Linienführung vom Fundament bis zur Reichskrone empor beruht die machtvolle Einheit des Gesammtaufbaus. Die Kuppel steht auf dem Gebäude-Körper wie die Blüthe auf dem Zweig. Und nun beobachte man die herrliche Ideensteigerung in der Axenlinie: über dem Eingang Sct. Georg, im Giebelfeld das Reichswappen, auf der Plattform die Germania und unmittelbar hinter dem Reichsgenius strebt, stufenförmig gegliedert, ein breiter Ornamentstreifen an der Kuppel aufwärts, in einer Sonnenmaske kulminirend. Darüber baut sich die Kuppellaterne auf, durchsichtig schlank und doch markig fest, die luftig vorgeschobenen Säulen sind von Strahlenkörpern gekrönt und nun noch einmal rafft sich die Architektur kompakt zusammen, um für die Reichskrone auf dem höchsten Gipfel eine unerschütterliche Grundlage zu bilden. In diesem ganzen Höhenzuge ist die Seele des Baudenkmals zum Ausdruck gekommen. Und andererseits wie intensiv hat Wallot das Problem gepackt, aus Glas, Eisen und Gold eine Monumental¬ wirkung zu erzielen! Die Kuppel hat den Zweck, dem grossen Sitzungssaal das Licht zuzuführen, eine ausgedehnte Glasfläche wurde also zur Nothwendigkeit. Da aber das Glas, weil es das Licht nicht reflektirt, sondern absorbirt, einen dunklen stumpfen Ton besitzt, trat folgerichtig das Gold als ergänzender Faktor hinzu und zwar unter demselben Gesichtspunkt, unter dem die Farbe in Binnenräumen die Klarheit und die Schönheit der konstruktiven Gedanken erhöht. Und ferner hat das Gold, als das edelste der Metalle, die monumentale Vergeistigung der Eisenrippen zu bewirken, auf weite Entfernungen hin durch seinen Glanz die tragenden und charakteristischen Theile der Kuppel zu repräsentiren. Ein wie wunderbares Gefühl von Sicherheit, Ruhe und eherner Spannkraft erzeugen diese aus dem Herzen des Bauorganismus emporwachsenden Glanzlinien und wie tiefsinnig ist die Ornamentik in den Sonnenmasken, Strahlenkörpern etc. dem innersten Wesen des Goldes angepasst! Gewiss, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Wallot gerade in der Kuppel den Gipfel¬ punkt seiner schöpferischen Kraft erreicht hat.
Linienführung vom Fundament bis zur Reichskrone empor beruht die machtvolle Einheit des Gesammtaufbaus. Die Kuppel steht auf dem Gebäude-Körper wie die Blüthe auf dem Zweig. Und nun beobachte man die herrliche Ideensteigerung in der Axenlinie: über dem Eingang Sct. Georg, im Giebelfeld das Reichswappen, auf der Plattform die Germania und unmittelbar hinter dem Reichsgenius strebt, stufenförmig gegliedert, ein breiter Ornamentstreifen an der Kuppel aufwärts, in einer Sonnenmaske kulminirend. Darüber baut sich die Kuppellaterne auf, durchsichtig schlank und doch markig fest, die luftig vorgeschobenen Säulen sind von Strahlenkörpern gekrönt und nun noch einmal rafft sich die Architektur kompakt zusammen, um für die Reichskrone auf dem höchsten Gipfel eine unerschütterliche Grundlage zu bilden. In diesem ganzen Höhenzuge ist die Seele des Baudenkmals zum Ausdruck gekommen. Und andererseits wie intensiv hat Wallot das Problem gepackt, aus Glas, Eisen und Gold eine Monumental¬ wirkung zu erzielen! Die Kuppel hat den Zweck, dem grossen Sitzungssaal das Licht zuzuführen, eine ausgedehnte Glasfläche wurde also zur Nothwendigkeit. Da aber das Glas, weil es das Licht nicht reflektirt, sondern absorbirt, einen dunklen stumpfen Ton besitzt, trat folgerichtig das Gold als ergänzender Faktor hinzu und zwar unter demselben Gesichtspunkt, unter dem die Farbe in Binnenräumen die Klarheit und die Schönheit der konstruktiven Gedanken erhöht. Und ferner hat das Gold, als das edelste der Metalle, die monumentale Vergeistigung der Eisenrippen zu bewirken, auf weite Entfernungen hin durch seinen Glanz die tragenden und charakteristischen Theile der Kuppel zu repräsentiren. Ein wie wunderbares Gefühl von Sicherheit, Ruhe und eherner Spannkraft erzeugen diese aus dem Herzen des Bauorganismus emporwachsenden Glanzlinien und wie tiefsinnig ist die Ornamentik in den Sonnenmasken, Strahlenkörpern etc. dem innersten Wesen des Goldes angepasst! Gewiss, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Wallot gerade in der Kuppel den Gipfel¬ punkt seiner schöpferischen Kraft erreicht hat.
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Linienführung vom Fundament bis zur Reichskrone empor beruht die
machtvolle Einheit des Gesammtaufbaus. Die Kuppel steht auf dem
Gebäude-Körper wie die Blüthe auf dem Zweig. Und nun beobachte
man die herrliche Ideensteigerung in der Axenlinie: über dem Eingang
Sct. Georg, im Giebelfeld das Reichswappen, auf der Plattform die
Germania und unmittelbar hinter dem Reichsgenius strebt, stufenförmig
gegliedert, ein breiter Ornamentstreifen an der Kuppel aufwärts, in einer
Sonnenmaske kulminirend. Darüber baut sich die Kuppellaterne auf,
durchsichtig schlank und doch markig fest, die luftig vorgeschobenen
Säulen sind von Strahlenkörpern gekrönt und nun noch einmal rafft
sich die Architektur kompakt zusammen, um für die Reichskrone
auf dem höchsten Gipfel eine unerschütterliche Grundlage zu bilden.
In diesem ganzen Höhenzuge ist die Seele des Baudenkmals zum
Ausdruck gekommen. Und andererseits wie intensiv hat Wallot
das Problem gepackt, aus Glas, Eisen und Gold eine Monumental¬
wirkung zu erzielen! Die Kuppel hat den Zweck, dem grossen
Sitzungssaal das Licht zuzuführen, eine ausgedehnte Glasfläche wurde
also zur Nothwendigkeit. Da aber das Glas, weil es das Licht nicht
reflektirt, sondern absorbirt, einen dunklen stumpfen Ton besitzt,
trat folgerichtig das Gold als ergänzender Faktor hinzu und zwar
unter demselben Gesichtspunkt, unter dem die Farbe in Binnenräumen
die Klarheit und die Schönheit der konstruktiven Gedanken erhöht.
Und ferner hat das Gold, als das edelste der Metalle, die monumentale
Vergeistigung der Eisenrippen zu bewirken, auf weite Entfernungen
hin durch seinen Glanz die tragenden und charakteristischen Theile
der Kuppel zu repräsentiren. Ein wie wunderbares Gefühl von
Sicherheit, Ruhe und eherner Spannkraft erzeugen diese aus dem
Herzen des Bauorganismus emporwachsenden Glanzlinien und wie
tiefsinnig ist die Ornamentik in den Sonnenmasken, Strahlenkörpern etc.
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Zweifel unterliegen, dass Wallot gerade in der Kuppel den Gipfel¬
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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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