Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Erstes Capitel. für eine durch die Religion gebotene Pflicht. Während derVerhandlungen wiederholte er seine Behauptung, daß dazu ein allgemeines Concilium das einzig geeignete Mittel sey. Höchstens wollte er die Sache, aber ganz in den gewöhn- lichen Formen und mit Vorbehalt seiner alten Autorität, noch einmal an den Reichstag bringen. Den immerwäh- renden Frieden zu bewilligen, schlug er ohne Weiteres ab. Nicht als ob er, wie es in einem seiner Briefe heißt, daran denke, die Protestanten mit Krieg zu überziehen, wozu er jetzt nicht einmal die Mittel habe: aber durch diese Bewilligung würde alles rückgängig werden, was man mit so vieler Mühe und so vielen Kosten erreicht, das Interim und die letzten Reichstagsschlüsse; er würde die Ketzereien auch dann dulden müssen, wenn sich Zeit und Gelegenheit zum Gegen- theil zeige; schon jetzt müsse er Scrupel haben für die, welche er dann empfinden werde. Und auch jetzt könne er sich nicht damit entschuldigen, daß ihm Gewalt geschehe: noch sey sie nicht geschehen, noch könne er nach Italien oder vielleicht nach Flandern gehn, und gewiß er wolle es thun, ehe er sein Gewissen beschwere, ehe er diesen Zaum sich an- legen lasse. 1 Der Nothwendigkeit der Dinge, die er nicht anerkannte, 1 L'empereur au roi, undatirt, jedoch Anfang Juli: Si ne
puisje comme qu'il soit consentir la bride que en ce l'on me veut mettre pour non pouvoir jamais procurer le remede. Zehntes Buch. Erſtes Capitel. für eine durch die Religion gebotene Pflicht. Während derVerhandlungen wiederholte er ſeine Behauptung, daß dazu ein allgemeines Concilium das einzig geeignete Mittel ſey. Höchſtens wollte er die Sache, aber ganz in den gewöhn- lichen Formen und mit Vorbehalt ſeiner alten Autorität, noch einmal an den Reichstag bringen. Den immerwäh- renden Frieden zu bewilligen, ſchlug er ohne Weiteres ab. Nicht als ob er, wie es in einem ſeiner Briefe heißt, daran denke, die Proteſtanten mit Krieg zu überziehen, wozu er jetzt nicht einmal die Mittel habe: aber durch dieſe Bewilligung würde alles rückgängig werden, was man mit ſo vieler Mühe und ſo vielen Koſten erreicht, das Interim und die letzten Reichstagsſchlüſſe; er würde die Ketzereien auch dann dulden müſſen, wenn ſich Zeit und Gelegenheit zum Gegen- theil zeige; ſchon jetzt müſſe er Scrupel haben für die, welche er dann empfinden werde. Und auch jetzt könne er ſich nicht damit entſchuldigen, daß ihm Gewalt geſchehe: noch ſey ſie nicht geſchehen, noch könne er nach Italien oder vielleicht nach Flandern gehn, und gewiß er wolle es thun, ehe er ſein Gewiſſen beſchwere, ehe er dieſen Zaum ſich an- legen laſſe. 1 Der Nothwendigkeit der Dinge, die er nicht anerkannte, 1 L’empereur au roi, undatirt, jedoch Anfang Juli: Si ne
puisje comme qu’il soit consentir la bride que en ce l’on me veut mettre pour non pouvoir jamais procurer le remede. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0282" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> für eine durch die Religion gebotene Pflicht. Während der<lb/> Verhandlungen wiederholte er ſeine Behauptung, daß dazu<lb/> ein allgemeines Concilium das einzig geeignete Mittel ſey.<lb/> Höchſtens wollte er die Sache, aber ganz in den gewöhn-<lb/> lichen Formen und mit Vorbehalt ſeiner alten Autorität,<lb/> noch einmal an den Reichstag bringen. Den immerwäh-<lb/> renden Frieden zu bewilligen, ſchlug er ohne Weiteres ab.<lb/> Nicht als ob er, wie es in einem ſeiner Briefe heißt, daran<lb/> denke, die Proteſtanten mit Krieg zu überziehen, wozu er jetzt<lb/> nicht einmal die Mittel habe: aber durch dieſe Bewilligung<lb/> würde alles rückgängig werden, was man mit ſo vieler<lb/> Mühe und ſo vielen Koſten erreicht, das Interim und die<lb/> letzten Reichstagsſchlüſſe; er würde die Ketzereien auch dann<lb/> dulden müſſen, wenn ſich Zeit und Gelegenheit zum Gegen-<lb/> theil zeige; ſchon jetzt müſſe er Scrupel haben für die, welche<lb/> er dann empfinden werde. Und auch jetzt könne er ſich<lb/> nicht damit entſchuldigen, daß ihm Gewalt geſchehe: noch<lb/> ſey ſie nicht geſchehen, noch könne er nach Italien oder<lb/> vielleicht nach Flandern gehn, und gewiß er wolle es thun,<lb/> ehe er ſein Gewiſſen beſchwere, ehe er dieſen Zaum ſich an-<lb/> legen laſſe. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">L’empereur au roi,</hi> undatirt, jedoch Anfang Juli: <hi rendition="#aq">Si ne<lb/> puisje comme qu’il soit consentir la bride que en ce l’on me<lb/> veut mettre pour non pouvoir jamais procurer le remede.</hi></note></p><lb/> <p>Der Nothwendigkeit der Dinge, die er nicht anerkannte,<lb/> ſetzte er, wie wir ſehen, ſeine geiſtlichen Pflichten entgegen,<lb/> die er, ſeitdem er ſich ſo lange mit ihnen getragen, von Un-<lb/> glück und Gefahr mehr beſtärkt als erſchüttert, ſtrenger als<lb/> jemals auffaßte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0282]
Zehntes Buch. Erſtes Capitel.
für eine durch die Religion gebotene Pflicht. Während der
Verhandlungen wiederholte er ſeine Behauptung, daß dazu
ein allgemeines Concilium das einzig geeignete Mittel ſey.
Höchſtens wollte er die Sache, aber ganz in den gewöhn-
lichen Formen und mit Vorbehalt ſeiner alten Autorität,
noch einmal an den Reichstag bringen. Den immerwäh-
renden Frieden zu bewilligen, ſchlug er ohne Weiteres ab.
Nicht als ob er, wie es in einem ſeiner Briefe heißt, daran
denke, die Proteſtanten mit Krieg zu überziehen, wozu er jetzt
nicht einmal die Mittel habe: aber durch dieſe Bewilligung
würde alles rückgängig werden, was man mit ſo vieler
Mühe und ſo vielen Koſten erreicht, das Interim und die
letzten Reichstagsſchlüſſe; er würde die Ketzereien auch dann
dulden müſſen, wenn ſich Zeit und Gelegenheit zum Gegen-
theil zeige; ſchon jetzt müſſe er Scrupel haben für die, welche
er dann empfinden werde. Und auch jetzt könne er ſich
nicht damit entſchuldigen, daß ihm Gewalt geſchehe: noch
ſey ſie nicht geſchehen, noch könne er nach Italien oder
vielleicht nach Flandern gehn, und gewiß er wolle es thun,
ehe er ſein Gewiſſen beſchwere, ehe er dieſen Zaum ſich an-
legen laſſe. 1
Der Nothwendigkeit der Dinge, die er nicht anerkannte,
ſetzte er, wie wir ſehen, ſeine geiſtlichen Pflichten entgegen,
die er, ſeitdem er ſich ſo lange mit ihnen getragen, von Un-
glück und Gefahr mehr beſtärkt als erſchüttert, ſtrenger als
jemals auffaßte.
1 L’empereur au roi, undatirt, jedoch Anfang Juli: Si ne
puisje comme qu’il soit consentir la bride que en ce l’on me
veut mettre pour non pouvoir jamais procurer le remede.
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