Die Vorbereitung zur psychischen Cur muss durchgehends auch durch psychische Mittel ver- anstaltet werden. Durch sie beabsichtigen wir einen doppelten Zweck. Theils soll sie die Besonnenheit des Kranken wecken, theils denselben zum Gehorsam nöthi- gen. Beides erreichen wir, mit geringen Modi- fikationen, meistens durch einerley Mittel und auf dem nemlichen Wege. Durch starke und schmerzhafte Eindrücke erzwingen wir des Kran- ken Aufmerksamkeit, gewöhnen ihn an unbe- dingten Gehorsam und prägen seinem Herzen das Gefühl der Nothwendigkeit unauslöschlich ein. Der Wille seiner Vorgesetzten muss ein so festes und unabänderliches Gesetz für ihn seyn, dass es ihm eben so wenig einfällt, sich demselben zu widersetzen, als wider die Elemente zu kämpfen. Die Vortheile dieser Vorbereitung zur Erreichung des Zwecks der Cur sind ausnehmend gross. Durch Gehorsam und wiedergeweckte Besonnen- heit muss der Kranke erst empfänglich für alle künftige Operationen gemacht werden. Sie sind also gleichsam die Grundlage des gesammten Heil- geschäffts.
Die Mittel zur Erreichung beider Zwecke, Besonnenheit zu wecken und Gehorsam zu er- zwingen, richten sich nach der Individualität des Kranken, dem Grad und der Art seiner Krank- heit nach seiner Erziehung, seinen Gefühlen, kurz nach seinen sämmtlichen inneren Bestimmungen.
Die Vorbereitung zur pſychiſchen Cur muſs durchgehends auch durch pſychiſche Mittel ver- anſtaltet werden. Durch ſie beabſichtigen wir einen doppelten Zweck. Theils ſoll ſie die Beſonnenheit des Kranken wecken, theils denſelben zum Gehorſam nöthi- gen. Beides erreichen wir, mit geringen Modi- fikationen, meiſtens durch einerley Mittel und auf dem nemlichen Wege. Durch ſtarke und ſchmerzhafte Eindrücke erzwingen wir des Kran- ken Aufmerkſamkeit, gewöhnen ihn an unbe- dingten Gehorſam und prägen ſeinem Herzen das Gefühl der Nothwendigkeit unauslöſchlich ein. Der Wille ſeiner Vorgeſetzten muſs ein ſo feſtes und unabänderliches Geſetz für ihn ſeyn, daſs es ihm eben ſo wenig einfällt, ſich demſelben zu widerſetzen, als wider die Elemente zu kämpfen. Die Vortheile dieſer Vorbereitung zur Erreichung des Zwecks der Cur ſind ausnehmend groſs. Durch Gehorſam und wiedergeweckte Beſonnen- heit muſs der Kranke erſt empfänglich für alle künftige Operationen gemacht werden. Sie ſind alſo gleichſam die Grundlage des geſammten Heil- geſchäffts.
Die Mittel zur Erreichung beider Zwecke, Beſonnenheit zu wecken und Gehorſam zu er- zwingen, richten ſich nach der Individualität des Kranken, dem Grad und der Art ſeiner Krank- heit nach ſeiner Erziehung, ſeinen Gefühlen, kurz nach ſeinen ſämmtlichen inneren Beſtimmungen.
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Die Vorbereitung zur pſychiſchen Cur muſs
durchgehends auch durch pſychiſche Mittel ver-
anſtaltet werden. Durch ſie beabſichtigen wir
einen doppelten Zweck. Theils ſoll ſie die
Beſonnenheit des Kranken wecken,
theils denſelben zum Gehorſam nöthi-
gen. Beides erreichen wir, mit geringen Modi-
fikationen, meiſtens durch einerley Mittel und
auf dem nemlichen Wege. Durch ſtarke und
ſchmerzhafte Eindrücke erzwingen wir des Kran-
ken Aufmerkſamkeit, gewöhnen ihn an unbe-
dingten Gehorſam und prägen ſeinem Herzen das
Gefühl der Nothwendigkeit unauslöſchlich ein.
Der Wille ſeiner Vorgeſetzten muſs ein ſo feſtes
und unabänderliches Geſetz für ihn ſeyn, daſs es
ihm eben ſo wenig einfällt, ſich demſelben zu
widerſetzen, als wider die Elemente zu kämpfen.
Die Vortheile dieſer Vorbereitung zur Erreichung
des Zwecks der Cur ſind ausnehmend groſs.
Durch Gehorſam und wiedergeweckte Beſonnen-
heit muſs der Kranke erſt empfänglich für alle
künftige Operationen gemacht werden. Sie ſind
alſo gleichſam die Grundlage des geſammten Heil-
geſchäffts.
Die Mittel zur Erreichung beider Zwecke,
Beſonnenheit zu wecken und Gehorſam zu er-
zwingen, richten ſich nach der Individualität des
Kranken, dem Grad und der Art ſeiner Krank-
heit nach ſeiner Erziehung, ſeinen Gefühlen, kurz
nach ſeinen ſämmtlichen inneren Beſtimmungen.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/228>, abgerufen am 22.12.2024.
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