Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.krank nach Hause gefahren, behauptete die Cholera zu haben, schrie und wand sich vor Schmerzen wie ein Wurm, und in zwei Tagen war er todt. Man sagte allgemein, er habe sich vergiftet! -- Und die Wittwe? Heirathete! Wen? Den Sommer Hans! Wer war der? Ein liederlicher Schlingel, welcher, nachdem er seines Vaters Vermögen durchgebracht, im Städtchen N. einen Laden eröffnete, um ein Dutzend Kaufleute um ihre Waare zu prellen, sich aber von Ladenjungen bestehlen ließ, während er Wilddieberei trieb, aus Preußen Dinge herüber paschte, welche hier wohlfeiler zu kriegen waren, im Busch und an der Grenze erwischt ward, wacker Strafe blechen mußte, den Laden von Gläubigern geschlossen bekam, welche Wind von seinem Lebenswandel hatten, hierauf nach Strick, Flinte, Messer blinzelte, sich den Garaus zu machen und endlich -- an der Schulzin oder vielmehr ihrem Gute hangen blieb -- erstere versprach nämlich bald zu sterben; leider erfüllen sich derartige Versprechen noch seltener als die Ehegelöbnisse am Altare, und die wackere Schulzin zapfte noch Jahre lang im Weinkeller Seidel in die Gläser und Maße in die Gurgel. Sommer war auf einmal reich geworden; die ganze Umgegend prophezeite der Schulzerei nun bald ein seliges Ende -- aber sie hatte sich gründlich getäuscht! Sommer's Verschwendung war nicht nur seiner Jugend, sondern auch der Verzweiflung des Nichtbesitzenden zuzuschreiben -- weil er keinen Gulden hatte, wollte er auch keinen Kreuzer haben; er war eine trotzige Natur, krank nach Hause gefahren, behauptete die Cholera zu haben, schrie und wand sich vor Schmerzen wie ein Wurm, und in zwei Tagen war er todt. Man sagte allgemein, er habe sich vergiftet! — Und die Wittwe? Heirathete! Wen? Den Sommer Hans! Wer war der? Ein liederlicher Schlingel, welcher, nachdem er seines Vaters Vermögen durchgebracht, im Städtchen N. einen Laden eröffnete, um ein Dutzend Kaufleute um ihre Waare zu prellen, sich aber von Ladenjungen bestehlen ließ, während er Wilddieberei trieb, aus Preußen Dinge herüber paschte, welche hier wohlfeiler zu kriegen waren, im Busch und an der Grenze erwischt ward, wacker Strafe blechen mußte, den Laden von Gläubigern geschlossen bekam, welche Wind von seinem Lebenswandel hatten, hierauf nach Strick, Flinte, Messer blinzelte, sich den Garaus zu machen und endlich — an der Schulzin oder vielmehr ihrem Gute hangen blieb — erstere versprach nämlich bald zu sterben; leider erfüllen sich derartige Versprechen noch seltener als die Ehegelöbnisse am Altare, und die wackere Schulzin zapfte noch Jahre lang im Weinkeller Seidel in die Gläser und Maße in die Gurgel. Sommer war auf einmal reich geworden; die ganze Umgegend prophezeite der Schulzerei nun bald ein seliges Ende — aber sie hatte sich gründlich getäuscht! Sommer's Verschwendung war nicht nur seiner Jugend, sondern auch der Verzweiflung des Nichtbesitzenden zuzuschreiben — weil er keinen Gulden hatte, wollte er auch keinen Kreuzer haben; er war eine trotzige Natur, <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0012"/> krank nach Hause gefahren, behauptete die Cholera zu haben, schrie und wand sich vor Schmerzen wie ein Wurm, und in zwei Tagen war er todt. Man sagte allgemein, er habe sich vergiftet! — Und die Wittwe? Heirathete! Wen? Den Sommer Hans! Wer war der? Ein liederlicher Schlingel, welcher, nachdem er seines Vaters Vermögen durchgebracht, im Städtchen N. einen Laden eröffnete, um ein Dutzend Kaufleute um ihre Waare zu prellen, sich aber von Ladenjungen bestehlen ließ, während er Wilddieberei trieb, aus Preußen Dinge herüber paschte, welche hier wohlfeiler zu kriegen waren, im Busch und an der Grenze erwischt ward, wacker Strafe blechen mußte, den Laden von Gläubigern geschlossen bekam, welche Wind von seinem Lebenswandel hatten, hierauf nach Strick, Flinte, Messer blinzelte, sich den Garaus zu machen und endlich — an der Schulzin oder vielmehr ihrem Gute hangen blieb — erstere versprach nämlich bald zu sterben; leider erfüllen sich derartige Versprechen noch seltener als die Ehegelöbnisse am Altare, und die wackere Schulzin zapfte noch Jahre lang im Weinkeller Seidel in die Gläser und Maße in die Gurgel. Sommer war auf einmal reich geworden; die ganze Umgegend prophezeite der Schulzerei nun bald ein seliges Ende — aber sie hatte sich gründlich getäuscht! Sommer's Verschwendung war nicht nur seiner Jugend, sondern auch der Verzweiflung des Nichtbesitzenden zuzuschreiben — weil er keinen Gulden hatte, wollte er auch keinen Kreuzer haben; er war eine trotzige Natur,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
krank nach Hause gefahren, behauptete die Cholera zu haben, schrie und wand sich vor Schmerzen wie ein Wurm, und in zwei Tagen war er todt. Man sagte allgemein, er habe sich vergiftet! — Und die Wittwe? Heirathete! Wen? Den Sommer Hans! Wer war der? Ein liederlicher Schlingel, welcher, nachdem er seines Vaters Vermögen durchgebracht, im Städtchen N. einen Laden eröffnete, um ein Dutzend Kaufleute um ihre Waare zu prellen, sich aber von Ladenjungen bestehlen ließ, während er Wilddieberei trieb, aus Preußen Dinge herüber paschte, welche hier wohlfeiler zu kriegen waren, im Busch und an der Grenze erwischt ward, wacker Strafe blechen mußte, den Laden von Gläubigern geschlossen bekam, welche Wind von seinem Lebenswandel hatten, hierauf nach Strick, Flinte, Messer blinzelte, sich den Garaus zu machen und endlich — an der Schulzin oder vielmehr ihrem Gute hangen blieb — erstere versprach nämlich bald zu sterben; leider erfüllen sich derartige Versprechen noch seltener als die Ehegelöbnisse am Altare, und die wackere Schulzin zapfte noch Jahre lang im Weinkeller Seidel in die Gläser und Maße in die Gurgel. Sommer war auf einmal reich geworden; die ganze Umgegend prophezeite der Schulzerei nun bald ein seliges Ende — aber sie hatte sich gründlich getäuscht! Sommer's Verschwendung war nicht nur seiner Jugend, sondern auch der Verzweiflung des Nichtbesitzenden zuzuschreiben — weil er keinen Gulden hatte, wollte er auch keinen Kreuzer haben; er war eine trotzige Natur,
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/12>, abgerufen am 16.02.2025. |