Allein wir sind nun einmal nur Schöpfer der unsrigen, nicht Schöpfer der wirklichen Welt; nicht im Mittelpunkt des Weltalls gestellt, son- dern an die Rinde eines Atoms derselben gefesselt. Keiner allein wird die Grenzen der Naturwissen- schaft erweitern, weder der Empiriker, der in den Fesseln der Erscheinungswelt gefangen liegt, und es nicht wagt, ihren Zauber mit dem Hebel seiner Vernunft zu durchbrechen, noch der Egoist, dem die wirkliche Welt ein Lump gegen dieje- nige ist, die er aus seines Geistes Tiefen hervor- zieht, und seiner leichtgläubigen Klike es aufbür- det, dass er durch einige unverständliche Wort- formeln die Mysterien der Natur beschworen habe. Sie wandelt sicheren Schritts ihrer Voll- endung näher, ohne sie zu erreichen, wenn Em- pirie und Speculation sich die Hand bieten, und alle Kräfte, die das Gallsche Schimpforgan vergeudet, vorwärts dem einen Ziele zu streben, das uns alle zieht. Dann habe ich zum prakti- schen Gebrauch geschrieben, welches einen be- schränkten Kreis, besondere Ansichten, mehr oder weniger isolirte Erfahrungen und Fertigkei- ten in der Ausübung voraussetzt, und harre des Lichts, das von oben herab dem Empiriker ent- gegenrückt, und seine dunkelen Stiege erleuchten soll. Bis dahin nütze man, was man hat. Er-
Allein wir ſind nun einmal nur Schöpfer der unſrigen, nicht Schöpfer der wirklichen Welt; nicht im Mittelpunkt des Weltalls geſtellt, ſon- dern an die Rinde eines Atoms derſelben gefeſſelt. Keiner allein wird die Grenzen der Naturwiſſen- ſchaft erweitern, weder der Empiriker, der in den Feſſeln der Erſcheinungswelt gefangen liegt, und es nicht wagt, ihren Zauber mit dem Hebel ſeiner Vernunft zu durchbrechen, noch der Egoiſt, dem die wirkliche Welt ein Lump gegen dieje- nige iſt, die er aus ſeines Geiſtes Tiefen hervor- zieht, und ſeiner leichtgläubigen Klike es aufbür- det, daſs er durch einige unverſtändliche Wort- formeln die Myſterien der Natur beſchworen habe. Sie wandelt ſicheren Schritts ihrer Voll- endung näher, ohne ſie zu erreichen, wenn Em- pirie und Speculation ſich die Hand bieten, und alle Kräfte, die das Gallſche Schimpforgan vergeudet, vorwärts dem einen Ziele zu ſtreben, das uns alle zieht. Dann habe ich zum prakti- ſchen Gebrauch geſchrieben, welches einen be- ſchränkten Kreis, beſondere Anſichten, mehr oder weniger iſolirte Erfahrungen und Fertigkei- ten in der Ausübung vorausſetzt, und harre des Lichts, das von oben herab dem Empiriker ent- gegenrückt, und ſeine dunkelen Stiege erleuchten ſoll. Bis dahin nütze man, was man hat. Er-
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Allein wir ſind nun einmal nur Schöpfer der
unſrigen, nicht Schöpfer der wirklichen Welt;
nicht im Mittelpunkt des Weltalls geſtellt, ſon-
dern an die Rinde eines Atoms derſelben gefeſſelt.
Keiner allein wird die Grenzen der Naturwiſſen-
ſchaft erweitern, weder der Empiriker, der in
den Feſſeln der Erſcheinungswelt gefangen liegt,
und es nicht wagt, ihren Zauber mit dem Hebel
ſeiner Vernunft zu durchbrechen, noch der Egoiſt,
dem die wirkliche Welt ein Lump gegen dieje-
nige iſt, die er aus ſeines Geiſtes Tiefen hervor-
zieht, und ſeiner leichtgläubigen Klike es aufbür-
det, daſs er durch einige unverſtändliche Wort-
formeln die Myſterien der Natur beſchworen
habe. Sie wandelt ſicheren Schritts ihrer Voll-
endung näher, ohne ſie zu erreichen, wenn Em-
pirie und Speculation ſich die Hand bieten, und
alle Kräfte, die das Gallſche Schimpforgan
vergeudet, vorwärts dem einen Ziele zu ſtreben,
das uns alle zieht. Dann habe ich zum prakti-
ſchen Gebrauch geſchrieben, welches einen be-
ſchränkten Kreis, beſondere Anſichten, mehr
oder weniger iſolirte Erfahrungen und Fertigkei-
ten in der Ausübung vorausſetzt, und harre des
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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