Reimarus, Johann Albert Heinrich: Die Ursache des Einschlagens vom Blitze. Langensalza, 1769.hen oder sehen zu wollen, was man sonst hätte Ich
hen oder ſehen zu wollen, was man ſonſt haͤtte Ich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0127" n="127"/> hen oder ſehen zu wollen, was man ſonſt haͤtte<lb/> wahrnehmen koͤnnen. Unſere Schluͤſſe ſind<lb/> ſehr mangelhaft, wenn ſie nicht durch Erfah-<lb/> rungen unterſtuͤtzet werden, und auſſer dieſer<lb/> betraͤgt alle menſchliche Wiſſenſchaft uͤberaus<lb/> wenig. Nie ſollten wir die Empfindung un-<lb/> ſerer Unwiſſenheit aus dem Sinne laſſen, wo-<lb/> ferne wir noch wuͤrklich in Wiſſenſchaften zu-<lb/> nehmen wollen. Wer weiß, wie viele verbor-<lb/> gene und nuͤtzliche Eigenſchaften und Kraͤfte in<lb/> der Natur und allerley Koͤrpern, noch kuͤnftig<lb/> durch Beobachtungen und Verſuche entdecket<lb/> werden, welche itzt vielleicht, da man ſie ſchon<lb/> haͤtte bemerken koͤnnen, unter dem verlachten<lb/> Namen der <hi rendition="#fr">Sympathie</hi> und <hi rendition="#fr">Antipathie</hi> ver-<lb/> worfen werden? Wuͤrden uns aber die ma-<lb/> gnetiſchen und electriſchen, wie auch verſchie-<lb/> dene chymiſche Wuͤrkungen nicht eben ſo un-<lb/> glaublich vorkommen, wenn wir nun zuerſt von<lb/> Unverſtaͤndigen die Nachricht davon erhielten?<lb/> Es iſt ein Irrthum, wenn man mit jenen Wor-<lb/> ten eine Wuͤrkung ohne Urſache andeuten, oder<lb/> auch das Anſehen haben will, mit einem un-<lb/> verſtaͤndlichen Namen die Urſache genug zu er-<lb/> klaͤren: allein, es iſt auch ein ſchaͤdlicher Irr-<lb/> thum, die Sache zu verwerfen, weil wir die<lb/> Urſache nicht begreifen koͤnnen. Erſt ſpaͤte wird<lb/> der menſchliche Verſtand ſo weit kommen, die<lb/> Verwandſchaft der Kraͤfte auszufinden, welche<lb/> wir fuͤrs erſte nach ihren verſchiedenen Wuͤr-<lb/> kungen als verſchieden aufſuchen muͤſſen.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw> </body> </text> </TEI> [127/0127]
hen oder ſehen zu wollen, was man ſonſt haͤtte
wahrnehmen koͤnnen. Unſere Schluͤſſe ſind
ſehr mangelhaft, wenn ſie nicht durch Erfah-
rungen unterſtuͤtzet werden, und auſſer dieſer
betraͤgt alle menſchliche Wiſſenſchaft uͤberaus
wenig. Nie ſollten wir die Empfindung un-
ſerer Unwiſſenheit aus dem Sinne laſſen, wo-
ferne wir noch wuͤrklich in Wiſſenſchaften zu-
nehmen wollen. Wer weiß, wie viele verbor-
gene und nuͤtzliche Eigenſchaften und Kraͤfte in
der Natur und allerley Koͤrpern, noch kuͤnftig
durch Beobachtungen und Verſuche entdecket
werden, welche itzt vielleicht, da man ſie ſchon
haͤtte bemerken koͤnnen, unter dem verlachten
Namen der Sympathie und Antipathie ver-
worfen werden? Wuͤrden uns aber die ma-
gnetiſchen und electriſchen, wie auch verſchie-
dene chymiſche Wuͤrkungen nicht eben ſo un-
glaublich vorkommen, wenn wir nun zuerſt von
Unverſtaͤndigen die Nachricht davon erhielten?
Es iſt ein Irrthum, wenn man mit jenen Wor-
ten eine Wuͤrkung ohne Urſache andeuten, oder
auch das Anſehen haben will, mit einem un-
verſtaͤndlichen Namen die Urſache genug zu er-
klaͤren: allein, es iſt auch ein ſchaͤdlicher Irr-
thum, die Sache zu verwerfen, weil wir die
Urſache nicht begreifen koͤnnen. Erſt ſpaͤte wird
der menſchliche Verſtand ſo weit kommen, die
Verwandſchaft der Kraͤfte auszufinden, welche
wir fuͤrs erſte nach ihren verſchiedenen Wuͤr-
kungen als verſchieden aufſuchen muͤſſen.
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