anstössig sind, um welcher willen man ihn ent- fernt halten muss. In criminalistischer Hinsicht muss der Blödsinn in Anspruch genommen wer- den, wenn von der Strafbarkeit der Handlungen die Rede ist, welche er mindert oder aufhebt. Denn zur Strafbarkeit einer Handlung wird er- fordert, dass der Thäter Begriffe von seinen Handlungen habe, die Gesetze kenne, welche sie verbieten, und diese auf seine Handlungen anwen- den könne. Keins von allen ist schwerlich jen- seits des mittleren Grades des Blödsinns möglich; daher derselbe alle Strafbarkeit der Handlungen aufhebt. Hingegen findet in seinem niedrigsten Grade Zurechnung Statt; doch nicht in dem Maasse, als wo der Verstand unverletzt ist. Die Culpa kann dem blödsinnigen Menschen nicht so hoch angerechnet werden, als dem Vernünftigen, der sie leichter vermeiden kann. Mit dem Dolus hat es eine andere Bewandniss. In Rücksicht der Unbekanntschaft mit den Gesetzen muss darauf gesehen werden, ob von Handlungen die Rede ist, die an sich widerrechtlich oder bloss durch ein Gesetz verboten sind. Jenes muss der Blöd- sinnige in dem niedrigsten Grade noch unterschei- den; hingegen kann man nicht von ihm fordern, dass er alle Gesetze wissen soll, die Handlungen verbieten, welche an sich nicht strafbar sind *). Da es indessen in der Entscheidung dieser Fälle
*)Hoffbauer l. c. 2 B. 132-142 S.
anſtöſsig ſind, um welcher willen man ihn ent- fernt halten muſs. In criminaliſtiſcher Hinſicht muſs der Blödſinn in Anſpruch genommen wer- den, wenn von der Strafbarkeit der Handlungen die Rede iſt, welche er mindert oder aufhebt. Denn zur Strafbarkeit einer Handlung wird er- fordert, daſs der Thäter Begriffe von ſeinen Handlungen habe, die Geſetze kenne, welche ſie verbieten, und dieſe auf ſeine Handlungen anwen- den könne. Keins von allen iſt ſchwerlich jen- ſeits des mittleren Grades des Blödſinns möglich; daher derſelbe alle Strafbarkeit der Handlungen aufhebt. Hingegen findet in ſeinem niedrigſten Grade Zurechnung Statt; doch nicht in dem Maaſse, als wo der Verſtand unverletzt iſt. Die Culpa kann dem blödſinnigen Menſchen nicht ſo hoch angerechnet werden, als dem Vernünftigen, der ſie leichter vermeiden kann. Mit dem Dolus hat es eine andere Bewandniſs. In Rückſicht der Unbekanntſchaft mit den Geſetzen muſs darauf geſehen werden, ob von Handlungen die Rede iſt, die an ſich widerrechtlich oder bloſs durch ein Geſetz verboten ſind. Jenes muſs der Blöd- ſinnige in dem niedrigſten Grade noch unterſchei- den; hingegen kann man nicht von ihm fordern, daſs er alle Geſetze wiſſen ſoll, die Handlungen verbieten, welche an ſich nicht ſtrafbar ſind *). Da es indeſſen in der Entſcheidung dieſer Fälle
*)Hoffbauer l. c. 2 B. 132-142 S.
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anſtöſsig ſind, um welcher willen man ihn ent-
fernt halten muſs. In criminaliſtiſcher Hinſicht
muſs der Blödſinn in Anſpruch genommen wer-
den, wenn von der Strafbarkeit der Handlungen
die Rede iſt, welche er mindert oder aufhebt.
Denn zur Strafbarkeit einer Handlung wird er-
fordert, daſs der Thäter Begriffe von ſeinen
Handlungen habe, die Geſetze kenne, welche ſie
verbieten, und dieſe auf ſeine Handlungen anwen-
den könne. Keins von allen iſt ſchwerlich jen-
ſeits des mittleren Grades des Blödſinns möglich;
daher derſelbe alle Strafbarkeit der Handlungen
aufhebt. Hingegen findet in ſeinem niedrigſten
Grade Zurechnung Statt; doch nicht in dem
Maaſse, als wo der Verſtand unverletzt iſt. Die
Culpa kann dem blödſinnigen Menſchen nicht ſo
hoch angerechnet werden, als dem Vernünftigen,
der ſie leichter vermeiden kann. Mit dem Dolus
hat es eine andere Bewandniſs. In Rückſicht der
Unbekanntſchaft mit den Geſetzen muſs darauf
geſehen werden, ob von Handlungen die Rede
iſt, die an ſich widerrechtlich oder bloſs durch
ein Geſetz verboten ſind. Jenes muſs der Blöd-
ſinnige in dem niedrigſten Grade noch unterſchei-
den; hingegen kann man nicht von ihm fordern,
daſs er alle Geſetze wiſſen ſoll, die Handlungen
verbieten, welche an ſich nicht ſtrafbar ſind *).
Da es indeſſen in der Entſcheidung dieſer Fälle
*) Hoffbauer l. c. 2 B. 132-142 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/425>, abgerufen am 22.11.2024.
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