Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

eines Obst-Gartens.
kant, daß die Zweige der Bäume, wenn sie in
die Erde eingeschlagen werden, an stat der Augen
und Reiser kleine Wurzeln austreiben; hingegen,
daß aus der Wurzel eines Baumes, wenn man
sie auflüftet und von der Erden in etwas entblö-
set anstat der jungen Würzelchen, Augen und
Reiser hervor schiessen. Hieraus kan man er-
kennen, daß auch die ganze Krone eines Bau-
mes, wenn sie auf eine geschickte Art in die Erde
gebracht wird, einwurzeln, und hingegen die von
der Erden befreyeten Wurzeln ausschlagen müs-
sen. Und hierauf laufet auch die Erklärung des
Herrn Thümmigs hinaus, welche er p. 199. bey-
gefüget. "Es ist wahr, daß die Structur der
"Wurzeln einerley ist, mit der Structur der Ae-
"ste, beyde bestehen aus Rinde, Holz und Mark,
"ja alle diese drey Theile sind in den Wurzeln,
"wie in den Aesten. Allein dieses ist noch nicht
"genung, daß eine Wurzel ein Ast, und hinwie-
"derum ein Ast eine Wurzel werden kan. Es
"fehlet noch das vornehmste, welches den Unter-
"scheid zwischen Wurzeln und Aesten ausmachet.
"Nemlich in Wurzeln fehlen die Augen, ohne
"welche der Baum nicht ausschlagen und fort-
"wachsen kan, und in Aesten fehlen die Würzel-
"chen, ohne welche die Wurzel nicht fortkommen
"kan. Denn wie der Ast über der Erden durch
"die Augen fortwächset: so wächst die Wurzel
"unter der Erden durch die Würzelchen fort. Das
"gröste Geheimnis der Natur, welches wir hier
"zu entdecken haben, bestehet darinnen, wie die

"Wur-

eines Obſt-Gartens.
kant, daß die Zweige der Baͤume, wenn ſie in
die Erde eingeſchlagen werden, an ſtat der Augen
und Reiſer kleine Wurzeln austreiben; hingegen,
daß aus der Wurzel eines Baumes, wenn man
ſie aufluͤftet und von der Erden in etwas entbloͤ-
ſet anſtat der jungen Wuͤrzelchen, Augen und
Reiſer hervor ſchieſſen. Hieraus kan man er-
kennen, daß auch die ganze Krone eines Bau-
mes, wenn ſie auf eine geſchickte Art in die Erde
gebracht wird, einwurzeln, und hingegen die von
der Erden befreyeten Wurzeln ausſchlagen muͤſ-
ſen. Und hierauf laufet auch die Erklaͤrung des
Herrn Thuͤmmigs hinaus, welche er p. 199. bey-
gefuͤget. ”Es iſt wahr, daß die Structur der
„Wurzeln einerley iſt, mit der Structur der Ae-
„ſte, beyde beſtehen aus Rinde, Holz und Mark,
„ja alle dieſe drey Theile ſind in den Wurzeln,
„wie in den Aeſten. Allein dieſes iſt noch nicht
„genung, daß eine Wurzel ein Aſt, und hinwie-
„derum ein Aſt eine Wurzel werden kan. Es
„fehlet noch das vornehmſte, welches den Unter-
„ſcheid zwiſchen Wurzeln und Aeſten ausmachet.
„Nemlich in Wurzeln fehlen die Augen, ohne
„welche der Baum nicht ausſchlagen und fort-
„wachſen kan, und in Aeſten fehlen die Wuͤrzel-
„chen, ohne welche die Wurzel nicht fortkommen
„kan. Denn wie der Aſt uͤber der Erden durch
„die Augen fortwaͤchſet: ſo waͤchſt die Wurzel
„unter der Erden durch die Wuͤrzelchen fort. Das
„groͤſte Geheimnis der Natur, welches wir hier
„zu entdecken haben, beſtehet darinnen, wie die

„Wur-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines Ob&#x017F;t-Gartens.</hi></fw><lb/>
kant, daß die Zweige der Ba&#x0364;ume, wenn &#x017F;ie in<lb/>
die Erde einge&#x017F;chlagen werden, an &#x017F;tat der Augen<lb/>
und Rei&#x017F;er kleine Wurzeln austreiben; hingegen,<lb/>
daß aus der Wurzel eines Baumes, wenn man<lb/>
&#x017F;ie auflu&#x0364;ftet und von der Erden in etwas entblo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;et an&#x017F;tat der jungen Wu&#x0364;rzelchen, Augen und<lb/>
Rei&#x017F;er hervor &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en. Hieraus kan man er-<lb/>
kennen, daß auch die ganze Krone eines Bau-<lb/>
mes, wenn &#x017F;ie auf eine ge&#x017F;chickte Art in die Erde<lb/>
gebracht wird, einwurzeln, und hingegen die von<lb/>
der Erden befreyeten Wurzeln aus&#x017F;chlagen mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Und hierauf laufet auch die Erkla&#x0364;rung des<lb/>
Herrn Thu&#x0364;mmigs hinaus, welche er p. 199. bey-<lb/>
gefu&#x0364;get. &#x201D;Es i&#x017F;t wahr, daß die Structur der<lb/>
&#x201E;Wurzeln einerley i&#x017F;t, mit der Structur der Ae-<lb/>
&#x201E;&#x017F;te, beyde be&#x017F;tehen aus Rinde, Holz und Mark,<lb/>
&#x201E;ja alle die&#x017F;e drey Theile &#x017F;ind in den Wurzeln,<lb/>
&#x201E;wie in den Ae&#x017F;ten. Allein die&#x017F;es i&#x017F;t noch nicht<lb/>
&#x201E;genung, daß eine Wurzel ein A&#x017F;t, und hinwie-<lb/>
&#x201E;derum ein A&#x017F;t eine Wurzel werden kan. Es<lb/>
&#x201E;fehlet noch das vornehm&#x017F;te, welches den Unter-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen Wurzeln und Ae&#x017F;ten ausmachet.<lb/>
&#x201E;Nemlich in Wurzeln fehlen die Augen, ohne<lb/>
&#x201E;welche der Baum nicht aus&#x017F;chlagen und fort-<lb/>
&#x201E;wach&#x017F;en kan, und in Ae&#x017F;ten fehlen die Wu&#x0364;rzel-<lb/>
&#x201E;chen, ohne welche die Wurzel nicht fortkommen<lb/>
&#x201E;kan. Denn wie der A&#x017F;t u&#x0364;ber der Erden durch<lb/>
&#x201E;die Augen fortwa&#x0364;ch&#x017F;et: &#x017F;o wa&#x0364;ch&#x017F;t die Wurzel<lb/>
&#x201E;unter der Erden durch die Wu&#x0364;rzelchen fort. Das<lb/>
&#x201E;gro&#x0364;&#x017F;te Geheimnis der Natur, welches wir hier<lb/>
&#x201E;zu entdecken haben, be&#x017F;tehet darinnen, wie die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Wur-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0141] eines Obſt-Gartens. kant, daß die Zweige der Baͤume, wenn ſie in die Erde eingeſchlagen werden, an ſtat der Augen und Reiſer kleine Wurzeln austreiben; hingegen, daß aus der Wurzel eines Baumes, wenn man ſie aufluͤftet und von der Erden in etwas entbloͤ- ſet anſtat der jungen Wuͤrzelchen, Augen und Reiſer hervor ſchieſſen. Hieraus kan man er- kennen, daß auch die ganze Krone eines Bau- mes, wenn ſie auf eine geſchickte Art in die Erde gebracht wird, einwurzeln, und hingegen die von der Erden befreyeten Wurzeln ausſchlagen muͤſ- ſen. Und hierauf laufet auch die Erklaͤrung des Herrn Thuͤmmigs hinaus, welche er p. 199. bey- gefuͤget. ”Es iſt wahr, daß die Structur der „Wurzeln einerley iſt, mit der Structur der Ae- „ſte, beyde beſtehen aus Rinde, Holz und Mark, „ja alle dieſe drey Theile ſind in den Wurzeln, „wie in den Aeſten. Allein dieſes iſt noch nicht „genung, daß eine Wurzel ein Aſt, und hinwie- „derum ein Aſt eine Wurzel werden kan. Es „fehlet noch das vornehmſte, welches den Unter- „ſcheid zwiſchen Wurzeln und Aeſten ausmachet. „Nemlich in Wurzeln fehlen die Augen, ohne „welche der Baum nicht ausſchlagen und fort- „wachſen kan, und in Aeſten fehlen die Wuͤrzel- „chen, ohne welche die Wurzel nicht fortkommen „kan. Denn wie der Aſt uͤber der Erden durch „die Augen fortwaͤchſet: ſo waͤchſt die Wurzel „unter der Erden durch die Wuͤrzelchen fort. Das „groͤſte Geheimnis der Natur, welches wir hier „zu entdecken haben, beſtehet darinnen, wie die „Wur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/141
Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/141>, abgerufen am 28.04.2024.