und Bewegung, die durch diese Wirksamkeit producirt wird. Allein was sind denn geistige Gefühle? Zuverlässig Phänomene verschiedener Natur, wenn ich nemlich bey dem Wirken der Einbildungskraft und des Verstandes von den gleichzeitigen Spielen absehe, die im Gehirn vor- handen sind. Es sind also Anschauungen der Objekte ohne Gefühle; und Gefühle ohne An- schauung eines Objects möglich. Das erste, wenn die Action habituell ist; das letzte, wenn die Nerven ihre eignen und eigenmächtig entstande- nen Zustände vorstellen oder durch Reize, z. B. durch innere Theile des Körpers, erregt sind, die nicht vorgestellt werden können.
Geistige Gefühle sind Produkte einer freien oder gehinderten Wirksamkeit unserer Seelenver- mögen, und beziehen sich entweder auf unsere theoretischen Erkenntnisse, auf den Geschmack, oder auf unsern moralischen Sinn. Wir empfin- den es mit Lust, wenn unsere Einbildungskraft durch ein leichtes Spiel producirt, Vorstellungen erneuert, die ehemals mit Vergnügen verknüpft waren, der Verstand ohne Hindernisse wirksam ist, oder dieselben, wenn sie äussere sind, leicht besiegt, wenn unsere körperlichen und Seelen- Vollkommenheiten uns vorgestellt, unsere Wün- sche erfüllt werden, und unsere Aussenverhält- nisse der Art sind, dass sie unsere Vorsätze unterstützen. Hingegen empfinden wir es mit Unlust, wenn das Spiel der Imaginations-
und Bewegung, die durch dieſe Wirkſamkeit producirt wird. Allein was ſind denn geiſtige Gefühle? Zuverläſſig Phänomene verſchiedener Natur, wenn ich nemlich bey dem Wirken der Einbildungskraft und des Verſtandes von den gleichzeitigen Spielen abſehe, die im Gehirn vor- handen ſind. Es ſind alſo Anſchauungen der Objekte ohne Gefühle; und Gefühle ohne An- ſchauung eines Objects möglich. Das erſte, wenn die Action habituell iſt; das letzte, wenn die Nerven ihre eignen und eigenmächtig entſtande- nen Zuſtände vorſtellen oder durch Reize, z. B. durch innere Theile des Körpers, erregt ſind, die nicht vorgeſtellt werden können.
Geiſtige Gefühle ſind Produkte einer freien oder gehinderten Wirkſamkeit unſerer Seelenver- mögen, und beziehen ſich entweder auf unſere theoretiſchen Erkenntniſſe, auf den Geſchmack, oder auf unſern moraliſchen Sinn. Wir empfin- den es mit Luſt, wenn unſere Einbildungskraft durch ein leichtes Spiel producirt, Vorſtellungen erneuert, die ehemals mit Vergnügen verknüpft waren, der Verſtand ohne Hinderniſſe wirkſam iſt, oder dieſelben, wenn ſie äuſsere ſind, leicht beſiegt, wenn unſere körperlichen und Seelen- Vollkommenheiten uns vorgeſtellt, unſere Wün- ſche erfüllt werden, und unſere Auſsenverhält- niſſe der Art ſind, daſs ſie unſere Vorſätze unterſtützen. Hingegen empfinden wir es mit Unluſt, wenn das Spiel der Imaginations-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0163"n="158"/>
und Bewegung, die durch dieſe Wirkſamkeit<lb/>
producirt wird. Allein was ſind denn <hirendition="#g">geiſtige<lb/>
Gefühle</hi>? Zuverläſſig Phänomene verſchiedener<lb/>
Natur, wenn ich nemlich bey dem Wirken der<lb/>
Einbildungskraft und des Verſtandes von den<lb/>
gleichzeitigen Spielen abſehe, die im Gehirn vor-<lb/>
handen ſind. Es ſind alſo Anſchauungen der<lb/>
Objekte ohne Gefühle; und Gefühle ohne An-<lb/>ſchauung eines Objects möglich. Das erſte, wenn<lb/>
die Action habituell iſt; das letzte, wenn die<lb/>
Nerven ihre eignen und eigenmächtig entſtande-<lb/>
nen Zuſtände vorſtellen oder durch Reize, z. B.<lb/>
durch innere Theile des Körpers, erregt ſind, die<lb/>
nicht vorgeſtellt werden können.</p><lb/><p><hirendition="#g">Geiſtige</hi> Gefühle ſind Produkte einer freien<lb/>
oder gehinderten Wirkſamkeit unſerer Seelenver-<lb/>
mögen, und beziehen ſich entweder auf unſere<lb/>
theoretiſchen Erkenntniſſe, auf den Geſchmack,<lb/>
oder auf unſern moraliſchen Sinn. Wir empfin-<lb/>
den es mit Luſt, wenn unſere Einbildungskraft<lb/>
durch ein leichtes Spiel producirt, Vorſtellungen<lb/>
erneuert, die ehemals mit Vergnügen verknüpft<lb/>
waren, der Verſtand ohne Hinderniſſe wirkſam<lb/>
iſt, oder dieſelben, wenn ſie äuſsere ſind, leicht<lb/>
beſiegt, wenn unſere körperlichen und Seelen-<lb/>
Vollkommenheiten uns vorgeſtellt, unſere Wün-<lb/>ſche erfüllt werden, und unſere Auſsenverhält-<lb/>
niſſe der Art ſind, daſs ſie unſere Vorſätze<lb/>
unterſtützen. Hingegen empfinden wir es<lb/>
mit Unluſt, wenn das Spiel der Imaginations-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0163]
und Bewegung, die durch dieſe Wirkſamkeit
producirt wird. Allein was ſind denn geiſtige
Gefühle? Zuverläſſig Phänomene verſchiedener
Natur, wenn ich nemlich bey dem Wirken der
Einbildungskraft und des Verſtandes von den
gleichzeitigen Spielen abſehe, die im Gehirn vor-
handen ſind. Es ſind alſo Anſchauungen der
Objekte ohne Gefühle; und Gefühle ohne An-
ſchauung eines Objects möglich. Das erſte, wenn
die Action habituell iſt; das letzte, wenn die
Nerven ihre eignen und eigenmächtig entſtande-
nen Zuſtände vorſtellen oder durch Reize, z. B.
durch innere Theile des Körpers, erregt ſind, die
nicht vorgeſtellt werden können.
Geiſtige Gefühle ſind Produkte einer freien
oder gehinderten Wirkſamkeit unſerer Seelenver-
mögen, und beziehen ſich entweder auf unſere
theoretiſchen Erkenntniſſe, auf den Geſchmack,
oder auf unſern moraliſchen Sinn. Wir empfin-
den es mit Luſt, wenn unſere Einbildungskraft
durch ein leichtes Spiel producirt, Vorſtellungen
erneuert, die ehemals mit Vergnügen verknüpft
waren, der Verſtand ohne Hinderniſſe wirkſam
iſt, oder dieſelben, wenn ſie äuſsere ſind, leicht
beſiegt, wenn unſere körperlichen und Seelen-
Vollkommenheiten uns vorgeſtellt, unſere Wün-
ſche erfüllt werden, und unſere Auſsenverhält-
niſſe der Art ſind, daſs ſie unſere Vorſätze
unterſtützen. Hingegen empfinden wir es
mit Unluſt, wenn das Spiel der Imaginations-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/163>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.