Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

wegen Untreue in seinen Geschäfften bey dem
Landesherrn verdächtig machen. Er nahm sei-
nen Abschied, ging in ferne Länder, aber über-
all sah er sich von Fallstricken seiner Feinde um-
geben. Er kehrte zurück, weil er nirgends
Ruhe fand, schloss sich ein, brachte zwanzig
Jahre in diesem Zustande hin, und da er so lange
Zeit ausser Diensten war, so änderte sich seine
Idee zuletzt dahin ab, dass man nun seinem Le-
benswandel nachspüre *). Ein alter Mann, der
einer Kasse vorstand, glaubte an Defekte in der-
selben, ob sie gleich in Ordnung war, und er-
säufte sich, als eine Kommission in seine Nähe
kam, von welcher er sich einbildete, sie sey zur
Untersuchung seines Rechnungswesens herge-
kommen. Ein gewisser Klug bildete sich ein,
er habe des Königs Friedrich des Zweiten Re-
ligiosität in einer öffentlichen Schrift getadelt und
denselben dadurch so aufgebracht, dass er alles
anwende, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Er
sperrte sich in seine Stube ein, verwahrte die
Thür mit eisernen Stangen und Stricken, bewaff-
nete sich mit Flinten und Pistolen, und brachte
Schiessscharten zur Vertheidigung in derselben
an. Den Ofen band er mit Ketten und Stricken,
damit keiner durchbrechen könne, und baute sich
einen neuen, den er innerhalb der Stube heizte,
und zugleich zum Kochen und Braten gebrauchte.

*) Moritz Magazin, 1 B. 2 Heft. 7 S.

wegen Untreue in ſeinen Geſchäfften bey dem
Landesherrn verdächtig machen. Er nahm ſei-
nen Abſchied, ging in ferne Länder, aber über-
all ſah er ſich von Fallſtricken ſeiner Feinde um-
geben. Er kehrte zurück, weil er nirgends
Ruhe fand, ſchloſs ſich ein, brachte zwanzig
Jahre in dieſem Zuſtande hin, und da er ſo lange
Zeit auſser Dienſten war, ſo änderte ſich ſeine
Idee zuletzt dahin ab, daſs man nun ſeinem Le-
benswandel nachſpüre *). Ein alter Mann, der
einer Kaſſe vorſtand, glaubte an Defekte in der-
ſelben, ob ſie gleich in Ordnung war, und er-
ſäufte ſich, als eine Kommiſſion in ſeine Nähe
kam, von welcher er ſich einbildete, ſie ſey zur
Unterſuchung ſeines Rechnungsweſens herge-
kommen. Ein gewiſſer Klug bildete ſich ein,
er habe des Königs Friedrich des Zweiten Re-
ligioſität in einer öffentlichen Schrift getadelt und
denſelben dadurch ſo aufgebracht, daſs er alles
anwende, ihn in ſeine Gewalt zu bekommen. Er
ſperrte ſich in ſeine Stube ein, verwahrte die
Thür mit eiſernen Stangen und Stricken, bewaff-
nete ſich mit Flinten und Piſtolen, und brachte
Schieſsſcharten zur Vertheidigung in derſelben
an. Den Ofen band er mit Ketten und Stricken,
damit keiner durchbrechen könne, und baute ſich
einen neuen, den er innerhalb der Stube heizte,
und zugleich zum Kochen und Braten gebrauchte.

*) Moritz Magazin, 1 B. 2 Heft. 7 S.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0340" n="335"/>
wegen Untreue in &#x017F;einen Ge&#x017F;chäfften bey dem<lb/>
Landesherrn verdächtig machen. Er nahm &#x017F;ei-<lb/>
nen Ab&#x017F;chied, ging in ferne Länder, aber über-<lb/>
all &#x017F;ah er &#x017F;ich von Fall&#x017F;tricken &#x017F;einer Feinde um-<lb/>
geben. Er kehrte zurück, weil er nirgends<lb/>
Ruhe fand, &#x017F;chlo&#x017F;s &#x017F;ich ein, brachte zwanzig<lb/>
Jahre in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande hin, und da er &#x017F;o lange<lb/>
Zeit au&#x017F;ser Dien&#x017F;ten war, &#x017F;o änderte &#x017F;ich &#x017F;eine<lb/>
Idee zuletzt dahin ab, da&#x017F;s man nun &#x017F;einem Le-<lb/>
benswandel nach&#x017F;püre <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Moritz</hi> Magazin, 1 B. 2 Heft. 7 S.</note>. Ein alter Mann, der<lb/>
einer Ka&#x017F;&#x017F;e vor&#x017F;tand, glaubte an Defekte in der-<lb/>
&#x017F;elben, ob &#x017F;ie gleich in Ordnung war, und er-<lb/>
&#x017F;äufte &#x017F;ich, als eine Kommi&#x017F;&#x017F;ion in &#x017F;eine Nähe<lb/>
kam, von welcher er &#x017F;ich einbildete, &#x017F;ie &#x017F;ey zur<lb/>
Unter&#x017F;uchung &#x017F;eines Rechnungswe&#x017F;ens herge-<lb/>
kommen. Ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#g">Klug</hi> bildete &#x017F;ich ein,<lb/>
er habe des Königs <hi rendition="#g">Friedrich</hi> des Zweiten Re-<lb/>
ligio&#x017F;ität in einer öffentlichen Schrift getadelt und<lb/>
den&#x017F;elben dadurch &#x017F;o aufgebracht, da&#x017F;s er alles<lb/>
anwende, ihn in &#x017F;eine Gewalt zu bekommen. Er<lb/>
&#x017F;perrte &#x017F;ich in &#x017F;eine Stube ein, verwahrte die<lb/>
Thür mit ei&#x017F;ernen Stangen und Stricken, bewaff-<lb/>
nete &#x017F;ich mit Flinten und Pi&#x017F;tolen, und brachte<lb/>
Schie&#x017F;s&#x017F;charten zur Vertheidigung in der&#x017F;elben<lb/>
an. Den Ofen band er mit Ketten und Stricken,<lb/>
damit keiner durchbrechen könne, und baute &#x017F;ich<lb/>
einen neuen, den er innerhalb der Stube heizte,<lb/>
und zugleich zum Kochen und Braten gebrauchte.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0340] wegen Untreue in ſeinen Geſchäfften bey dem Landesherrn verdächtig machen. Er nahm ſei- nen Abſchied, ging in ferne Länder, aber über- all ſah er ſich von Fallſtricken ſeiner Feinde um- geben. Er kehrte zurück, weil er nirgends Ruhe fand, ſchloſs ſich ein, brachte zwanzig Jahre in dieſem Zuſtande hin, und da er ſo lange Zeit auſser Dienſten war, ſo änderte ſich ſeine Idee zuletzt dahin ab, daſs man nun ſeinem Le- benswandel nachſpüre *). Ein alter Mann, der einer Kaſſe vorſtand, glaubte an Defekte in der- ſelben, ob ſie gleich in Ordnung war, und er- ſäufte ſich, als eine Kommiſſion in ſeine Nähe kam, von welcher er ſich einbildete, ſie ſey zur Unterſuchung ſeines Rechnungsweſens herge- kommen. Ein gewiſſer Klug bildete ſich ein, er habe des Königs Friedrich des Zweiten Re- ligioſität in einer öffentlichen Schrift getadelt und denſelben dadurch ſo aufgebracht, daſs er alles anwende, ihn in ſeine Gewalt zu bekommen. Er ſperrte ſich in ſeine Stube ein, verwahrte die Thür mit eiſernen Stangen und Stricken, bewaff- nete ſich mit Flinten und Piſtolen, und brachte Schieſsſcharten zur Vertheidigung in derſelben an. Den Ofen band er mit Ketten und Stricken, damit keiner durchbrechen könne, und baute ſich einen neuen, den er innerhalb der Stube heizte, und zugleich zum Kochen und Braten gebrauchte. *) Moritz Magazin, 1 B. 2 Heft. 7 S.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/340
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/340>, abgerufen am 22.11.2024.