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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Weltliche Geschäfte des Reichstags von 1547.

Überhaupt erfreuten sich die Städte an diesem Reichstag
keiner besondern Berücksichtigung. Auf ihre Klage, daß der
Landfriede die Straßen noch immer nicht sichere, das Ge-
leite keinen Schutz gewähre, obgleich man gezwungen sey sich
dasselbe zu verschaffen, auf ihre Bitte, die Obrigkeiten für
jede Gewaltthat die in ihrem Gebiete geschehe verantwort-
lich zu machen, nahm der Kaiser in seiner Resolution auch
nicht mit einer Silbe Rücksicht. 1

Und nicht besser gieng es ihnen, als nun die Reichs-
anschläge zur Berathung kamen. Die Fürsten bewilligten
dem römischen König zur Bewahrung seiner Grenzen gegen
die Türken 50000 G.; bei der Vertheilung derselben legten
sie den Anschlag von Costnitz zu Grunde, gegen welchen die
Städte immer protestirt hatten. Diese versäumten nicht zu
bemerken, daß dergestalt fast die Hälfte der ganzen Summe
auf sie falle. Sie gaben an, von einigen unter ihnen fordere
man fast so viel Mannschaft, als sie Bürger hätten, von
andern nicht viel weniger Geld, als ihr ganzes Einkommen
betrage. König Ferdinand erwiederte, ihre Klage möge ge-
gründet seyn, aber von dem Fürstenrath lasse sich nun ein-
mal keine Abänderung des gefaßten Beschlusses erwarten:
er gebe den ehrbaren Städten zu bedenken, daß ihnen ihrer
Gewerbe halber noch mehr an einer Bewahrung der Gren-
zen liegen müsse als den Fürsten.

Im Grunde eine sehr natürliche Folge der Ereignisse.
Die Städte waren immer in der Opposition gewesen; der
Fürstenrath hatte sich dem Prinzip das den Sieg behaup-

1 Schreiben des Frankfurter Gesandten Daniel zum Jungen
17 April. (Fr. A.)
Weltliche Geſchaͤfte des Reichstags von 1547.

Überhaupt erfreuten ſich die Städte an dieſem Reichstag
keiner beſondern Berückſichtigung. Auf ihre Klage, daß der
Landfriede die Straßen noch immer nicht ſichere, das Ge-
leite keinen Schutz gewähre, obgleich man gezwungen ſey ſich
daſſelbe zu verſchaffen, auf ihre Bitte, die Obrigkeiten für
jede Gewaltthat die in ihrem Gebiete geſchehe verantwort-
lich zu machen, nahm der Kaiſer in ſeiner Reſolution auch
nicht mit einer Silbe Rückſicht. 1

Und nicht beſſer gieng es ihnen, als nun die Reichs-
anſchläge zur Berathung kamen. Die Fürſten bewilligten
dem römiſchen König zur Bewahrung ſeiner Grenzen gegen
die Türken 50000 G.; bei der Vertheilung derſelben legten
ſie den Anſchlag von Coſtnitz zu Grunde, gegen welchen die
Städte immer proteſtirt hatten. Dieſe verſäumten nicht zu
bemerken, daß dergeſtalt faſt die Hälfte der ganzen Summe
auf ſie falle. Sie gaben an, von einigen unter ihnen fordere
man faſt ſo viel Mannſchaft, als ſie Bürger hätten, von
andern nicht viel weniger Geld, als ihr ganzes Einkommen
betrage. König Ferdinand erwiederte, ihre Klage möge ge-
gründet ſeyn, aber von dem Fürſtenrath laſſe ſich nun ein-
mal keine Abänderung des gefaßten Beſchluſſes erwarten:
er gebe den ehrbaren Städten zu bedenken, daß ihnen ihrer
Gewerbe halber noch mehr an einer Bewahrung der Gren-
zen liegen müſſe als den Fürſten.

Im Grunde eine ſehr natürliche Folge der Ereigniſſe.
Die Städte waren immer in der Oppoſition geweſen; der
Fürſtenrath hatte ſich dem Prinzip das den Sieg behaup-

1 Schreiben des Frankfurter Geſandten Daniel zum Jungen
17 April. (Fr. A.)
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[23/0035] Weltliche Geſchaͤfte des Reichstags von 1547. Überhaupt erfreuten ſich die Städte an dieſem Reichstag keiner beſondern Berückſichtigung. Auf ihre Klage, daß der Landfriede die Straßen noch immer nicht ſichere, das Ge- leite keinen Schutz gewähre, obgleich man gezwungen ſey ſich daſſelbe zu verſchaffen, auf ihre Bitte, die Obrigkeiten für jede Gewaltthat die in ihrem Gebiete geſchehe verantwort- lich zu machen, nahm der Kaiſer in ſeiner Reſolution auch nicht mit einer Silbe Rückſicht. 1 Und nicht beſſer gieng es ihnen, als nun die Reichs- anſchläge zur Berathung kamen. Die Fürſten bewilligten dem römiſchen König zur Bewahrung ſeiner Grenzen gegen die Türken 50000 G.; bei der Vertheilung derſelben legten ſie den Anſchlag von Coſtnitz zu Grunde, gegen welchen die Städte immer proteſtirt hatten. Dieſe verſäumten nicht zu bemerken, daß dergeſtalt faſt die Hälfte der ganzen Summe auf ſie falle. Sie gaben an, von einigen unter ihnen fordere man faſt ſo viel Mannſchaft, als ſie Bürger hätten, von andern nicht viel weniger Geld, als ihr ganzes Einkommen betrage. König Ferdinand erwiederte, ihre Klage möge ge- gründet ſeyn, aber von dem Fürſtenrath laſſe ſich nun ein- mal keine Abänderung des gefaßten Beſchluſſes erwarten: er gebe den ehrbaren Städten zu bedenken, daß ihnen ihrer Gewerbe halber noch mehr an einer Bewahrung der Gren- zen liegen müſſe als den Fürſten. Im Grunde eine ſehr natürliche Folge der Ereigniſſe. Die Städte waren immer in der Oppoſition geweſen; der Fürſtenrath hatte ſich dem Prinzip das den Sieg behaup- 1 Schreiben des Frankfurter Geſandten Daniel zum Jungen 17 April. (Fr. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/35>, abgerufen am 19.04.2024.