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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Erstes Capitel.

Noch einmal haben wir den schon so oft vorgekomme-
nen theologisch-kirchlichen Streitfragen unsre Aufmerksam-
keit zuzuwenden.

Mit denjenigen Artikeln nun, die am meisten in die
Augen fielen, der Priesterehe und dem Genusse von beider-
lei Gestalt, hatte es die wenigste Schwierigkeit: die kaiser-
lichen Bevollmächtigten urtheilten, in diesen Stücken sey die
Neuerung zu weit eingerissen, zu allgemein geworden, als
daß man sie ohne die größte Bewegung abstellen könne: das
Concilium, dem sich die Stände unterworfen, werde ohne
Zweifel dafür sorgen, daß darin dem Frieden der Gewissen
und der Kirche gerathen werde.

Dagegen war bei dem Artikel von der Justification,
über den sich seit den frühern Discussionen das Concil von
Trient ausgesprochen hatte, eben hiedurch die Schwierigkeit
sich zu vereinigen nur noch größer geworden. Waren diese
Beschlüsse auch vom Kaiser nicht anerkannt, auf seine Theo-
logen mußten sie gleichwohl wirken; von dem Begriff der in-
härirenden Gerechtigkeit konnten und wollten diese nicht ab-
weichen. In diesem Lehrstück kam es aber dem Kaiser vor-
züglich darauf an, die Beistimmung der Protestanten möglich
zu machen. Gewiß war es keine Täuschung, wenn trotz
der Annahme jenes Prinzips Julius Pflug sich auf der an-
dern Seite doch wieder den Protestanten annäherte; seine
ganze Überzeugung gieng dahin. So wenig wie die Drei-
stigkeit der Unbegnadigten, die ihm Luthers Auffassung zu
veranlassen schien, wollte er doch auch die Sicherheit der
Vorgeschrittenen die auf ihre Werke trotzen. 1 Genug man

1 Julius Pflug: Aus was guten und loblichen Bewegnussen
Neuntes Buch. Erſtes Capitel.

Noch einmal haben wir den ſchon ſo oft vorgekomme-
nen theologiſch-kirchlichen Streitfragen unſre Aufmerkſam-
keit zuzuwenden.

Mit denjenigen Artikeln nun, die am meiſten in die
Augen fielen, der Prieſterehe und dem Genuſſe von beider-
lei Geſtalt, hatte es die wenigſte Schwierigkeit: die kaiſer-
lichen Bevollmächtigten urtheilten, in dieſen Stücken ſey die
Neuerung zu weit eingeriſſen, zu allgemein geworden, als
daß man ſie ohne die größte Bewegung abſtellen könne: das
Concilium, dem ſich die Stände unterworfen, werde ohne
Zweifel dafür ſorgen, daß darin dem Frieden der Gewiſſen
und der Kirche gerathen werde.

Dagegen war bei dem Artikel von der Juſtification,
über den ſich ſeit den frühern Discuſſionen das Concil von
Trient ausgeſprochen hatte, eben hiedurch die Schwierigkeit
ſich zu vereinigen nur noch größer geworden. Waren dieſe
Beſchlüſſe auch vom Kaiſer nicht anerkannt, auf ſeine Theo-
logen mußten ſie gleichwohl wirken; von dem Begriff der in-
härirenden Gerechtigkeit konnten und wollten dieſe nicht ab-
weichen. In dieſem Lehrſtück kam es aber dem Kaiſer vor-
züglich darauf an, die Beiſtimmung der Proteſtanten möglich
zu machen. Gewiß war es keine Täuſchung, wenn trotz
der Annahme jenes Prinzips Julius Pflug ſich auf der an-
dern Seite doch wieder den Proteſtanten annäherte; ſeine
ganze Überzeugung gieng dahin. So wenig wie die Drei-
ſtigkeit der Unbegnadigten, die ihm Luthers Auffaſſung zu
veranlaſſen ſchien, wollte er doch auch die Sicherheit der
Vorgeſchrittenen die auf ihre Werke trotzen. 1 Genug man

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[42/0054] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. Noch einmal haben wir den ſchon ſo oft vorgekomme- nen theologiſch-kirchlichen Streitfragen unſre Aufmerkſam- keit zuzuwenden. Mit denjenigen Artikeln nun, die am meiſten in die Augen fielen, der Prieſterehe und dem Genuſſe von beider- lei Geſtalt, hatte es die wenigſte Schwierigkeit: die kaiſer- lichen Bevollmächtigten urtheilten, in dieſen Stücken ſey die Neuerung zu weit eingeriſſen, zu allgemein geworden, als daß man ſie ohne die größte Bewegung abſtellen könne: das Concilium, dem ſich die Stände unterworfen, werde ohne Zweifel dafür ſorgen, daß darin dem Frieden der Gewiſſen und der Kirche gerathen werde. Dagegen war bei dem Artikel von der Juſtification, über den ſich ſeit den frühern Discuſſionen das Concil von Trient ausgeſprochen hatte, eben hiedurch die Schwierigkeit ſich zu vereinigen nur noch größer geworden. Waren dieſe Beſchlüſſe auch vom Kaiſer nicht anerkannt, auf ſeine Theo- logen mußten ſie gleichwohl wirken; von dem Begriff der in- härirenden Gerechtigkeit konnten und wollten dieſe nicht ab- weichen. In dieſem Lehrſtück kam es aber dem Kaiſer vor- züglich darauf an, die Beiſtimmung der Proteſtanten möglich zu machen. Gewiß war es keine Täuſchung, wenn trotz der Annahme jenes Prinzips Julius Pflug ſich auf der an- dern Seite doch wieder den Proteſtanten annäherte; ſeine ganze Überzeugung gieng dahin. So wenig wie die Drei- ſtigkeit der Unbegnadigten, die ihm Luthers Auffaſſung zu veranlaſſen ſchien, wollte er doch auch die Sicherheit der Vorgeſchrittenen die auf ihre Werke trotzen. 1 Genug man 1 Julius Pflug: Aus was guten und loblichen Bewegnuſſen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/54>, abgerufen am 22.11.2024.