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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc.
Nachfolge. Das japanische Herrscherhaus leitet sich also von der
Sonnengöttin Amaterasu ab, die desshalb im Ahnencultus oder Shinto
(der Staatsreligion) unter den Göttern die höchste Stelle einnimmt *).

Von den beiden Namen "Jimmu-Tenno" bedeutet der erste Kriegs-
geist, der zweite ist aus dem Chinesischen Ten und No oder O, Himmel
und resp. König, zusammengesetzt. Diesen Titel "Tenno", König des
Himmels, führt jeder Mikado; es ist der Name, mit dem er vom Volke
gewöhnlich genannt wird. Statt "Tenno" gebraucht man auch viel
das Wort Tenshi (Sohn des Himmels) **). Als Palladien und älteste
Symbole der kaiserlichen Macht hatte Tensho-Daijin dem Jimmu
Tenno einen runden Spiegel und ein Schwert übergeben, jenen mit
den Worten: "Behalte diesen Spiegel, mein Ebenbild, und deine
Dynastie wird so lange dauern als Himmel und Erde".

Diese Insignien der Macht wurden von Jimmu-Tenno und den
acht folgenden Herrschern in ihren Thronsälen aufbewahrt, bis Sujin
Tenno
, der 10. Mikado, sich davon facsimilia anfertigen liess, die
Originale aber in den von ihm erbauten und der Tensho-Daijin ge-
widmeten Tempel bei der heutigen Stadt Yamada in Ise gebracht
und aufbewahrt wurden. Dieser Tempel der Sonnengöttin wurde von
da ab Nationalheiligthum, das Mekka, nach dem noch heutigen Tages
viele Tausende aus allen Theilen des Landes wallfahren und wohin
sich in der Regel auch die Machthaber des Landes in regelmässigen
Intervallen, sowie am Vorabende grosser Unternehmungen begaben.

Im übrigen erzählt noch die alte Geschichte von Jimmu-Tenno,
dass er ein mächtiger und erleuchteter Fürst gewesen sei, der alle

*) Eine Proclamation des Mikado, welche vor 12 Jahren erschien, weist auf
dieses Verhältniss hin mit den Worten: "Ich bin betrübt, stehend, wie ich es
thue, zwischen Tensho-Daijin und meinem Volke ..." und in einer neueren
heisst es: "Mein Haus, das von Jimmu-Tenno ab bis zum heutigen Tage nach
dem Willen der Götter über Dai-Nippon geherrscht hat ...". Es ist nach solcher
Legitimation unstreitig die älteste Dynastie auf Erden, ja sie wird sogar über
Jimmu-Tenno hinaus 10000 Jahre zurückdatiert bis zur Zeit, "wo die himm-
lischen Vorfahren den Grund des Landes legten".
**) Das Wort Mikado leitet sich von mi, erhaben, und kado, Thor ab, wie
die "Hohe Pforte". Die Idee der Benennung war die, dass der Mikado zu erhaben
sei, um direct, d. h. anders als figürlich genannt zu werden. Die Jesuiten und
die Aerzte im Dienste der holländischen Compagnie, wie Kaempfer, Thun-
berg
und Andere, reden von ihm fast immer unter dem Namen Dairi (Kaiserlicher
Palast). Es gibt noch viele andere Epitheta, welche ebenfalls angewandt werden.
-- Die japanische Flagge, eine rothe Sonne auf weissem Felde, soll der Ab-
stammung von Amaterasu Ausdruck geben und selbst die Lieblingsblume der
Japaner, das Chrysanthemum (kiku), im Wappen und auf Münzen ist als Symbol
der Sonne zu deuten.

1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc.
Nachfolge. Das japanische Herrscherhaus leitet sich also von der
Sonnengöttin Amaterasu ab, die desshalb im Ahnencultus oder Shintô
(der Staatsreligion) unter den Göttern die höchste Stelle einnimmt *).

Von den beiden Namen »Jimmu-Tennô« bedeutet der erste Kriegs-
geist, der zweite ist aus dem Chinesischen Ten und Nô oder Ô, Himmel
und resp. König, zusammengesetzt. Diesen Titel »Tennô«, König des
Himmels, führt jeder Mikado; es ist der Name, mit dem er vom Volke
gewöhnlich genannt wird. Statt »Tennô« gebraucht man auch viel
das Wort Tenshi (Sohn des Himmels) **). Als Palladien und älteste
Symbole der kaiserlichen Macht hatte Tenshô-Daijin dem Jimmu
Tennô einen runden Spiegel und ein Schwert übergeben, jenen mit
den Worten: »Behalte diesen Spiegel, mein Ebenbild, und deine
Dynastie wird so lange dauern als Himmel und Erde«.

Diese Insignien der Macht wurden von Jimmu-Tennô und den
acht folgenden Herrschern in ihren Thronsälen aufbewahrt, bis Sujin
Tennô
, der 10. Mikado, sich davon facsimilia anfertigen liess, die
Originale aber in den von ihm erbauten und der Tenshô-Daijin ge-
widmeten Tempel bei der heutigen Stadt Yamada in Ise gebracht
und aufbewahrt wurden. Dieser Tempel der Sonnengöttin wurde von
da ab Nationalheiligthum, das Mekka, nach dem noch heutigen Tages
viele Tausende aus allen Theilen des Landes wallfahren und wohin
sich in der Regel auch die Machthaber des Landes in regelmässigen
Intervallen, sowie am Vorabende grosser Unternehmungen begaben.

Im übrigen erzählt noch die alte Geschichte von Jimmu-Tennô,
dass er ein mächtiger und erleuchteter Fürst gewesen sei, der alle

*) Eine Proclamation des Mikado, welche vor 12 Jahren erschien, weist auf
dieses Verhältniss hin mit den Worten: »Ich bin betrübt, stehend, wie ich es
thue, zwischen Tenshô-Daijin und meinem Volke …« und in einer neueren
heisst es: »Mein Haus, das von Jimmu-Tennô ab bis zum heutigen Tage nach
dem Willen der Götter über Dai-Nippon geherrscht hat …«. Es ist nach solcher
Legitimation unstreitig die älteste Dynastie auf Erden, ja sie wird sogar über
Jimmu-Tennô hinaus 10000 Jahre zurückdatiert bis zur Zeit, »wo die himm-
lischen Vorfahren den Grund des Landes legten«.
**) Das Wort Mikado leitet sich von mi, erhaben, und kado, Thor ab, wie
die »Hohe Pforte«. Die Idee der Benennung war die, dass der Mikado zu erhaben
sei, um direct, d. h. anders als figürlich genannt zu werden. Die Jesuiten und
die Aerzte im Dienste der holländischen Compagnie, wie Kaempfer, Thun-
berg
und Andere, reden von ihm fast immer unter dem Namen Dairi (Kaiserlicher
Palast). Es gibt noch viele andere Epitheta, welche ebenfalls angewandt werden.
— Die japanische Flagge, eine rothe Sonne auf weissem Felde, soll der Ab-
stammung von Amaterasu Ausdruck geben und selbst die Lieblingsblume der
Japaner, das Chrysanthemum (kiku), im Wappen und auf Münzen ist als Symbol
der Sonne zu deuten.
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[245/0269] 1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc. Nachfolge. Das japanische Herrscherhaus leitet sich also von der Sonnengöttin Amaterasu ab, die desshalb im Ahnencultus oder Shintô (der Staatsreligion) unter den Göttern die höchste Stelle einnimmt *). Von den beiden Namen »Jimmu-Tennô« bedeutet der erste Kriegs- geist, der zweite ist aus dem Chinesischen Ten und Nô oder Ô, Himmel und resp. König, zusammengesetzt. Diesen Titel »Tennô«, König des Himmels, führt jeder Mikado; es ist der Name, mit dem er vom Volke gewöhnlich genannt wird. Statt »Tennô« gebraucht man auch viel das Wort Tenshi (Sohn des Himmels) **). Als Palladien und älteste Symbole der kaiserlichen Macht hatte Tenshô-Daijin dem Jimmu Tennô einen runden Spiegel und ein Schwert übergeben, jenen mit den Worten: »Behalte diesen Spiegel, mein Ebenbild, und deine Dynastie wird so lange dauern als Himmel und Erde«. Diese Insignien der Macht wurden von Jimmu-Tennô und den acht folgenden Herrschern in ihren Thronsälen aufbewahrt, bis Sujin Tennô, der 10. Mikado, sich davon facsimilia anfertigen liess, die Originale aber in den von ihm erbauten und der Tenshô-Daijin ge- widmeten Tempel bei der heutigen Stadt Yamada in Ise gebracht und aufbewahrt wurden. Dieser Tempel der Sonnengöttin wurde von da ab Nationalheiligthum, das Mekka, nach dem noch heutigen Tages viele Tausende aus allen Theilen des Landes wallfahren und wohin sich in der Regel auch die Machthaber des Landes in regelmässigen Intervallen, sowie am Vorabende grosser Unternehmungen begaben. Im übrigen erzählt noch die alte Geschichte von Jimmu-Tennô, dass er ein mächtiger und erleuchteter Fürst gewesen sei, der alle *) Eine Proclamation des Mikado, welche vor 12 Jahren erschien, weist auf dieses Verhältniss hin mit den Worten: »Ich bin betrübt, stehend, wie ich es thue, zwischen Tenshô-Daijin und meinem Volke …« und in einer neueren heisst es: »Mein Haus, das von Jimmu-Tennô ab bis zum heutigen Tage nach dem Willen der Götter über Dai-Nippon geherrscht hat …«. Es ist nach solcher Legitimation unstreitig die älteste Dynastie auf Erden, ja sie wird sogar über Jimmu-Tennô hinaus 10000 Jahre zurückdatiert bis zur Zeit, »wo die himm- lischen Vorfahren den Grund des Landes legten«. **) Das Wort Mikado leitet sich von mi, erhaben, und kado, Thor ab, wie die »Hohe Pforte«. Die Idee der Benennung war die, dass der Mikado zu erhaben sei, um direct, d. h. anders als figürlich genannt zu werden. Die Jesuiten und die Aerzte im Dienste der holländischen Compagnie, wie Kaempfer, Thun- berg und Andere, reden von ihm fast immer unter dem Namen Dairi (Kaiserlicher Palast). Es gibt noch viele andere Epitheta, welche ebenfalls angewandt werden. — Die japanische Flagge, eine rothe Sonne auf weissem Felde, soll der Ab- stammung von Amaterasu Ausdruck geben und selbst die Lieblingsblume der Japaner, das Chrysanthemum (kiku), im Wappen und auf Münzen ist als Symbol der Sonne zu deuten.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/269>, abgerufen am 24.11.2024.