spottet man ihrer, Gott seys geklagt." Er widerräth seinem Herrn nach Augsburg zu kommen, so sehr der Kaiser darauf dringe und so sehr die Wendung welche die religiösen An- gelegenheiten nehmen, es sonst wünschenswerth machen würde. "So viel vermerken wir, die Spanier wollen einen Fuß ins Reich setzen; es gilt Euch Herren, wir bleiben immer arme Gesellen." 1
Eine andere Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung bildete die noch immer fortdauernde Gefangenschaft des Land- grafen Philipp von Hessen.
Während des ersten Reichstags zu Augsburg war er zu Nördlingen, Heilbronn und Hall in Schwaben von Spa- niern bewacht, alsdann den Rhein hinab nach den Nieder- landen geführt und zu Oudenarde in engem Gewahrsam ge- halten, endlich im Sommer 1550 nach Mecheln gebracht worden. Auch in der Gefangenschaft ward Philipp als der regierende Herr seines Landes betrachtet; über alle wichtigen Landesangelegenheiten ward an ihn berichtet. Das hinderte jedoch nicht, daß er sich nicht zuweilen die unwürdigste Be- handlung hätte gefallen lassen müssen. Man hat dem Schrei- ber dem er einen Brief dictirte, das Blatt aus der Hand gerissen, einen Bettler dem er, als er ihn von seinem Fen- ster aus ansichtig ward, ein paar Stüber hinunterschickte, nicht ohne Züchtigung weggetrieben; der spanische Haupt- mann hat die Speisen die an einem Fasttag auf die fürst- liche Tafel getragen wurden, auf den Boden geworfen und
1 Christoph von der Straßen, Doctor und Ordinarius, Mitt- woch nach Nativitatis Mariä 10 Sept. Der Brief ist von dessen Hand; zugleich hat sich Timotheus Jung unterschrieben.
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ſpottet man ihrer, Gott ſeys geklagt.“ Er widerräth ſeinem Herrn nach Augsburg zu kommen, ſo ſehr der Kaiſer darauf dringe und ſo ſehr die Wendung welche die religiöſen An- gelegenheiten nehmen, es ſonſt wünſchenswerth machen würde. „So viel vermerken wir, die Spanier wollen einen Fuß ins Reich ſetzen; es gilt Euch Herren, wir bleiben immer arme Geſellen.“ 1
Eine andere Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung bildete die noch immer fortdauernde Gefangenſchaft des Land- grafen Philipp von Heſſen.
Während des erſten Reichstags zu Augsburg war er zu Nördlingen, Heilbronn und Hall in Schwaben von Spa- niern bewacht, alsdann den Rhein hinab nach den Nieder- landen geführt und zu Oudenarde in engem Gewahrſam ge- halten, endlich im Sommer 1550 nach Mecheln gebracht worden. Auch in der Gefangenſchaft ward Philipp als der regierende Herr ſeines Landes betrachtet; über alle wichtigen Landesangelegenheiten ward an ihn berichtet. Das hinderte jedoch nicht, daß er ſich nicht zuweilen die unwürdigſte Be- handlung hätte gefallen laſſen müſſen. Man hat dem Schrei- ber dem er einen Brief dictirte, das Blatt aus der Hand geriſſen, einen Bettler dem er, als er ihn von ſeinem Fen- ſter aus anſichtig ward, ein paar Stüber hinunterſchickte, nicht ohne Züchtigung weggetrieben; der ſpaniſche Haupt- mann hat die Speiſen die an einem Faſttag auf die fürſt- liche Tafel getragen wurden, auf den Boden geworfen und
1 Chriſtoph von der Straßen, Doctor und Ordinarius, Mitt- woch nach Nativitatis Mariaͤ 10 Sept. Der Brief iſt von deſſen Hand; zugleich hat ſich Timotheus Jung unterſchrieben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="194"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>ſpottet man ihrer, Gott ſeys geklagt.“ Er widerräth ſeinem<lb/>
Herrn nach Augsburg zu kommen, ſo ſehr der Kaiſer darauf<lb/>
dringe und ſo ſehr die Wendung welche die religiöſen An-<lb/>
gelegenheiten nehmen, es ſonſt wünſchenswerth machen würde.<lb/>„So viel vermerken wir, die Spanier wollen einen Fuß ins<lb/>
Reich ſetzen; es gilt Euch Herren, wir bleiben immer arme<lb/>
Geſellen.“<noteplace="foot"n="1">Chriſtoph von der Straßen, Doctor und Ordinarius, Mitt-<lb/>
woch nach Nativitatis Mariaͤ 10 Sept. Der Brief iſt von deſſen<lb/>
Hand; zugleich hat ſich Timotheus Jung unterſchrieben.</note></p><lb/><p>Eine andere Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung<lb/>
bildete die noch immer fortdauernde Gefangenſchaft des Land-<lb/>
grafen Philipp von Heſſen.</p><lb/><p>Während des erſten Reichstags zu Augsburg war er<lb/>
zu Nördlingen, Heilbronn und Hall in Schwaben von Spa-<lb/>
niern bewacht, alsdann den Rhein hinab nach den Nieder-<lb/>
landen geführt und zu Oudenarde in engem Gewahrſam ge-<lb/>
halten, endlich im Sommer 1550 nach Mecheln gebracht<lb/>
worden. Auch in der Gefangenſchaft ward Philipp als der<lb/>
regierende Herr ſeines Landes betrachtet; über alle wichtigen<lb/>
Landesangelegenheiten ward an ihn berichtet. Das hinderte<lb/>
jedoch nicht, daß er ſich nicht zuweilen die unwürdigſte Be-<lb/>
handlung hätte gefallen laſſen müſſen. Man hat dem Schrei-<lb/>
ber dem er einen Brief dictirte, das Blatt aus der Hand<lb/>
geriſſen, einen Bettler dem er, als er ihn von ſeinem Fen-<lb/>ſter aus anſichtig ward, ein paar Stüber hinunterſchickte,<lb/>
nicht ohne Züchtigung weggetrieben; der ſpaniſche Haupt-<lb/>
mann hat die Speiſen die an einem Faſttag auf die fürſt-<lb/>
liche Tafel getragen wurden, auf den Boden geworfen und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[194/0206]
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ſpottet man ihrer, Gott ſeys geklagt.“ Er widerräth ſeinem
Herrn nach Augsburg zu kommen, ſo ſehr der Kaiſer darauf
dringe und ſo ſehr die Wendung welche die religiöſen An-
gelegenheiten nehmen, es ſonſt wünſchenswerth machen würde.
„So viel vermerken wir, die Spanier wollen einen Fuß ins
Reich ſetzen; es gilt Euch Herren, wir bleiben immer arme
Geſellen.“ 1
Eine andere Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung
bildete die noch immer fortdauernde Gefangenſchaft des Land-
grafen Philipp von Heſſen.
Während des erſten Reichstags zu Augsburg war er
zu Nördlingen, Heilbronn und Hall in Schwaben von Spa-
niern bewacht, alsdann den Rhein hinab nach den Nieder-
landen geführt und zu Oudenarde in engem Gewahrſam ge-
halten, endlich im Sommer 1550 nach Mecheln gebracht
worden. Auch in der Gefangenſchaft ward Philipp als der
regierende Herr ſeines Landes betrachtet; über alle wichtigen
Landesangelegenheiten ward an ihn berichtet. Das hinderte
jedoch nicht, daß er ſich nicht zuweilen die unwürdigſte Be-
handlung hätte gefallen laſſen müſſen. Man hat dem Schrei-
ber dem er einen Brief dictirte, das Blatt aus der Hand
geriſſen, einen Bettler dem er, als er ihn von ſeinem Fen-
ſter aus anſichtig ward, ein paar Stüber hinunterſchickte,
nicht ohne Züchtigung weggetrieben; der ſpaniſche Haupt-
mann hat die Speiſen die an einem Faſttag auf die fürſt-
liche Tafel getragen wurden, auf den Boden geworfen und
1 Chriſtoph von der Straßen, Doctor und Ordinarius, Mitt-
woch nach Nativitatis Mariaͤ 10 Sept. Der Brief iſt von deſſen
Hand; zugleich hat ſich Timotheus Jung unterſchrieben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/206>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.