Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schulzin ist todt! scherzte der Schuster. -- Sommer Hans seufzte und lächelte dabei. Sagt ihr, sie solle ja zum Frühbrod heimkommen! rief er dringlich, warf einen verschlingenden Blick auf das schöne Mädchen, dessen Busen sich hob, und ging -- zum Schuster herein. Als er eintrat, erwachte Trude und sprang erschrocken empor. Schöne Führung! sagte er zärtlich schmollend, bei Nacht in fremde Häuser schlafen gehen -- zu einem alten Soldaten. -- Hört! rief der Schuster, indem er mit dem Fuße in den Stiefel fuhr, mit Euch nehm' ich's noch auf! -- Sommer Hans erblich und schwieg betroffen, während er ein Lächeln erzwang. Als er mit Truden heimtrabte (es war ein prächtiger Frühlingsmorgen, die Vögel sangen, Thauperlen bedeckten die Wiese, die Sonne stand rein am blauen Himmel), sprang sie ihm sorglos voraus, er hatte Mühe nachzukommen und war fast athemlos, er ging mit sich zu Rathe, ob er ihr schon jetzt seine Absicht entdecken solle, aber so oft er anfangen wollte, blieb ihm das Wort in der Kehle sitzen, er verschob's bis nach dem Begräbniß. Und als es nach dem Begräbnisse war, er allein von der Kirche nach Hause ging (denn ein Leichenmahl hatte er nicht veranstaltet, Niemand begleitete ihn, auch Trude war ihm entsprungen), da klopfte sein Herz gewaltig. In der Thüre kam ihm Trude zu Gesichte, sie stand mit dem Rücken gegen ihn, ein weißes Kleid umfloß ihre schlanken Glieder, und in zwei mit Rosabändern durchflochtenen Zöpfen hing ihr üppiges Haar fast bis auf Schulzin ist todt! scherzte der Schuster. — Sommer Hans seufzte und lächelte dabei. Sagt ihr, sie solle ja zum Frühbrod heimkommen! rief er dringlich, warf einen verschlingenden Blick auf das schöne Mädchen, dessen Busen sich hob, und ging — zum Schuster herein. Als er eintrat, erwachte Trude und sprang erschrocken empor. Schöne Führung! sagte er zärtlich schmollend, bei Nacht in fremde Häuser schlafen gehen — zu einem alten Soldaten. — Hört! rief der Schuster, indem er mit dem Fuße in den Stiefel fuhr, mit Euch nehm' ich's noch auf! — Sommer Hans erblich und schwieg betroffen, während er ein Lächeln erzwang. Als er mit Truden heimtrabte (es war ein prächtiger Frühlingsmorgen, die Vögel sangen, Thauperlen bedeckten die Wiese, die Sonne stand rein am blauen Himmel), sprang sie ihm sorglos voraus, er hatte Mühe nachzukommen und war fast athemlos, er ging mit sich zu Rathe, ob er ihr schon jetzt seine Absicht entdecken solle, aber so oft er anfangen wollte, blieb ihm das Wort in der Kehle sitzen, er verschob's bis nach dem Begräbniß. Und als es nach dem Begräbnisse war, er allein von der Kirche nach Hause ging (denn ein Leichenmahl hatte er nicht veranstaltet, Niemand begleitete ihn, auch Trude war ihm entsprungen), da klopfte sein Herz gewaltig. In der Thüre kam ihm Trude zu Gesichte, sie stand mit dem Rücken gegen ihn, ein weißes Kleid umfloß ihre schlanken Glieder, und in zwei mit Rosabändern durchflochtenen Zöpfen hing ihr üppiges Haar fast bis auf <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0022"/> Schulzin ist todt! scherzte der Schuster. — Sommer Hans seufzte und lächelte dabei. Sagt ihr, sie solle ja zum Frühbrod heimkommen! rief er dringlich, warf einen verschlingenden Blick auf das schöne Mädchen, dessen Busen sich hob, und ging — zum Schuster herein.</p><lb/> <p>Als er eintrat, erwachte Trude und sprang erschrocken empor. Schöne Führung! sagte er zärtlich schmollend, bei Nacht in fremde Häuser schlafen gehen — zu einem alten Soldaten. — Hört! rief der Schuster, indem er mit dem Fuße in den Stiefel fuhr, mit Euch nehm' ich's noch auf! — Sommer Hans erblich und schwieg betroffen, während er ein Lächeln erzwang.</p><lb/> <p>Als er mit Truden heimtrabte (es war ein prächtiger Frühlingsmorgen, die Vögel sangen, Thauperlen bedeckten die Wiese, die Sonne stand rein am blauen Himmel), sprang sie ihm sorglos voraus, er hatte Mühe nachzukommen und war fast athemlos, er ging mit sich zu Rathe, ob er ihr schon jetzt seine Absicht entdecken solle, aber so oft er anfangen wollte, blieb ihm das Wort in der Kehle sitzen, er verschob's bis nach dem Begräbniß. Und als es nach dem Begräbnisse war, er allein von der Kirche nach Hause ging (denn ein Leichenmahl hatte er nicht veranstaltet, Niemand begleitete ihn, auch Trude war ihm entsprungen), da klopfte sein Herz gewaltig. In der Thüre kam ihm Trude zu Gesichte, sie stand mit dem Rücken gegen ihn, ein weißes Kleid umfloß ihre schlanken Glieder, und in zwei mit Rosabändern durchflochtenen Zöpfen hing ihr üppiges Haar fast bis auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Schulzin ist todt! scherzte der Schuster. — Sommer Hans seufzte und lächelte dabei. Sagt ihr, sie solle ja zum Frühbrod heimkommen! rief er dringlich, warf einen verschlingenden Blick auf das schöne Mädchen, dessen Busen sich hob, und ging — zum Schuster herein.
Als er eintrat, erwachte Trude und sprang erschrocken empor. Schöne Führung! sagte er zärtlich schmollend, bei Nacht in fremde Häuser schlafen gehen — zu einem alten Soldaten. — Hört! rief der Schuster, indem er mit dem Fuße in den Stiefel fuhr, mit Euch nehm' ich's noch auf! — Sommer Hans erblich und schwieg betroffen, während er ein Lächeln erzwang.
Als er mit Truden heimtrabte (es war ein prächtiger Frühlingsmorgen, die Vögel sangen, Thauperlen bedeckten die Wiese, die Sonne stand rein am blauen Himmel), sprang sie ihm sorglos voraus, er hatte Mühe nachzukommen und war fast athemlos, er ging mit sich zu Rathe, ob er ihr schon jetzt seine Absicht entdecken solle, aber so oft er anfangen wollte, blieb ihm das Wort in der Kehle sitzen, er verschob's bis nach dem Begräbniß. Und als es nach dem Begräbnisse war, er allein von der Kirche nach Hause ging (denn ein Leichenmahl hatte er nicht veranstaltet, Niemand begleitete ihn, auch Trude war ihm entsprungen), da klopfte sein Herz gewaltig. In der Thüre kam ihm Trude zu Gesichte, sie stand mit dem Rücken gegen ihn, ein weißes Kleid umfloß ihre schlanken Glieder, und in zwei mit Rosabändern durchflochtenen Zöpfen hing ihr üppiges Haar fast bis auf
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/22>, abgerufen am 16.07.2024. |