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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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scheus, den er nicht entfernen, oder ein Gut be-
trifft, das er nicht erreichen zu können glaubt.
Bald bringt sie gehässige Leidenschaften, mit
Trieb zum Handlen, Hass, Rachsucht, Wuth
hervor, wenn er die Unerreichbarkeit seines
Zwecks nicht in die Sache selbst, sondern in
äussere Ursachen setzt. Bald erregt sie Frohsinn
und eine bachanalische Freude, wenn der Kranke
den Werth seines Phantoms hoch anschlägt und
er bereits im Besitz desselben zu seyn glaubt. So
war der Wahnsinn des Kranken, der sich einbil-
dete schöne Schauspiele zu sehn *), des Thra-
sylaus
, der alle Schiffe in dem Hafen von Athen
für die seinigen hielt **), des Professor Titel ***),
welcher römischer Kaiser und des Pater Sgam-
bari
+), der Kardinal zu seyn glaubte, zuver-
lässig mit frohen Gefühlen verbunden. Endlich
giebt es noch fixe Ideen, die keine unmittelbare
Beziehung auf den Kranken haben und daher
mit keinen hervorstechenden Leidenschaften ver-
bunden sind. Der Art war der Wahn einer Frau,

*) Hic ubi cognatorum opibus curisque refectus
Expulit Helleboro morbum bilemque meraco,
Et rediit ad se. Pol me occidistis, amici,
Non servastis, ait; cui sic extorta voluptas,
Et demptus per vim mentis gratissimus error.
Horatii Epist. L. II. epist. 2.
**) Athenaeus Deipnosoph. Lib. XII.
***) Wagners Beitr. 1. B. 114 S.
+) Muratori l. c. 2. Th. 8. S.

ſcheus, den er nicht entfernen, oder ein Gut be-
trifft, das er nicht erreichen zu können glaubt.
Bald bringt ſie gehäſſige Leidenſchaften, mit
Trieb zum Handlen, Haſs, Rachſucht, Wuth
hervor, wenn er die Unerreichbarkeit ſeines
Zwecks nicht in die Sache ſelbſt, ſondern in
äuſsere Urſachen ſetzt. Bald erregt ſie Frohſinn
und eine bachanaliſche Freude, wenn der Kranke
den Werth ſeines Phantoms hoch anſchlägt und
er bereits im Beſitz deſſelben zu ſeyn glaubt. So
war der Wahnſinn des Kranken, der ſich einbil-
dete ſchöne Schauſpiele zu ſehn *), des Thra-
ſylaus
, der alle Schiffe in dem Hafen von Athen
für die ſeinigen hielt **), des Profeſſor Titel ***),
welcher römiſcher Kaiſer und des Pater Sgam-
bari
†), der Kardinal zu ſeyn glaubte, zuver-
läſſig mit frohen Gefühlen verbunden. Endlich
giebt es noch fixe Ideen, die keine unmittelbare
Beziehung auf den Kranken haben und daher
mit keinen hervorſtechenden Leidenſchaften ver-
bunden ſind. Der Art war der Wahn einer Frau,

*) Hic ubi cognatorum opibus curisque refectus
Expulit Helleboro morbum bilemque meraco,
Et rediit ad ſe. Pol me occidiſtis, amici,
Non ſervaſtis, ait; cui ſic extorta voluptas,
Et demptus per vim mentis gratiſſimus error.
Horatii Epiſt. L. II. epiſt. 2.
**) Athenaeus Deipnoſoph. Lib. XII.
***) Wagners Beitr. 1. B. 114 S.
†) Muratori l. c. 2. Th. 8. S.
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[312/0317] ſcheus, den er nicht entfernen, oder ein Gut be- trifft, das er nicht erreichen zu können glaubt. Bald bringt ſie gehäſſige Leidenſchaften, mit Trieb zum Handlen, Haſs, Rachſucht, Wuth hervor, wenn er die Unerreichbarkeit ſeines Zwecks nicht in die Sache ſelbſt, ſondern in äuſsere Urſachen ſetzt. Bald erregt ſie Frohſinn und eine bachanaliſche Freude, wenn der Kranke den Werth ſeines Phantoms hoch anſchlägt und er bereits im Beſitz deſſelben zu ſeyn glaubt. So war der Wahnſinn des Kranken, der ſich einbil- dete ſchöne Schauſpiele zu ſehn *), des Thra- ſylaus, der alle Schiffe in dem Hafen von Athen für die ſeinigen hielt **), des Profeſſor Titel ***), welcher römiſcher Kaiſer und des Pater Sgam- bari †), der Kardinal zu ſeyn glaubte, zuver- läſſig mit frohen Gefühlen verbunden. Endlich giebt es noch fixe Ideen, die keine unmittelbare Beziehung auf den Kranken haben und daher mit keinen hervorſtechenden Leidenſchaften ver- bunden ſind. Der Art war der Wahn einer Frau, *) Hic ubi cognatorum opibus curisque refectus Expulit Helleboro morbum bilemque meraco, Et rediit ad ſe. Pol me occidiſtis, amici, Non ſervaſtis, ait; cui ſic extorta voluptas, Et demptus per vim mentis gratiſſimus error. Horatii Epiſt. L. II. epiſt. 2. **) Athenaeus Deipnoſoph. Lib. XII. ***) Wagners Beitr. 1. B. 114 S. †) Muratori l. c. 2. Th. 8. S.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/317>, abgerufen am 22.11.2024.