Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Ort vorträgt, und auf welche jeder Umstand ihn
abführt *).

Dann kann der Blödsinn einfach oder
zusammengesetzt seyn. In seiner einfach-
sten Gestalt zeigt er sich in der Dummheit, die
ohne andere Krankheiten ist. Er ist oft zusam-
mengesetzt mit Fallsuchten und Lähmungen. Er
kann verbunden seyn mit fixem Wahn und Tob-
sucht, dies vorzüglich, wenn er Folge dieser

*) Hoffbauer l. c. 2 B. 101-106 S. -- Der stum-
pfe Kopf ermangelt des Witzes, der Dummkopf
des Verstandes. In dem ersten Falle fehlt die
Behendigkeit etwas zu fassen, die Ideen zu ver-
knüpfen, und die vorhandnen Gedanken schnell
in die passlichsten Zeichen einzukleiden. Die
Anwendung des Verstandes in der Beurtheilung
der Handgriffe, Ränke, Kunstgriffe und Maxi-
men, nach denen sich die Menschen gewöhnlich
in der grossen Welt behandeln, heisst Ver-
schmitztheit, und ihr Gegentheil ist Einfalt. Ein
Mensch, dem jene aus Mangel an Urtheilskraft
fehlt, heisst ein Tropf, Pinsel. Allein auch dem
verständigen und redlichen Mann kann diese
Schlauigkeit fehlen. Er mag in dies verwickelte
Spiel nicht eindringen, weil es ihm verächtlich
ist, oder es hat ihm an Gelegenheit gefehlt, die
Welt in der Masque kennen zu lernen, oder er
hat eine zu gute Meinung von den Menschen, um
sich einen so verächtlichen Begriff von ihnen
machen zu können. Er heisst ein guter Mann,
und giebt zu lachen, wenn er in die Schlinge
der Intrigue und Weltpolitik gerathen ist. Reils
Fieberlehre, 4 Band, 317 S.

Ort vorträgt, und auf welche jeder Umſtand ihn
abführt *).

Dann kann der Blödſinn einfach oder
zuſammengeſetzt ſeyn. In ſeiner einfach-
ſten Geſtalt zeigt er ſich in der Dummheit, die
ohne andere Krankheiten iſt. Er iſt oft zuſam-
mengeſetzt mit Fallſuchten und Lähmungen. Er
kann verbunden ſeyn mit fixem Wahn und Tob-
ſucht, dies vorzüglich, wenn er Folge dieſer

*) Hoffbauer l. c. 2 B. 101-106 S. — Der ſtum-
pfe Kopf ermangelt des Witzes, der Dummkopf
des Verſtandes. In dem erſten Falle fehlt die
Behendigkeit etwas zu faſſen, die Ideen zu ver-
knüpfen, und die vorhandnen Gedanken ſchnell
in die paſslichſten Zeichen einzukleiden. Die
Anwendung des Verſtandes in der Beurtheilung
der Handgriffe, Ränke, Kunſtgriffe und Maxi-
men, nach denen ſich die Menſchen gewöhnlich
in der groſsen Welt behandeln, heiſst Ver-
ſchmitztheit, und ihr Gegentheil iſt Einfalt. Ein
Menſch, dem jene aus Mangel an Urtheilskraft
fehlt, heiſst ein Tropf, Pinſel. Allein auch dem
verſtändigen und redlichen Mann kann dieſe
Schlauigkeit fehlen. Er mag in dies verwickelte
Spiel nicht eindringen, weil es ihm verächtlich
iſt, oder es hat ihm an Gelegenheit gefehlt, die
Welt in der Masque kennen zu lernen, oder er
hat eine zu gute Meinung von den Menſchen, um
ſich einen ſo verächtlichen Begriff von ihnen
machen zu können. Er heiſst ein guter Mann,
und giebt zu lachen, wenn er in die Schlinge
der Intrigue und Weltpolitik gerathen iſt. Reils
Fieberlehre, 4 Band, 317 S.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0429" n="424"/>
Ort vorträgt, und auf welche jeder Um&#x017F;tand ihn<lb/>
abführt <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Hoffbauer</hi> l. c. 2 B. 101-106 S. &#x2014; Der &#x017F;tum-<lb/>
pfe Kopf ermangelt des Witzes, der Dummkopf<lb/>
des Ver&#x017F;tandes. In dem er&#x017F;ten Falle fehlt die<lb/>
Behendigkeit etwas zu fa&#x017F;&#x017F;en, die Ideen zu ver-<lb/>
knüpfen, und die vorhandnen Gedanken &#x017F;chnell<lb/>
in die pa&#x017F;slich&#x017F;ten Zeichen einzukleiden. Die<lb/>
Anwendung des Ver&#x017F;tandes in der Beurtheilung<lb/>
der Handgriffe, Ränke, Kun&#x017F;tgriffe und Maxi-<lb/>
men, nach denen &#x017F;ich die Men&#x017F;chen gewöhnlich<lb/>
in der gro&#x017F;sen Welt behandeln, hei&#x017F;st Ver-<lb/>
&#x017F;chmitztheit, und ihr Gegentheil i&#x017F;t Einfalt. Ein<lb/>
Men&#x017F;ch, dem jene aus Mangel an Urtheilskraft<lb/>
fehlt, hei&#x017F;st ein Tropf, Pin&#x017F;el. Allein auch dem<lb/>
ver&#x017F;tändigen und redlichen Mann kann die&#x017F;e<lb/>
Schlauigkeit fehlen. Er mag in dies verwickelte<lb/>
Spiel nicht eindringen, weil es ihm verächtlich<lb/>
i&#x017F;t, oder es hat ihm an Gelegenheit gefehlt, die<lb/>
Welt in der Masque kennen zu lernen, oder er<lb/>
hat eine zu gute Meinung von den Men&#x017F;chen, um<lb/>
&#x017F;ich einen &#x017F;o verächtlichen Begriff von ihnen<lb/>
machen zu können. Er hei&#x017F;st ein guter Mann,<lb/>
und giebt zu lachen, wenn er in die Schlinge<lb/>
der Intrigue und Weltpolitik gerathen i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Reils</hi><lb/>
Fieberlehre, 4 Band, 317 S.</note>.</p><lb/>
            <p>Dann kann der Blöd&#x017F;inn <hi rendition="#g">einfach</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt</hi> &#x017F;eyn. In &#x017F;einer einfach-<lb/>
&#x017F;ten Ge&#x017F;talt zeigt er &#x017F;ich in der Dummheit, die<lb/>
ohne andere Krankheiten i&#x017F;t. Er i&#x017F;t oft zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzt mit Fall&#x017F;uchten und Lähmungen. Er<lb/>
kann verbunden &#x017F;eyn mit fixem Wahn und Tob-<lb/>
&#x017F;ucht, dies vorzüglich, wenn er Folge die&#x017F;er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0429] Ort vorträgt, und auf welche jeder Umſtand ihn abführt *). Dann kann der Blödſinn einfach oder zuſammengeſetzt ſeyn. In ſeiner einfach- ſten Geſtalt zeigt er ſich in der Dummheit, die ohne andere Krankheiten iſt. Er iſt oft zuſam- mengeſetzt mit Fallſuchten und Lähmungen. Er kann verbunden ſeyn mit fixem Wahn und Tob- ſucht, dies vorzüglich, wenn er Folge dieſer *) Hoffbauer l. c. 2 B. 101-106 S. — Der ſtum- pfe Kopf ermangelt des Witzes, der Dummkopf des Verſtandes. In dem erſten Falle fehlt die Behendigkeit etwas zu faſſen, die Ideen zu ver- knüpfen, und die vorhandnen Gedanken ſchnell in die paſslichſten Zeichen einzukleiden. Die Anwendung des Verſtandes in der Beurtheilung der Handgriffe, Ränke, Kunſtgriffe und Maxi- men, nach denen ſich die Menſchen gewöhnlich in der groſsen Welt behandeln, heiſst Ver- ſchmitztheit, und ihr Gegentheil iſt Einfalt. Ein Menſch, dem jene aus Mangel an Urtheilskraft fehlt, heiſst ein Tropf, Pinſel. Allein auch dem verſtändigen und redlichen Mann kann dieſe Schlauigkeit fehlen. Er mag in dies verwickelte Spiel nicht eindringen, weil es ihm verächtlich iſt, oder es hat ihm an Gelegenheit gefehlt, die Welt in der Masque kennen zu lernen, oder er hat eine zu gute Meinung von den Menſchen, um ſich einen ſo verächtlichen Begriff von ihnen machen zu können. Er heiſst ein guter Mann, und giebt zu lachen, wenn er in die Schlinge der Intrigue und Weltpolitik gerathen iſt. Reils Fieberlehre, 4 Band, 317 S.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/429
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/429>, abgerufen am 17.05.2024.