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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Zweites Capitel.
möglich sey das ganze Interim einzuführen, den Kaiser doch
wenigstens durch möglichste Annäherung an die Formel zu
befriedigen. Er forderte seine Stände und Theologen auf,
nochmals in Erwägung zu ziehen, was sich dem Kaiser mit
gutem Gewissen nachgeben lasse.

Näher ward dieser Gedanke für ihn besonders dadurch
bestimmt, daß Julius Pflug in das Bisthum Naumburg zu-
rückgekommen war, sich aber hier trotz aller Befehle des
Kaisers der Beihülfe des weltlichen Armes überaus bedürf-
tig fühlte. Und dieser Bischof war nun von den gelehrten
Theologen der katholischen Kirche wohl der gemäßigtste, den
Protestanten in seinen Meinungen verwandteste, nächste. Chur-
fürst Moritz meinte, die Modificationen welche in der augs-
burgischen Formel nothwendig seyn würden, durch den Bi-
schof, dessen Autorität er dafür wieder anerkannte, dem Kai-
ser empfehlen zu lassen.

Hätte irgend ein andrer deutscher Fürst diesen Plan ge-
faßt oder auch ausgeführt, so würde es so viel nicht zu sa-
gen gehabt haben, da die Wirkung doch immer auf ein ein-
ziges Land beschränkt geblieben wäre.

Hier aber war es von der größten Bedeutung. Das
Kriegsglück das für den Kaiser entschied, hatte die Metro-
pole des Protestantismus, jenes Wittenberg, von dem bis-
her die Festsetzung der dogmatischen Normen hauptsächlich
ausgegangen war, in die Hände des Churfürsten Moritz
gebracht. Einst, bei den ersten Verfolgungen der Lehre, un-
ter Friedrich dem Weisen, war Wittenberg das allgemeine
Asyl gewesen. Und noch lebte daselbst der Mann der nächst
Luther das Meiste zur Entwickelung der neuen Kirche bei-

Neuntes Buch. Zweites Capitel.
möglich ſey das ganze Interim einzuführen, den Kaiſer doch
wenigſtens durch möglichſte Annäherung an die Formel zu
befriedigen. Er forderte ſeine Stände und Theologen auf,
nochmals in Erwägung zu ziehen, was ſich dem Kaiſer mit
gutem Gewiſſen nachgeben laſſe.

Näher ward dieſer Gedanke für ihn beſonders dadurch
beſtimmt, daß Julius Pflug in das Bisthum Naumburg zu-
rückgekommen war, ſich aber hier trotz aller Befehle des
Kaiſers der Beihülfe des weltlichen Armes überaus bedürf-
tig fühlte. Und dieſer Biſchof war nun von den gelehrten
Theologen der katholiſchen Kirche wohl der gemäßigtſte, den
Proteſtanten in ſeinen Meinungen verwandteſte, nächſte. Chur-
fürſt Moritz meinte, die Modificationen welche in der augs-
burgiſchen Formel nothwendig ſeyn würden, durch den Bi-
ſchof, deſſen Autorität er dafür wieder anerkannte, dem Kai-
ſer empfehlen zu laſſen.

Hätte irgend ein andrer deutſcher Fürſt dieſen Plan ge-
faßt oder auch ausgeführt, ſo würde es ſo viel nicht zu ſa-
gen gehabt haben, da die Wirkung doch immer auf ein ein-
ziges Land beſchränkt geblieben wäre.

Hier aber war es von der größten Bedeutung. Das
Kriegsglück das für den Kaiſer entſchied, hatte die Metro-
pole des Proteſtantismus, jenes Wittenberg, von dem bis-
her die Feſtſetzung der dogmatiſchen Normen hauptſächlich
ausgegangen war, in die Hände des Churfürſten Moritz
gebracht. Einſt, bei den erſten Verfolgungen der Lehre, un-
ter Friedrich dem Weiſen, war Wittenberg das allgemeine
Aſyl geweſen. Und noch lebte daſelbſt der Mann der nächſt
Luther das Meiſte zur Entwickelung der neuen Kirche bei-

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[74/0086] Neuntes Buch. Zweites Capitel. möglich ſey das ganze Interim einzuführen, den Kaiſer doch wenigſtens durch möglichſte Annäherung an die Formel zu befriedigen. Er forderte ſeine Stände und Theologen auf, nochmals in Erwägung zu ziehen, was ſich dem Kaiſer mit gutem Gewiſſen nachgeben laſſe. Näher ward dieſer Gedanke für ihn beſonders dadurch beſtimmt, daß Julius Pflug in das Bisthum Naumburg zu- rückgekommen war, ſich aber hier trotz aller Befehle des Kaiſers der Beihülfe des weltlichen Armes überaus bedürf- tig fühlte. Und dieſer Biſchof war nun von den gelehrten Theologen der katholiſchen Kirche wohl der gemäßigtſte, den Proteſtanten in ſeinen Meinungen verwandteſte, nächſte. Chur- fürſt Moritz meinte, die Modificationen welche in der augs- burgiſchen Formel nothwendig ſeyn würden, durch den Bi- ſchof, deſſen Autorität er dafür wieder anerkannte, dem Kai- ſer empfehlen zu laſſen. Hätte irgend ein andrer deutſcher Fürſt dieſen Plan ge- faßt oder auch ausgeführt, ſo würde es ſo viel nicht zu ſa- gen gehabt haben, da die Wirkung doch immer auf ein ein- ziges Land beſchränkt geblieben wäre. Hier aber war es von der größten Bedeutung. Das Kriegsglück das für den Kaiſer entſchied, hatte die Metro- pole des Proteſtantismus, jenes Wittenberg, von dem bis- her die Feſtſetzung der dogmatiſchen Normen hauptſächlich ausgegangen war, in die Hände des Churfürſten Moritz gebracht. Einſt, bei den erſten Verfolgungen der Lehre, un- ter Friedrich dem Weiſen, war Wittenberg das allgemeine Aſyl geweſen. Und noch lebte daſelbſt der Mann der nächſt Luther das Meiſte zur Entwickelung der neuen Kirche bei-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/86>, abgerufen am 22.11.2024.