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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Verbindung des Kaisers mit England.
mählen, denn ein solcher würde, um sich zu halten, den an-
dern Großen zu viel Zugeständnisse machen müssen; nur ein
Prinz von so großer und so naher eigener Macht, wie Kö-
nig Philipp, werde sie gegen äußere und innere Feinde ver-
theidigen können und durch sein Ansehen die Wiedervereini-
gung des Reiches mit der Kirche befördern. 1 Und die Haupt-
sache: Maria selbst, obgleich um vieles älter, gab einen ganz
unwiderstehlichen Drang kund, sich mit Philipp zu vermäh-
len. Sie hörte so viel von ihm, daß sie ihn liebte, ehe sie
ihn gesehen hatte. Auch schien es ihr ehrenvoll, daß sich
eben der reichste und mächtigste Prinz, den es in der damali-
gen Welt gab, um ihre Hand bemühte: das religiöse Mo-
tiv rechtfertigte die übrigen, genug: sie willigte ein.

Im März 1554 kam der Ehetractat zu Stande, durch
welchen eine ganz neue Aussicht für die Zukunft eröffnet
ward. Der älteste Sohn aus dieser Ehe sollte dermaleinst
England und die sämmtlichen burgundischen Erblande ver-
einigen. Neben der spanischen und der deutschen wäre noch
eine dritte, eine englische Linie des Hauses Östreich entstanden.

Aber auch für die nächste Zeit hatte der Tractat viele
Bedeutung. Philipp erhielt den Titel eines Königs von Eng-
land, und die Befugniß an der Verwaltung des Landes Theil
zu nehmen.

Und das muß man zugestehn, daß Philipp, der nun
nach England kam, -- am Tage des heiligen Jacob, des

1 Morone al Cardl Polo 21 Dec. 1551. S. Sta per lo con-
trario confida in dio che il principe di Spagna, essendo catolico
nato e nutrito et avendo la potenza sua vicina di Spagna e di
Fiandra, possa con maggior autorita introdurre l'umore alla chiesa
e difendere la regina dalli nemici interni et esterni. (MS Corsin.)

Verbindung des Kaiſers mit England.
mählen, denn ein ſolcher würde, um ſich zu halten, den an-
dern Großen zu viel Zugeſtändniſſe machen müſſen; nur ein
Prinz von ſo großer und ſo naher eigener Macht, wie Kö-
nig Philipp, werde ſie gegen äußere und innere Feinde ver-
theidigen können und durch ſein Anſehen die Wiedervereini-
gung des Reiches mit der Kirche befördern. 1 Und die Haupt-
ſache: Maria ſelbſt, obgleich um vieles älter, gab einen ganz
unwiderſtehlichen Drang kund, ſich mit Philipp zu vermäh-
len. Sie hörte ſo viel von ihm, daß ſie ihn liebte, ehe ſie
ihn geſehen hatte. Auch ſchien es ihr ehrenvoll, daß ſich
eben der reichſte und mächtigſte Prinz, den es in der damali-
gen Welt gab, um ihre Hand bemühte: das religiöſe Mo-
tiv rechtfertigte die übrigen, genug: ſie willigte ein.

Im März 1554 kam der Ehetractat zu Stande, durch
welchen eine ganz neue Ausſicht für die Zukunft eröffnet
ward. Der älteſte Sohn aus dieſer Ehe ſollte dermaleinſt
England und die ſämmtlichen burgundiſchen Erblande ver-
einigen. Neben der ſpaniſchen und der deutſchen wäre noch
eine dritte, eine engliſche Linie des Hauſes Öſtreich entſtanden.

Aber auch für die nächſte Zeit hatte der Tractat viele
Bedeutung. Philipp erhielt den Titel eines Königs von Eng-
land, und die Befugniß an der Verwaltung des Landes Theil
zu nehmen.

Und das muß man zugeſtehn, daß Philipp, der nun
nach England kam, — am Tage des heiligen Jacob, des

1 Morone al Cardl Polo 21 Dec. 1551. S. S per lo con-
trario confida in dio che il principe di Spagna, essendo catolico
nato e nutrito et avendo la potenza sua vicina di Spagna e di
Fiandra, possa con maggior autorità introdurre l’umore alla chiesa
e difendere la regina dalli nemici interni et esterni. (MS Corsin.)
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[395/0407] Verbindung des Kaiſers mit England. mählen, denn ein ſolcher würde, um ſich zu halten, den an- dern Großen zu viel Zugeſtändniſſe machen müſſen; nur ein Prinz von ſo großer und ſo naher eigener Macht, wie Kö- nig Philipp, werde ſie gegen äußere und innere Feinde ver- theidigen können und durch ſein Anſehen die Wiedervereini- gung des Reiches mit der Kirche befördern. 1 Und die Haupt- ſache: Maria ſelbſt, obgleich um vieles älter, gab einen ganz unwiderſtehlichen Drang kund, ſich mit Philipp zu vermäh- len. Sie hörte ſo viel von ihm, daß ſie ihn liebte, ehe ſie ihn geſehen hatte. Auch ſchien es ihr ehrenvoll, daß ſich eben der reichſte und mächtigſte Prinz, den es in der damali- gen Welt gab, um ihre Hand bemühte: das religiöſe Mo- tiv rechtfertigte die übrigen, genug: ſie willigte ein. Im März 1554 kam der Ehetractat zu Stande, durch welchen eine ganz neue Ausſicht für die Zukunft eröffnet ward. Der älteſte Sohn aus dieſer Ehe ſollte dermaleinſt England und die ſämmtlichen burgundiſchen Erblande ver- einigen. Neben der ſpaniſchen und der deutſchen wäre noch eine dritte, eine engliſche Linie des Hauſes Öſtreich entſtanden. Aber auch für die nächſte Zeit hatte der Tractat viele Bedeutung. Philipp erhielt den Titel eines Königs von Eng- land, und die Befugniß an der Verwaltung des Landes Theil zu nehmen. Und das muß man zugeſtehn, daß Philipp, der nun nach England kam, — am Tage des heiligen Jacob, des 1 Morone al Cardl Polo 21 Dec. 1551. S. Stà per lo con- trario confida in dio che il principe di Spagna, essendo catolico nato e nutrito et avendo la potenza sua vicina di Spagna e di Fiandra, possa con maggior autorità introdurre l’umore alla chiesa e difendere la regina dalli nemici interni et esterni. (MS Corsin.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/407>, abgerufen am 24.11.2024.