Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
trachten müssen, Johann Peter Caraffa, Paul IV, -- der
nun weit entfernt, sich dem Kaiser anzuschließen, wie Ju-
lius III, oder auch nur, wie Paul III, mit seinen Feindse-
ligkeiten an sich zu halten, ganz offen damit hervortrat, bei
der ersten Gelegenheit die Anhänger des Kaisers verfolgte,
und nach wenigen Monaten schon so weit war, daß er ei-
nen seiner Vasallen aufforderte, seine Truppen fertig zu hal-
ten, um die Bewegungen der Kaiserlichen zu unterdrücken.
Der alte Hader zwischen Kaiserthum und Papstthum brach
nochmals aus. Wenn es dem kaiserlich-toscanischen Heer
unter dem Marchese von Marignano um diese Zeit gelang
Siena wieder zu erobern, Stadt und Gebiet, auch Porter-
cole (April bis Juni), und spanisch-deutsche Besatzungen
daselbst einzuführen, so gewannen dagegen die Franzosen
an einem Papst, der ihre alten Absichten auf Neapel offen
begünstigte, und um den sich alle Mißvergnügten aus den
italienischen Ländern des Kaisers sammelten, einen stärkeren
Rückhalt, als sie seit vielen Jahren gehabt. Man mußte
sich auf einen Krieg gefaßt machen, der das ganze System
der spanischen Herrschaft in Italien, das in Folge der letz-
ten Kriege aufgerichtet worden, noch einmal in Frage stel-
len, und vielleicht ein entgegengesetztes, das der französischen
Übermacht, herbeiführen konnte.

Bei diesen Aussichten neuer und allgemeiner Gefahren
fühlte man zuerst, daß die in der letzten Zeit eingetretene Re-
gierungsweise der kaiserlichen Gebiete nicht mehr haltbar war.

Die Vermählung seines Sohnes mit Königin Maria
hatte der Kaiser dadurch gefeiert, daß er denselben seiner Ge-
mahlin auch an Rang gleichstellte und ihm das Königreich

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
trachten müſſen, Johann Peter Caraffa, Paul IV, — der
nun weit entfernt, ſich dem Kaiſer anzuſchließen, wie Ju-
lius III, oder auch nur, wie Paul III, mit ſeinen Feindſe-
ligkeiten an ſich zu halten, ganz offen damit hervortrat, bei
der erſten Gelegenheit die Anhänger des Kaiſers verfolgte,
und nach wenigen Monaten ſchon ſo weit war, daß er ei-
nen ſeiner Vaſallen aufforderte, ſeine Truppen fertig zu hal-
ten, um die Bewegungen der Kaiſerlichen zu unterdrücken.
Der alte Hader zwiſchen Kaiſerthum und Papſtthum brach
nochmals aus. Wenn es dem kaiſerlich-toſcaniſchen Heer
unter dem Marcheſe von Marignano um dieſe Zeit gelang
Siena wieder zu erobern, Stadt und Gebiet, auch Porter-
cole (April bis Juni), und ſpaniſch-deutſche Beſatzungen
daſelbſt einzuführen, ſo gewannen dagegen die Franzoſen
an einem Papſt, der ihre alten Abſichten auf Neapel offen
begünſtigte, und um den ſich alle Mißvergnügten aus den
italieniſchen Ländern des Kaiſers ſammelten, einen ſtärkeren
Rückhalt, als ſie ſeit vielen Jahren gehabt. Man mußte
ſich auf einen Krieg gefaßt machen, der das ganze Syſtem
der ſpaniſchen Herrſchaft in Italien, das in Folge der letz-
ten Kriege aufgerichtet worden, noch einmal in Frage ſtel-
len, und vielleicht ein entgegengeſetztes, das der franzöſiſchen
Übermacht, herbeiführen konnte.

Bei dieſen Ausſichten neuer und allgemeiner Gefahren
fühlte man zuerſt, daß die in der letzten Zeit eingetretene Re-
gierungsweiſe der kaiſerlichen Gebiete nicht mehr haltbar war.

Die Vermählung ſeines Sohnes mit Königin Maria
hatte der Kaiſer dadurch gefeiert, daß er denſelben ſeiner Ge-
mahlin auch an Rang gleichſtellte und ihm das Königreich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0414" n="402"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/>
trachten mü&#x017F;&#x017F;en, Johann Peter Caraffa, Paul <hi rendition="#aq">IV</hi>, &#x2014; der<lb/>
nun weit entfernt, &#x017F;ich dem Kai&#x017F;er anzu&#x017F;chließen, wie Ju-<lb/>
lius <hi rendition="#aq">III</hi>, oder auch nur, wie Paul <hi rendition="#aq">III</hi>, mit &#x017F;einen Feind&#x017F;e-<lb/>
ligkeiten an &#x017F;ich zu halten, ganz offen damit hervortrat, bei<lb/>
der er&#x017F;ten Gelegenheit die Anhänger des Kai&#x017F;ers verfolgte,<lb/>
und nach wenigen Monaten &#x017F;chon &#x017F;o weit war, daß er ei-<lb/>
nen &#x017F;einer Va&#x017F;allen aufforderte, &#x017F;eine Truppen fertig zu hal-<lb/>
ten, um die Bewegungen der Kai&#x017F;erlichen zu unterdrücken.<lb/>
Der alte Hader zwi&#x017F;chen Kai&#x017F;erthum und Pap&#x017F;tthum brach<lb/>
nochmals aus. Wenn es dem kai&#x017F;erlich-to&#x017F;cani&#x017F;chen Heer<lb/>
unter dem Marche&#x017F;e von Marignano um die&#x017F;e Zeit gelang<lb/>
Siena wieder zu erobern, Stadt und Gebiet, auch Porter-<lb/>
cole (April bis Juni), und &#x017F;pani&#x017F;ch-deut&#x017F;che Be&#x017F;atzungen<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t einzuführen, &#x017F;o gewannen dagegen die Franzo&#x017F;en<lb/>
an einem Pap&#x017F;t, der ihre alten Ab&#x017F;ichten auf Neapel offen<lb/>
begün&#x017F;tigte, und um den &#x017F;ich alle Mißvergnügten aus den<lb/>
italieni&#x017F;chen Ländern des Kai&#x017F;ers &#x017F;ammelten, einen &#x017F;tärkeren<lb/>
Rückhalt, als &#x017F;ie &#x017F;eit vielen Jahren gehabt. Man mußte<lb/>
&#x017F;ich auf einen Krieg gefaßt machen, der das ganze Sy&#x017F;tem<lb/>
der &#x017F;pani&#x017F;chen Herr&#x017F;chaft in Italien, das in Folge der letz-<lb/>
ten Kriege aufgerichtet worden, noch einmal in Frage &#x017F;tel-<lb/>
len, und vielleicht ein entgegenge&#x017F;etztes, das der franzö&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Übermacht, herbeiführen konnte.</p><lb/>
          <p>Bei die&#x017F;en Aus&#x017F;ichten neuer und allgemeiner Gefahren<lb/>
fühlte man zuer&#x017F;t, daß die in der letzten Zeit eingetretene Re-<lb/>
gierungswei&#x017F;e der kai&#x017F;erlichen Gebiete nicht mehr haltbar war.</p><lb/>
          <p>Die Vermählung &#x017F;eines Sohnes mit Königin Maria<lb/>
hatte der Kai&#x017F;er dadurch gefeiert, daß er den&#x017F;elben &#x017F;einer Ge-<lb/>
mahlin auch an Rang gleich&#x017F;tellte und ihm das Königreich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0414] Zehntes Buch. Sechstes Capitel. trachten müſſen, Johann Peter Caraffa, Paul IV, — der nun weit entfernt, ſich dem Kaiſer anzuſchließen, wie Ju- lius III, oder auch nur, wie Paul III, mit ſeinen Feindſe- ligkeiten an ſich zu halten, ganz offen damit hervortrat, bei der erſten Gelegenheit die Anhänger des Kaiſers verfolgte, und nach wenigen Monaten ſchon ſo weit war, daß er ei- nen ſeiner Vaſallen aufforderte, ſeine Truppen fertig zu hal- ten, um die Bewegungen der Kaiſerlichen zu unterdrücken. Der alte Hader zwiſchen Kaiſerthum und Papſtthum brach nochmals aus. Wenn es dem kaiſerlich-toſcaniſchen Heer unter dem Marcheſe von Marignano um dieſe Zeit gelang Siena wieder zu erobern, Stadt und Gebiet, auch Porter- cole (April bis Juni), und ſpaniſch-deutſche Beſatzungen daſelbſt einzuführen, ſo gewannen dagegen die Franzoſen an einem Papſt, der ihre alten Abſichten auf Neapel offen begünſtigte, und um den ſich alle Mißvergnügten aus den italieniſchen Ländern des Kaiſers ſammelten, einen ſtärkeren Rückhalt, als ſie ſeit vielen Jahren gehabt. Man mußte ſich auf einen Krieg gefaßt machen, der das ganze Syſtem der ſpaniſchen Herrſchaft in Italien, das in Folge der letz- ten Kriege aufgerichtet worden, noch einmal in Frage ſtel- len, und vielleicht ein entgegengeſetztes, das der franzöſiſchen Übermacht, herbeiführen konnte. Bei dieſen Ausſichten neuer und allgemeiner Gefahren fühlte man zuerſt, daß die in der letzten Zeit eingetretene Re- gierungsweiſe der kaiſerlichen Gebiete nicht mehr haltbar war. Die Vermählung ſeines Sohnes mit Königin Maria hatte der Kaiſer dadurch gefeiert, daß er denſelben ſeiner Ge- mahlin auch an Rang gleichſtellte und ihm das Königreich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/414
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/414>, abgerufen am 20.05.2024.