Leiden erschlafft das Muskelsystem, es entstehn Mattigkeit, Ohnmacht und Schwere des Kopfs, der Seele fehlt es an Aufmerksamkeit, Denkkraft, Festigkeit in ihren Entschlüssen; sie ist wie in ei- nen Nebel gehüllt.
Noch grösser scheint der Einfluss des Sonnengeflechts aufs Gehirn zu seyn. Es entsteht durch zwey halbmondförmige Bogen des Oberbauchgeflechts und des oberen Gekrösge- flechts, in deren Mitte mehrere Knoten liegen, die es gleich einer strahligten Sonne umgiebt. In ihm verweben sich die Stimmnerven, die splanch- nischen Nerven und Aeste des Intercostalnerven. Leidet diese Gegend, das Gallen-Organ, das System der Pfortader, Leber, Milz und Darm- kanal an dynamischen oder organischen Krank- heiten; so wechselt die Laune ohne äussere Ver- anlassung. Der Kranke ist niedergeschlagen, unmuthig, haftet auf Kleinigkeiten, besonders in Rücksicht des eignen Körpers, schwankt zwischen Muth und Muthlofigkeit, Furcht und Hoffnung. Die Phantasie klebt an fixe Ideen, ängstliche Bil- der und heckt die sonderbarsten Missgeburten aus. Die Seele ist scheu, düster, versteckt, hartnäckig in ihren Entschlüssen und mit ganzer Kraft ange- heftet an einzelne Gegenstände, bis sie erschöpft sind. Auch scheint diese Gegend auf das Tem- perament der Menschen und dies auf die Con-
Leiden erſchlafft das Muskelſyſtem, es entſtehn Mattigkeit, Ohnmacht und Schwere des Kopfs, der Seele fehlt es an Aufmerkſamkeit, Denkkraft, Feſtigkeit in ihren Entſchlüſſen; ſie iſt wie in ei- nen Nebel gehüllt.
Noch gröſser ſcheint der Einfluſs des Sonnengeflechts aufs Gehirn zu ſeyn. Es entſteht durch zwey halbmondförmige Bogen des Oberbauchgeflechts und des oberen Gekrösge- flechts, in deren Mitte mehrere Knoten liegen, die es gleich einer ſtrahligten Sonne umgiebt. In ihm verweben ſich die Stimmnerven, die ſplanch- niſchen Nerven und Aeſte des Intercoſtalnerven. Leidet dieſe Gegend, das Gallen-Organ, das Syſtem der Pfortader, Leber, Milz und Darm- kanal an dynamiſchen oder organiſchen Krank- heiten; ſo wechſelt die Laune ohne äuſsere Ver- anlaſſung. Der Kranke iſt niedergeſchlagen, unmuthig, haftet auf Kleinigkeiten, beſonders in Rückſicht des eignen Körpers, ſchwankt zwiſchen Muth und Muthlofigkeit, Furcht und Hoffnung. Die Phantaſie klebt an fixe Ideen, ängſtliche Bil- der und heckt die ſonderbarſten Miſsgeburten aus. Die Seele iſt ſcheu, düſter, verſteckt, hartnäckig in ihren Entſchlüſſen und mit ganzer Kraft ange- heftet an einzelne Gegenſtände, bis ſie erſchöpft ſind. Auch ſcheint dieſe Gegend auf das Tem- perament der Menſchen und dies auf die Con-
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Leiden erſchlafft das Muskelſyſtem, es entſtehn
Mattigkeit, Ohnmacht und Schwere des Kopfs,
der Seele fehlt es an Aufmerkſamkeit, Denkkraft,
Feſtigkeit in ihren Entſchlüſſen; ſie iſt wie in ei-
nen Nebel gehüllt.
Noch gröſser ſcheint der Einfluſs des
Sonnengeflechts aufs Gehirn zu ſeyn. Es
entſteht durch zwey halbmondförmige Bogen des
Oberbauchgeflechts und des oberen Gekrösge-
flechts, in deren Mitte mehrere Knoten liegen, die
es gleich einer ſtrahligten Sonne umgiebt. In
ihm verweben ſich die Stimmnerven, die ſplanch-
niſchen Nerven und Aeſte des Intercoſtalnerven.
Leidet dieſe Gegend, das Gallen-Organ, das
Syſtem der Pfortader, Leber, Milz und Darm-
kanal an dynamiſchen oder organiſchen Krank-
heiten; ſo wechſelt die Laune ohne äuſsere Ver-
anlaſſung. Der Kranke iſt niedergeſchlagen,
unmuthig, haftet auf Kleinigkeiten, beſonders in
Rückſicht des eignen Körpers, ſchwankt zwiſchen
Muth und Muthlofigkeit, Furcht und Hoffnung.
Die Phantaſie klebt an fixe Ideen, ängſtliche Bil-
der und heckt die ſonderbarſten Miſsgeburten aus.
Die Seele iſt ſcheu, düſter, verſteckt, hartnäckig
in ihren Entſchlüſſen und mit ganzer Kraft ange-
heftet an einzelne Gegenſtände, bis ſie erſchöpft
ſind. Auch ſcheint dieſe Gegend auf das Tem-
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/269>, abgerufen am 25.11.2024.
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