen jener am Himmel glänzenden
Gottheit bitter fühlte und bestrebt war, für sich und sein Geschlecht
das alte geschwundene Ansehen wieder zu gewinnen. In dem Maasse,
in welchem die Hojo namentlich durch das vorerwähnte Verhalten des
Rendanten verhasst wurden, wuchs sein Ansehen und sein Einfluss,
namentlich zur Zeit jener Theuerung. Er selbst besass zwar wenig,
die Noth lindern zu helfen, aber seine Aufforderung an die Reichen
und Grossen, dabei mitzuwirken, fand Gehör, da sie von neuem auf
das Mikado-Haus ihre Hoffnung setzten. Verschiedene sonstige Zwi-
schenfälle, die wir übergehen, sowie ein Streit wegen der Thron-
folge führten endlich dahin, dass Go-Daigo-Tenno dem Sukken den
Krieg erklärte. Seine Anhänger wurden jedoch geschlagen und der
Mikado von Takatoki nach der Insel Oki verbannt. Indess kam ein
Mann von grossem militärischen Talent und Ruf, Namens Kusunoki
Masashige
dem exilierten Mikado zu Hülfe, sammelte in seiner
Provinz Kawachi ein Heer, mit dem er, obgleich es der Zahl nach
der Armee der Hojo weit nachstand, diese mehrere Monate lang im
Zaum hielt. Dies gab dem verbannten Fürsten und seinen Anhängern
neuen Muth. Daigo II. verliess Oki, sammelte ein Heer in Hoki und
rückte damit gen Kioto. Die entscheidende Hülfe kam jedoch von

Rein, Japan I. 19

3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
alten Zweig der Taira abhieben und der Administration und Tyrannei
derselben ein Ende machten. Der Hergang war folgender: Takatoki,
von Natur schwach und kränklich und durch manche Intriguen in
Kamakura und Kiôto anderweitig in Anspruch genommen, konnte
sich um die Verwaltung wenig kümmern und überliess diese einem
Rendanten, Namens Nagasaki Takasuke, einem geizigen und
verschrobenen Manne, der bestrebt war, sich auf Kosten des Landes
zu bereichern, und dadurch die Abneigung gegen die Hôjô-Regent-
schaft rasch steigerte. Besonders geschah dies durch sein Verhalten
während einer drückenden Theuerung. Bisher hatten die Sukken
den Ueberfluss reicher Ernten aufgekauft, in ihren Magazinen ver-
wahrt und dann nach Misswachs zu billigen Preisen an das Volk
abgegeben, wohl auch verschenkt, um der Hungersnoth vorzubeugen.
Jetzt aber, als in Folge langer Trockenheit Theuerung und Noth
eingetreten war, wetteiferte der Rendant mit den ärgsten Wucherern
und gab den Reis, Buchweizen und andere Früchte nur zu hohen
Preisen her. Dies und seine Bestechlichkeit machten ihn und seinen
Rückhalt, die Hôjô, mehr und mehr verhasst. Auf der anderen Seite
lebte in Kiôto als 96. Mikado von 1319—1338 Go-Daigô-Tennô
(Daigô II.), der ausnahmsweise erst mit 30 Jahren auf den Thron
gekommen war und ungeachtet seiner Vorliebe für Prunk und Frauen
die unwürdige Rolle der Nachkommen jener am Himmel glänzenden
Gottheit bitter fühlte und bestrebt war, für sich und sein Geschlecht
das alte geschwundene Ansehen wieder zu gewinnen. In dem Maasse,
in welchem die Hôjô namentlich durch das vorerwähnte Verhalten des
Rendanten verhasst wurden, wuchs sein Ansehen und sein Einfluss,
namentlich zur Zeit jener Theuerung. Er selbst besass zwar wenig,
die Noth lindern zu helfen, aber seine Aufforderung an die Reichen
und Grossen, dabei mitzuwirken, fand Gehör, da sie von neuem auf
das Mikado-Haus ihre Hoffnung setzten. Verschiedene sonstige Zwi-
schenfälle, die wir übergehen, sowie ein Streit wegen der Thron-
folge führten endlich dahin, dass Go-Daigô-Tennô dem Sukken den
Krieg erklärte. Seine Anhänger wurden jedoch geschlagen und der
Mikado von Takatoki nach der Insel Ôki verbannt. Indess kam ein
Mann von grossem militärischen Talent und Ruf, Namens Kusunoki
Masashige
dem exilierten Mikado zu Hülfe, sammelte in seiner
Provinz Kawachi ein Heer, mit dem er, obgleich es der Zahl nach
der Armee der Hôjô weit nachstand, diese mehrere Monate lang im
Zaum hielt. Dies gab dem verbannten Fürsten und seinen Anhängern
neuen Muth. Daigô II. verliess Ôki, sammelte ein Heer in Hôki und
rückte damit gen Kiôto. Die entscheidende Hülfe kam jedoch von

Rein, Japan I. 19
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[289/0315] 3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc. alten Zweig der Taira abhieben und der Administration und Tyrannei derselben ein Ende machten. Der Hergang war folgender: Takatoki, von Natur schwach und kränklich und durch manche Intriguen in Kamakura und Kiôto anderweitig in Anspruch genommen, konnte sich um die Verwaltung wenig kümmern und überliess diese einem Rendanten, Namens Nagasaki Takasuke, einem geizigen und verschrobenen Manne, der bestrebt war, sich auf Kosten des Landes zu bereichern, und dadurch die Abneigung gegen die Hôjô-Regent- schaft rasch steigerte. Besonders geschah dies durch sein Verhalten während einer drückenden Theuerung. Bisher hatten die Sukken den Ueberfluss reicher Ernten aufgekauft, in ihren Magazinen ver- wahrt und dann nach Misswachs zu billigen Preisen an das Volk abgegeben, wohl auch verschenkt, um der Hungersnoth vorzubeugen. Jetzt aber, als in Folge langer Trockenheit Theuerung und Noth eingetreten war, wetteiferte der Rendant mit den ärgsten Wucherern und gab den Reis, Buchweizen und andere Früchte nur zu hohen Preisen her. Dies und seine Bestechlichkeit machten ihn und seinen Rückhalt, die Hôjô, mehr und mehr verhasst. Auf der anderen Seite lebte in Kiôto als 96. Mikado von 1319—1338 Go-Daigô-Tennô (Daigô II.), der ausnahmsweise erst mit 30 Jahren auf den Thron gekommen war und ungeachtet seiner Vorliebe für Prunk und Frauen die unwürdige Rolle der Nachkommen jener am Himmel glänzenden Gottheit bitter fühlte und bestrebt war, für sich und sein Geschlecht das alte geschwundene Ansehen wieder zu gewinnen. In dem Maasse, in welchem die Hôjô namentlich durch das vorerwähnte Verhalten des Rendanten verhasst wurden, wuchs sein Ansehen und sein Einfluss, namentlich zur Zeit jener Theuerung. Er selbst besass zwar wenig, die Noth lindern zu helfen, aber seine Aufforderung an die Reichen und Grossen, dabei mitzuwirken, fand Gehör, da sie von neuem auf das Mikado-Haus ihre Hoffnung setzten. Verschiedene sonstige Zwi- schenfälle, die wir übergehen, sowie ein Streit wegen der Thron- folge führten endlich dahin, dass Go-Daigô-Tennô dem Sukken den Krieg erklärte. Seine Anhänger wurden jedoch geschlagen und der Mikado von Takatoki nach der Insel Ôki verbannt. Indess kam ein Mann von grossem militärischen Talent und Ruf, Namens Kusunoki Masashige dem exilierten Mikado zu Hülfe, sammelte in seiner Provinz Kawachi ein Heer, mit dem er, obgleich es der Zahl nach der Armee der Hôjô weit nachstand, diese mehrere Monate lang im Zaum hielt. Dies gab dem verbannten Fürsten und seinen Anhängern neuen Muth. Daigô II. verliess Ôki, sammelte ein Heer in Hôki und rückte damit gen Kiôto. Die entscheidende Hülfe kam jedoch von Rein, Japan I. 19

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/315>, abgerufen am 17.05.2024.