wig der XVIte sey. Diese Schmeicheley bewog ihn, die andern mit Verachtung zu verlassen, und der Streit hatte ein Ende. Ein anderes mal wur- de ein junger Mensch, der mehrere Monate ruhig gewesen war, plötzlich von einem Anfall seiner Raserey befallen. Er schlich sich in die Küche, nahm das Hackemesser, sprang auf einen Tisch, und drohete jedem den Kopf einzuschlagen, der sich ihm nähern würde. Die Pussin nahm auf der Stelle folgende Wendung: sie schalt ihre Leute, dass sie den Kranken hinderten, mit ihr zu arbei- ten, redete ihm sanft zu, zu ihr zu kommen, und zeigte ihm, wie er sein Instrument gebrauchen müsste. In diesem Augenblick griffen die An- wesenden zu, entwaffneten ihn, und brachten ihn in Verwahrung *). Ein wahnsinniger Soldat in Bicetre wurde wild, weil man ihn nicht, wie es ihm träumte, zur Armee zurückgehen lassen wollte. Er zerriss alles und musste in Banden gelegt wer- den. Man liess ihn acht Tage lang in dieser Lage seine Wuth ausschnauben. Nun kehrte er in sich und sahe ein, dass er zu ohnmächtig sey, seinem Eigensinn zu folgen. Eines Morgens, als der Vorsteher die Runde machte, bat er denselben in einem demüthigen Ton, ihn loszulassen, wenn er ruhig seyn würde. Dies geschah und der Kranke genas **). Ein anderer wollte keine Nahrungs- mittel zu sich nehmen. Herr Pussin näherte
*)Pinel l. c. 101 S.
**)Pinel l. c. 63 S.
wig der XVIte ſey. Dieſe Schmeicheley bewog ihn, die andern mit Verachtung zu verlaſſen, und der Streit hatte ein Ende. Ein anderes mal wur- de ein junger Menſch, der mehrere Monate ruhig geweſen war, plötzlich von einem Anfall ſeiner Raſerey befallen. Er ſchlich ſich in die Küche, nahm das Hackemeſſer, ſprang auf einen Tiſch, und drohete jedem den Kopf einzuſchlagen, der ſich ihm nähern würde. Die Puſſin nahm auf der Stelle folgende Wendung: ſie ſchalt ihre Leute, daſs ſie den Kranken hinderten, mit ihr zu arbei- ten, redete ihm ſanft zu, zu ihr zu kommen, und zeigte ihm, wie er ſein Inſtrument gebrauchen müſste. In dieſem Augenblick griffen die An- weſenden zu, entwaffneten ihn, und brachten ihn in Verwahrung *). Ein wahnſinniger Soldat in Bicetre wurde wild, weil man ihn nicht, wie es ihm träumte, zur Armee zurückgehen laſſen wollte. Er zerriſs alles und muſste in Banden gelegt wer- den. Man lieſs ihn acht Tage lang in dieſer Lage ſeine Wuth ausſchnauben. Nun kehrte er in ſich und ſahe ein, daſs er zu ohnmächtig ſey, ſeinem Eigenſinn zu folgen. Eines Morgens, als der Vorſteher die Runde machte, bat er denſelben in einem demüthigen Ton, ihn loszulaſſen, wenn er ruhig ſeyn würde. Dies geſchah und der Kranke genas **). Ein anderer wollte keine Nahrungs- mittel zu ſich nehmen. Herr Puſſin näherte
*)Pinel l. c. 101 S.
**)Pinel l. c. 63 S.
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wig der XVIte ſey. Dieſe Schmeicheley bewog
ihn, die andern mit Verachtung zu verlaſſen, und
der Streit hatte ein Ende. Ein anderes mal wur-
de ein junger Menſch, der mehrere Monate ruhig
geweſen war, plötzlich von einem Anfall ſeiner
Raſerey befallen. Er ſchlich ſich in die Küche,
nahm das Hackemeſſer, ſprang auf einen Tiſch,
und drohete jedem den Kopf einzuſchlagen, der
ſich ihm nähern würde. Die Puſſin nahm auf
der Stelle folgende Wendung: ſie ſchalt ihre Leute,
daſs ſie den Kranken hinderten, mit ihr zu arbei-
ten, redete ihm ſanft zu, zu ihr zu kommen, und
zeigte ihm, wie er ſein Inſtrument gebrauchen
müſste. In dieſem Augenblick griffen die An-
weſenden zu, entwaffneten ihn, und brachten
ihn in Verwahrung *). Ein wahnſinniger Soldat in
Bicetre wurde wild, weil man ihn nicht, wie es
ihm träumte, zur Armee zurückgehen laſſen wollte.
Er zerriſs alles und muſste in Banden gelegt wer-
den. Man lieſs ihn acht Tage lang in dieſer Lage
ſeine Wuth ausſchnauben. Nun kehrte er in ſich
und ſahe ein, daſs er zu ohnmächtig ſey, ſeinem
Eigenſinn zu folgen. Eines Morgens, als der
Vorſteher die Runde machte, bat er denſelben in
einem demüthigen Ton, ihn loszulaſſen, wenn er
ruhig ſeyn würde. Dies geſchah und der Kranke
genas **). Ein anderer wollte keine Nahrungs-
mittel zu ſich nehmen. Herr Puſſin näherte
*) Pinel l. c. 101 S.
**) Pinel l. c. 63 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/236>, abgerufen am 24.12.2024.
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