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Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie setzte sich auf einen Steinhaufen nieder, der Wind seufzte durch die Lücken und Oeffnungen des Gemäuers, das Mädchen empfand ungeahnte Schauer, unheilverkündend tönte ihr Alles, die Stimme des Wassers, der Luft, des Gevögels und die ihrer eigenen Brust -- sie floh, als jagten sie die Schrecken der Hölle; die eben erst schweren Füße schienen nun beflügelt, athemlos lief sie, ohne zu wissen, wohin, nicht wagend, hinter sich zu blicken, sie wollte schreien und konnte nicht, die Kehle war ihr zugeschnürt.

Sie mochte so eine Meile in einer Stunde zurückgelegt haben, rein dem Zufall oder einem gewissen magischen Zug der Seele hingegeben, als ihr auf einem Hügel ein Licht entgegenschimmerte; jetzt erst hielt sie an im Laufe und trocknete das vom Schweiße triefende Gesicht mit der von Dornsträuchen zerfetzten Schürze. Mühsam kroch sie fast den Hügel hinan, öffnete die Thüre der Hütte, indem sie an der Schnur zog, und stürzte halb besinnungslos in eine kleine Brechstube, welche kein Vorhaus hatte. Als sie ihr irres Auge aufschlug -- erkannte sie ihre Mutter, welche bleich vor Hunger und Noth ihr jüngstes Kind wiegte und zerfetzte Hemdchen beim trüben Scheine der Lampe zusammenflickte. Die Mutter sah sie mit hohlen Augen an und schrie, ohne von ihrer Arbeit zu lassen: Hat er dich fortgejagt, und kommst du jetzt zu deiner vergessenen Mutter, weil du nichts zu fressen hast? Sieh her, was wir im Hause

sie setzte sich auf einen Steinhaufen nieder, der Wind seufzte durch die Lücken und Oeffnungen des Gemäuers, das Mädchen empfand ungeahnte Schauer, unheilverkündend tönte ihr Alles, die Stimme des Wassers, der Luft, des Gevögels und die ihrer eigenen Brust — sie floh, als jagten sie die Schrecken der Hölle; die eben erst schweren Füße schienen nun beflügelt, athemlos lief sie, ohne zu wissen, wohin, nicht wagend, hinter sich zu blicken, sie wollte schreien und konnte nicht, die Kehle war ihr zugeschnürt.

Sie mochte so eine Meile in einer Stunde zurückgelegt haben, rein dem Zufall oder einem gewissen magischen Zug der Seele hingegeben, als ihr auf einem Hügel ein Licht entgegenschimmerte; jetzt erst hielt sie an im Laufe und trocknete das vom Schweiße triefende Gesicht mit der von Dornsträuchen zerfetzten Schürze. Mühsam kroch sie fast den Hügel hinan, öffnete die Thüre der Hütte, indem sie an der Schnur zog, und stürzte halb besinnungslos in eine kleine Brechstube, welche kein Vorhaus hatte. Als sie ihr irres Auge aufschlug — erkannte sie ihre Mutter, welche bleich vor Hunger und Noth ihr jüngstes Kind wiegte und zerfetzte Hemdchen beim trüben Scheine der Lampe zusammenflickte. Die Mutter sah sie mit hohlen Augen an und schrie, ohne von ihrer Arbeit zu lassen: Hat er dich fortgejagt, und kommst du jetzt zu deiner vergessenen Mutter, weil du nichts zu fressen hast? Sieh her, was wir im Hause

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[0031] sie setzte sich auf einen Steinhaufen nieder, der Wind seufzte durch die Lücken und Oeffnungen des Gemäuers, das Mädchen empfand ungeahnte Schauer, unheilverkündend tönte ihr Alles, die Stimme des Wassers, der Luft, des Gevögels und die ihrer eigenen Brust — sie floh, als jagten sie die Schrecken der Hölle; die eben erst schweren Füße schienen nun beflügelt, athemlos lief sie, ohne zu wissen, wohin, nicht wagend, hinter sich zu blicken, sie wollte schreien und konnte nicht, die Kehle war ihr zugeschnürt. Sie mochte so eine Meile in einer Stunde zurückgelegt haben, rein dem Zufall oder einem gewissen magischen Zug der Seele hingegeben, als ihr auf einem Hügel ein Licht entgegenschimmerte; jetzt erst hielt sie an im Laufe und trocknete das vom Schweiße triefende Gesicht mit der von Dornsträuchen zerfetzten Schürze. Mühsam kroch sie fast den Hügel hinan, öffnete die Thüre der Hütte, indem sie an der Schnur zog, und stürzte halb besinnungslos in eine kleine Brechstube, welche kein Vorhaus hatte. Als sie ihr irres Auge aufschlug — erkannte sie ihre Mutter, welche bleich vor Hunger und Noth ihr jüngstes Kind wiegte und zerfetzte Hemdchen beim trüben Scheine der Lampe zusammenflickte. Die Mutter sah sie mit hohlen Augen an und schrie, ohne von ihrer Arbeit zu lassen: Hat er dich fortgejagt, und kommst du jetzt zu deiner vergessenen Mutter, weil du nichts zu fressen hast? Sieh her, was wir im Hause

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

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Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/31>, abgerufen am 24.11.2024.