Selbst der mässige Genuss desselben soll sie in kurzer Zeit hervorbringen.
Die Kur der Tobsucht bedarf noch ei- ner grossen Läuterung. Viele Beobachtungen über dieselbe sind unbrauchbar, weil sie sich auf kein haltbares Object, sondern bald auf die wahre Raserey, bald auf jede andere Geisteszerrüttung beziehn, die mit heftigen Handlungen verbunden war. In der Phrenesie entscheidet sie sich, als akute Krankheit, durch sich selbst, zur Gene- sung oder zum Tode, oder sie geht in eine andere Krankheit über. In der chronischen Tobsucht kommt es vorzüglich darauf an, die Geneigtheit zur Wiederkehr der Paroxismen zu heben. Sie ähnelt in dieser Rücksicht den akuten und chro- nischen Fallsuchten. Zuvörderst muss man ihre entfernten Ursachen wegräumen, dann die er- höhte Erregbarkeit direct zu dämpfen suchen, und endlich, in der chronischen Tobsucht, die Geneigtheit zur Wiederkehr der Paroxismen he- ben. Dazu, und besonders zur Ausführung der ersten und letzten Kurregel scheinen nicht sowohl psychische Mittel, als vorzüglich Arzneien geeig- net zu seyn. Doch gehn diese mich nichts an. Ich habe bloss von dem Gebrauch der psychischen Mittel und zwar von ihrem direkten Gebrauch, wider die Raserey selbst, zu sprechen, so fern sie vorzüglich nur für diesen Fall zu passen schei- nen. Zu diesem Behuf muss man in der Regel der im Inneren vorhandenen Erregung
Selbſt der mäſsige Genuſs deſſelben ſoll ſie in kurzer Zeit hervorbringen.
Die Kur der Tobſucht bedarf noch ei- ner groſsen Läuterung. Viele Beobachtungen über dieſelbe ſind unbrauchbar, weil ſie ſich auf kein haltbares Object, ſondern bald auf die wahre Raſerey, bald auf jede andere Geiſteszerrüttung beziehn, die mit heftigen Handlungen verbunden war. In der Phreneſie entſcheidet ſie ſich, als akute Krankheit, durch ſich ſelbſt, zur Gene- ſung oder zum Tode, oder ſie geht in eine andere Krankheit über. In der chroniſchen Tobſucht kommt es vorzüglich darauf an, die Geneigtheit zur Wiederkehr der Paroxiſmen zu heben. Sie ähnelt in dieſer Rückſicht den akuten und chro- niſchen Fallſuchten. Zuvörderſt muſs man ihre entfernten Urſachen wegräumen, dann die er- höhte Erregbarkeit direct zu dämpfen ſuchen, und endlich, in der chroniſchen Tobſucht, die Geneigtheit zur Wiederkehr der Paroxiſmen he- ben. Dazu, und beſonders zur Ausführung der erſten und letzten Kurregel ſcheinen nicht ſowohl pſychiſche Mittel, als vorzüglich Arzneien geeig- net zu ſeyn. Doch gehn dieſe mich nichts an. Ich habe bloſs von dem Gebrauch der pſychiſchen Mittel und zwar von ihrem direkten Gebrauch, wider die Raſerey ſelbſt, zu ſprechen, ſo fern ſie vorzüglich nur für dieſen Fall zu paſſen ſchei- nen. Zu dieſem Behuf muſs man in der Regel der im Inneren vorhandenen Erregung
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Selbſt der mäſsige Genuſs deſſelben ſoll ſie in
kurzer Zeit hervorbringen.
Die Kur der Tobſucht bedarf noch ei-
ner groſsen Läuterung. Viele Beobachtungen
über dieſelbe ſind unbrauchbar, weil ſie ſich auf
kein haltbares Object, ſondern bald auf die wahre
Raſerey, bald auf jede andere Geiſteszerrüttung
beziehn, die mit heftigen Handlungen verbunden
war. In der Phreneſie entſcheidet ſie ſich, als
akute Krankheit, durch ſich ſelbſt, zur Gene-
ſung oder zum Tode, oder ſie geht in eine andere
Krankheit über. In der chroniſchen Tobſucht
kommt es vorzüglich darauf an, die Geneigtheit
zur Wiederkehr der Paroxiſmen zu heben. Sie
ähnelt in dieſer Rückſicht den akuten und chro-
niſchen Fallſuchten. Zuvörderſt muſs man ihre
entfernten Urſachen wegräumen, dann die er-
höhte Erregbarkeit direct zu dämpfen ſuchen,
und endlich, in der chroniſchen Tobſucht, die
Geneigtheit zur Wiederkehr der Paroxiſmen he-
ben. Dazu, und beſonders zur Ausführung der
erſten und letzten Kurregel ſcheinen nicht ſowohl
pſychiſche Mittel, als vorzüglich Arzneien geeig-
net zu ſeyn. Doch gehn dieſe mich nichts an.
Ich habe bloſs von dem Gebrauch der pſychiſchen
Mittel und zwar von ihrem direkten Gebrauch,
wider die Raſerey ſelbſt, zu ſprechen, ſo fern
ſie vorzüglich nur für dieſen Fall zu paſſen ſchei-
nen. Zu dieſem Behuf muſs man in der Regel
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/386>, abgerufen am 28.11.2024.
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