nigstens in einigen Kirchen das ganze Interim einzuführen, während man sich in andern die freie Predigt vorbehielt. 1
Der Kaiser fühlte sehr wohl, daß er auf einen Ge- horsam dieser Art nicht lange zählen, daß er überhaupt mit Magistraten welche Krieg wider ihn geführt, schwerlich zum Ziele der äußern Einheit, das er sich einmal gesetzt, werde gelangen können.
Er war nicht in einer Stimmung um vor durchgrei- fenden Mitteln zurückzuschrecken, und hatte die Macht die dazu gehörte um sie anzuwenden. Zuerst Augsburg, wo er sich aufhielt, sollte ihn kennen lernen.
Eines Tages, ganz unerwartet, ließ er die Thore der Stadt schließen und großen wie kleinen Rath, Doctoren der Rechte, Schreiber und Diener sämmtlich in seinen Pallast entbieten. Nachdem sie eine Weile im Hof gewartet, ward ihnen der große Saal eröffnet: und hier erschien nun gegen Mittag der Kaiser, mit einigen seiner Räthe, und ließ ihnen durch Georg Seld, einen gebornen Augsburger, kund thun, wie er mit Schmerzen den Verfall, die Schmälerung und die Unordnung ihrer Stadt ansehe, und sich, um dem Ubel an die Wurzel zu graben, nach fleißiger Nachforschung und seinem besten Verstand entschlossen habe, die Form ihres jetzigen Regiments zu verändern und ihnen einen neuen Rath zu verordnen. Man habe ihm vorgestellt, daß die Verja- gung des alten Clerus und die Theilnahme am schmalkal- dischen Krieg allein von dem Übergewicht der Zünfte und der dadurch herbeigeführten gewaltsamen Herrschaft des Bür- germeisters Herbrot herrühre. Dadurch seyen die Erbaren, die Geschlechter die dem Kaiser mit Leib und Gut anhän-
1 Röhrich II, 196.
Veraͤnderung der Stadtraͤthe.
nigſtens in einigen Kirchen das ganze Interim einzuführen, während man ſich in andern die freie Predigt vorbehielt. 1
Der Kaiſer fühlte ſehr wohl, daß er auf einen Ge- horſam dieſer Art nicht lange zählen, daß er überhaupt mit Magiſtraten welche Krieg wider ihn geführt, ſchwerlich zum Ziele der äußern Einheit, das er ſich einmal geſetzt, werde gelangen können.
Er war nicht in einer Stimmung um vor durchgrei- fenden Mitteln zurückzuſchrecken, und hatte die Macht die dazu gehörte um ſie anzuwenden. Zuerſt Augsburg, wo er ſich aufhielt, ſollte ihn kennen lernen.
Eines Tages, ganz unerwartet, ließ er die Thore der Stadt ſchließen und großen wie kleinen Rath, Doctoren der Rechte, Schreiber und Diener ſämmtlich in ſeinen Pallaſt entbieten. Nachdem ſie eine Weile im Hof gewartet, ward ihnen der große Saal eröffnet: und hier erſchien nun gegen Mittag der Kaiſer, mit einigen ſeiner Räthe, und ließ ihnen durch Georg Seld, einen gebornen Augsburger, kund thun, wie er mit Schmerzen den Verfall, die Schmälerung und die Unordnung ihrer Stadt anſehe, und ſich, um dem Ubel an die Wurzel zu graben, nach fleißiger Nachforſchung und ſeinem beſten Verſtand entſchloſſen habe, die Form ihres jetzigen Regiments zu verändern und ihnen einen neuen Rath zu verordnen. Man habe ihm vorgeſtellt, daß die Verja- gung des alten Clerus und die Theilnahme am ſchmalkal- diſchen Krieg allein von dem Übergewicht der Zünfte und der dadurch herbeigeführten gewaltſamen Herrſchaft des Bür- germeiſters Herbrot herrühre. Dadurch ſeyen die Erbaren, die Geſchlechter die dem Kaiſer mit Leib und Gut anhän-
1 Roͤhrich II, 196.
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Veraͤnderung der Stadtraͤthe.
nigſtens in einigen Kirchen das ganze Interim einzuführen,
während man ſich in andern die freie Predigt vorbehielt. 1
Der Kaiſer fühlte ſehr wohl, daß er auf einen Ge-
horſam dieſer Art nicht lange zählen, daß er überhaupt mit
Magiſtraten welche Krieg wider ihn geführt, ſchwerlich zum
Ziele der äußern Einheit, das er ſich einmal geſetzt, werde
gelangen können.
Er war nicht in einer Stimmung um vor durchgrei-
fenden Mitteln zurückzuſchrecken, und hatte die Macht die
dazu gehörte um ſie anzuwenden. Zuerſt Augsburg, wo er
ſich aufhielt, ſollte ihn kennen lernen.
Eines Tages, ganz unerwartet, ließ er die Thore der
Stadt ſchließen und großen wie kleinen Rath, Doctoren der
Rechte, Schreiber und Diener ſämmtlich in ſeinen Pallaſt
entbieten. Nachdem ſie eine Weile im Hof gewartet, ward
ihnen der große Saal eröffnet: und hier erſchien nun gegen
Mittag der Kaiſer, mit einigen ſeiner Räthe, und ließ ihnen
durch Georg Seld, einen gebornen Augsburger, kund thun,
wie er mit Schmerzen den Verfall, die Schmälerung und
die Unordnung ihrer Stadt anſehe, und ſich, um dem Ubel
an die Wurzel zu graben, nach fleißiger Nachforſchung und
ſeinem beſten Verſtand entſchloſſen habe, die Form ihres
jetzigen Regiments zu verändern und ihnen einen neuen Rath
zu verordnen. Man habe ihm vorgeſtellt, daß die Verja-
gung des alten Clerus und die Theilnahme am ſchmalkal-
diſchen Krieg allein von dem Übergewicht der Zünfte und
der dadurch herbeigeführten gewaltſamen Herrſchaft des Bür-
germeiſters Herbrot herrühre. Dadurch ſeyen die Erbaren,
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1 Roͤhrich II, 196.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/73>, abgerufen am 23.11.2024.
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