den Osmanen gepflogen wurden: sie meinten wohl, es könne noch einmal etwas Ähnliches geschehen wie im Jahr 1545, und die Kriegsgewalt des Kaisers, von den übrigen Fein- den frei, sich gegen sie stürzen. Dem König mochten einige seiner geistlichen Freunde beipflichten, allein sie wagten sich aus Rücksicht auf die übrigen nicht zu äußern; 1 die allge- meine Stimme war dagegen: und er mußte sich entschließen, mit seiner Resolution hervorzutreten.
Am 30sten August 1555 gab er sie, aber sie lautete nicht sehr tröstlich. Er weigerte sich die vornehmste Bestim- mung anzunehmen, daß der Friede dauern solle, die Verglei- chung möge nun erfolgen oder nicht; außerdem aber trat er in Beziehung auf die Ausschließung der Protestanten von den Stiftern dem Gutachten der geistlichen Fürsten bei und vertheidigte es mit neuen Argumenten.
Es muß wohl dahin gestellt bleiben, ob er die erste Weigerung ernstlich meinte. Das Zugeständniß das in je- ner Formel lag, war schon in Passau gemacht und damals von ihm selbst nicht verworfen worden; es war jetzt bereits angenommen, und die Grundbedingung aller andern Fest- setzungen. Er konnte nicht erwarten mit seinem Widerspruch durchzudringen. Am 6ten September erklärte er in der That den Protestanten in einer mündlichen Conferenz, daß er von seinem Widerspruch ablassen und den unbedingten Frieden in der Formel wie sie ihn vorgeschlagen, annehmen wolle. Da- gegen aber forderte er sie auf, ihm in dem andern Punct,
1Ferdinand a l'empereur 27 Aoaut. Encores que les estats catholiques a ma persuasion y voulsissent prester l'oreille j'en- tends qu'ils n'oseront le faire par respect aux autres protestants.
Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
den Osmanen gepflogen wurden: ſie meinten wohl, es könne noch einmal etwas Ähnliches geſchehen wie im Jahr 1545, und die Kriegsgewalt des Kaiſers, von den übrigen Fein- den frei, ſich gegen ſie ſtürzen. Dem König mochten einige ſeiner geiſtlichen Freunde beipflichten, allein ſie wagten ſich aus Rückſicht auf die übrigen nicht zu äußern; 1 die allge- meine Stimme war dagegen: und er mußte ſich entſchließen, mit ſeiner Reſolution hervorzutreten.
Am 30ſten Auguſt 1555 gab er ſie, aber ſie lautete nicht ſehr tröſtlich. Er weigerte ſich die vornehmſte Beſtim- mung anzunehmen, daß der Friede dauern ſolle, die Verglei- chung möge nun erfolgen oder nicht; außerdem aber trat er in Beziehung auf die Ausſchließung der Proteſtanten von den Stiftern dem Gutachten der geiſtlichen Fürſten bei und vertheidigte es mit neuen Argumenten.
Es muß wohl dahin geſtellt bleiben, ob er die erſte Weigerung ernſtlich meinte. Das Zugeſtändniß das in je- ner Formel lag, war ſchon in Paſſau gemacht und damals von ihm ſelbſt nicht verworfen worden; es war jetzt bereits angenommen, und die Grundbedingung aller andern Feſt- ſetzungen. Er konnte nicht erwarten mit ſeinem Widerſpruch durchzudringen. Am 6ten September erklärte er in der That den Proteſtanten in einer mündlichen Conferenz, daß er von ſeinem Widerſpruch ablaſſen und den unbedingten Frieden in der Formel wie ſie ihn vorgeſchlagen, annehmen wolle. Da- gegen aber forderte er ſie auf, ihm in dem andern Punct,
1Ferdinand à l’empereur 27 Août. Encores que les estats catholiques a ma persuasion y voulsissent prester l’oreille j’en- tends qu’ils n’oseront le faire par respect aux autres protestants.
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Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
den Osmanen gepflogen wurden: ſie meinten wohl, es könne
noch einmal etwas Ähnliches geſchehen wie im Jahr 1545,
und die Kriegsgewalt des Kaiſers, von den übrigen Fein-
den frei, ſich gegen ſie ſtürzen. Dem König mochten einige
ſeiner geiſtlichen Freunde beipflichten, allein ſie wagten ſich
aus Rückſicht auf die übrigen nicht zu äußern; 1 die allge-
meine Stimme war dagegen: und er mußte ſich entſchließen,
mit ſeiner Reſolution hervorzutreten.
Am 30ſten Auguſt 1555 gab er ſie, aber ſie lautete
nicht ſehr tröſtlich. Er weigerte ſich die vornehmſte Beſtim-
mung anzunehmen, daß der Friede dauern ſolle, die Verglei-
chung möge nun erfolgen oder nicht; außerdem aber trat
er in Beziehung auf die Ausſchließung der Proteſtanten von
den Stiftern dem Gutachten der geiſtlichen Fürſten bei und
vertheidigte es mit neuen Argumenten.
Es muß wohl dahin geſtellt bleiben, ob er die erſte
Weigerung ernſtlich meinte. Das Zugeſtändniß das in je-
ner Formel lag, war ſchon in Paſſau gemacht und damals
von ihm ſelbſt nicht verworfen worden; es war jetzt bereits
angenommen, und die Grundbedingung aller andern Feſt-
ſetzungen. Er konnte nicht erwarten mit ſeinem Widerſpruch
durchzudringen. Am 6ten September erklärte er in der That
den Proteſtanten in einer mündlichen Conferenz, daß er von
ſeinem Widerſpruch ablaſſen und den unbedingten Frieden in
der Formel wie ſie ihn vorgeſchlagen, annehmen wolle. Da-
gegen aber forderte er ſie auf, ihm in dem andern Punct,
1 Ferdinand à l’empereur 27 Août. Encores que les estats
catholiques a ma persuasion y voulsissent prester l’oreille j’en-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/396>, abgerufen am 23.07.2024.
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