Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Geschichte. (Centuriatoren.) das Unächte zurückzuweisen, und die große kirchliche Fictiondie sich im Laufe der Zeiten ausgebildet, zu durchbrechen. Gleich beim ersten Jahrhundert nahmen sie die Frage über die falschen areopagitischen Schriften vor, die Erasmus zwar angeregt, aber lange nicht zu Ende geführt hatte; 1 -- beim zweiten griffen sie mit gutem Recht einige Pseudepigraphen an, z. B. den Hirten des Hermas; schon da, noch mehr aber im dritten und vierten Jahrhundert stellen sich ihnen die falschen Decretalen dar. Die Centuriatoren sind die Ersten, welche die Unächtheit derselben recht eingesehen und mit ein- leuchtenden unwiderleglichen Beweisen dargethan haben. 2 Ge- wiß wurden sie hiebei von ihrem polemischen Eifer gegen das Papstthum angefeuert, aber indem sie die Nebelgestalten zertheilten, durch welche die hierarchische Macht ihren eige- nen Ursprung verhüllt hatte, leisteten sie zugleich der allge- meinen historischen Wissenschaft einen großen Dienst. Ohne ein solches Verfahren war nirgends zu einer richtigen An- schauung geschichtlicher Entwickelung zu gelangen; sie mach- ten wenigstens an Einer Stelle ziemlich freie Bahn. Der fleißigen Sammlung stellte sich eindringende Critik zur Seite: was eben die beiden Grundlagen aller Historie ausmacht. Nichts ist stärkender als ein siegreicher Kampf gegen Irr- 1 Centuria II, c. IV, p 72. Den areop. Schriften weisen sie auch ihre Zeit an. 2 II, 7. III, 7. IV, 7. (Alles folgt nach durchgehenden Hauptru-
briken.) Ihr Urtheil: non est absimile vero, circiter id tempus (Caroli M.), cum ecclesiae occidentales passim ex Romana biblio- theca libros peterent, confictas et suppositas late sparsas esse. Wie sie anderweit einzelne Interpretationen bekämpften, davon ist Bd II, p. 906 ein Beispiel. Geſchichte. (Centuriatoren.) das Unächte zurückzuweiſen, und die große kirchliche Fictiondie ſich im Laufe der Zeiten ausgebildet, zu durchbrechen. Gleich beim erſten Jahrhundert nahmen ſie die Frage über die falſchen areopagitiſchen Schriften vor, die Erasmus zwar angeregt, aber lange nicht zu Ende geführt hatte; 1 — beim zweiten griffen ſie mit gutem Recht einige Pſeudepigraphen an, z. B. den Hirten des Hermas; ſchon da, noch mehr aber im dritten und vierten Jahrhundert ſtellen ſich ihnen die falſchen Decretalen dar. Die Centuriatoren ſind die Erſten, welche die Unächtheit derſelben recht eingeſehen und mit ein- leuchtenden unwiderleglichen Beweiſen dargethan haben. 2 Ge- wiß wurden ſie hiebei von ihrem polemiſchen Eifer gegen das Papſtthum angefeuert, aber indem ſie die Nebelgeſtalten zertheilten, durch welche die hierarchiſche Macht ihren eige- nen Urſprung verhüllt hatte, leiſteten ſie zugleich der allge- meinen hiſtoriſchen Wiſſenſchaft einen großen Dienſt. Ohne ein ſolches Verfahren war nirgends zu einer richtigen An- ſchauung geſchichtlicher Entwickelung zu gelangen; ſie mach- ten wenigſtens an Einer Stelle ziemlich freie Bahn. Der fleißigen Sammlung ſtellte ſich eindringende Critik zur Seite: was eben die beiden Grundlagen aller Hiſtorie ausmacht. Nichts iſt ſtärkender als ein ſiegreicher Kampf gegen Irr- 1 Centuria II, c. IV, p 72. Den areop. Schriften weiſen ſie auch ihre Zeit an. 2 II, 7. III, 7. IV, 7. (Alles folgt nach durchgehenden Hauptru-
briken.) Ihr Urtheil: non est absimile vero, circiter id tempus (Caroli M.), cum ecclesiae occidentales passim ex Romana biblio- theca libros peterent, confictas et suppositas late sparsas esse. Wie ſie anderweit einzelne Interpretationen bekaͤmpften, davon iſt Bd II, p. 906 ein Beiſpiel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0505" n="493"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Geſchichte. (Centuriatoren.)</hi></fw><lb/> das Unächte zurückzuweiſen, und die große kirchliche Fiction<lb/> die ſich im Laufe der Zeiten ausgebildet, zu durchbrechen.<lb/> Gleich beim erſten Jahrhundert nahmen ſie die Frage über<lb/> die falſchen areopagitiſchen Schriften vor, die Erasmus zwar<lb/> angeregt, aber lange nicht zu Ende geführt hatte; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Centuria II, c. IV, p</hi> 72. Den areop. Schriften weiſen<lb/> ſie auch ihre Zeit an.</note> — beim<lb/> zweiten griffen ſie mit gutem Recht einige Pſeudepigraphen<lb/> an, z. B. den Hirten des Hermas; ſchon da, noch mehr<lb/> aber im dritten und vierten Jahrhundert ſtellen ſich ihnen die<lb/> falſchen Decretalen dar. Die Centuriatoren ſind die Erſten,<lb/> welche die Unächtheit derſelben recht eingeſehen und mit ein-<lb/> leuchtenden unwiderleglichen Beweiſen dargethan haben. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">II, 7. III, 7. IV,</hi> 7. (Alles folgt nach durchgehenden Hauptru-<lb/> briken.) Ihr Urtheil: <hi rendition="#aq">non est absimile vero, circiter id tempus<lb/> (Caroli M.), cum ecclesiae occidentales passim ex Romana biblio-<lb/> theca libros peterent, confictas et suppositas late sparsas esse</hi>.<lb/> Wie ſie anderweit einzelne Interpretationen bekaͤmpften, davon iſt<lb/> Bd <hi rendition="#aq">II, p.</hi> 906 ein Beiſpiel.</note> Ge-<lb/> wiß wurden ſie hiebei von ihrem polemiſchen Eifer gegen<lb/> das Papſtthum angefeuert, aber indem ſie die Nebelgeſtalten<lb/> zertheilten, durch welche die hierarchiſche Macht ihren eige-<lb/> nen Urſprung verhüllt hatte, leiſteten ſie zugleich der allge-<lb/> meinen hiſtoriſchen Wiſſenſchaft einen großen Dienſt. Ohne<lb/> ein ſolches Verfahren war nirgends zu einer richtigen An-<lb/> ſchauung geſchichtlicher Entwickelung zu gelangen; ſie mach-<lb/> ten wenigſtens an Einer Stelle ziemlich freie Bahn. Der<lb/> fleißigen Sammlung ſtellte ſich eindringende Critik zur Seite:<lb/> was eben die beiden Grundlagen aller Hiſtorie ausmacht.<lb/> Nichts iſt ſtärkender als ein ſiegreicher Kampf gegen Irr-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [493/0505]
Geſchichte. (Centuriatoren.)
das Unächte zurückzuweiſen, und die große kirchliche Fiction
die ſich im Laufe der Zeiten ausgebildet, zu durchbrechen.
Gleich beim erſten Jahrhundert nahmen ſie die Frage über
die falſchen areopagitiſchen Schriften vor, die Erasmus zwar
angeregt, aber lange nicht zu Ende geführt hatte; 1 — beim
zweiten griffen ſie mit gutem Recht einige Pſeudepigraphen
an, z. B. den Hirten des Hermas; ſchon da, noch mehr
aber im dritten und vierten Jahrhundert ſtellen ſich ihnen die
falſchen Decretalen dar. Die Centuriatoren ſind die Erſten,
welche die Unächtheit derſelben recht eingeſehen und mit ein-
leuchtenden unwiderleglichen Beweiſen dargethan haben. 2 Ge-
wiß wurden ſie hiebei von ihrem polemiſchen Eifer gegen
das Papſtthum angefeuert, aber indem ſie die Nebelgeſtalten
zertheilten, durch welche die hierarchiſche Macht ihren eige-
nen Urſprung verhüllt hatte, leiſteten ſie zugleich der allge-
meinen hiſtoriſchen Wiſſenſchaft einen großen Dienſt. Ohne
ein ſolches Verfahren war nirgends zu einer richtigen An-
ſchauung geſchichtlicher Entwickelung zu gelangen; ſie mach-
ten wenigſtens an Einer Stelle ziemlich freie Bahn. Der
fleißigen Sammlung ſtellte ſich eindringende Critik zur Seite:
was eben die beiden Grundlagen aller Hiſtorie ausmacht.
Nichts iſt ſtärkender als ein ſiegreicher Kampf gegen Irr-
1 Centuria II, c. IV, p 72. Den areop. Schriften weiſen
ſie auch ihre Zeit an.
2 II, 7. III, 7. IV, 7. (Alles folgt nach durchgehenden Hauptru-
briken.) Ihr Urtheil: non est absimile vero, circiter id tempus
(Caroli M.), cum ecclesiae occidentales passim ex Romana biblio-
theca libros peterent, confictas et suppositas late sparsas esse.
Wie ſie anderweit einzelne Interpretationen bekaͤmpften, davon iſt
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