Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Viertes Capitel.
ein ganz gutes Verständniß gegründet, bei dem man sogar
die Aussicht auf engen Bund faßte.

Und nun leuchtet ein, welche Nachtheile zugleich kirchli-
cher und politischer Natur für den Kaiser hierin lagen.

Seine kirchlichen Pläne umfaßten die ganze abendlän-
dische Christenheit. Unmöglich konnte es ihm gleichgültig
seyn, wenn in England die Meinungen emporkamen die er
in Deutschland bekämpfte. Während er hier seine vor-
nehmste Sorge seyn ließ die Messe herzustellen, ward sie
dort aufgehoben.

Da sich Prinzessin Maria weigerte, sich der gesetzlichen
Uniformität zu unterwerfen, und er sich ihrer hiebei annahm,
so gerieth er jetzt selbst in Weiterungen mit der englischen
Regierung; 1 er hat ihr im Jahr 1551 mit Krieg gedroht,
und ich finde daß die flandrischen Küsten gegen einen An-
fall, den die Engländer plötzlich unternehmen dürften, in Ver-
theidigungsstand gesetzt worden seyen. 2

Eine noch bei weitem dringendere Gefahr für ihn aber
schloß es ein, daß König Heinrich II von Frankreich, der
sich eben so stark wie sein Vater als der natürliche Ne-
benbuhler und Opponent des Hauses Östreich fühlte, durch
diesen Frieden freie Hand bekam.

Der König selbst hatte gesagt, er wolle dem Kaiser
nicht länger das Vergnügen machen, seine Nachbarn in den
Waffen gegen einander zu sehen. Die offenen und geheimen
Gegner des Kaisers in aller Welt wurden bei dieser Nach-

1 King Edwards Journal March 19 1551: Burnet II Coll.
23. The emperors ambr came with a short message from his ma-
ster of war, if I no would suffer the princess to use her mass.
2 "per non esser trovati all'improvista." (Dispaccio fior.)

Neuntes Buch. Viertes Capitel.
ein ganz gutes Verſtändniß gegründet, bei dem man ſogar
die Ausſicht auf engen Bund faßte.

Und nun leuchtet ein, welche Nachtheile zugleich kirchli-
cher und politiſcher Natur für den Kaiſer hierin lagen.

Seine kirchlichen Pläne umfaßten die ganze abendlän-
diſche Chriſtenheit. Unmöglich konnte es ihm gleichgültig
ſeyn, wenn in England die Meinungen emporkamen die er
in Deutſchland bekämpfte. Während er hier ſeine vor-
nehmſte Sorge ſeyn ließ die Meſſe herzuſtellen, ward ſie
dort aufgehoben.

Da ſich Prinzeſſin Maria weigerte, ſich der geſetzlichen
Uniformität zu unterwerfen, und er ſich ihrer hiebei annahm,
ſo gerieth er jetzt ſelbſt in Weiterungen mit der engliſchen
Regierung; 1 er hat ihr im Jahr 1551 mit Krieg gedroht,
und ich finde daß die flandriſchen Küſten gegen einen An-
fall, den die Engländer plötzlich unternehmen dürften, in Ver-
theidigungsſtand geſetzt worden ſeyen. 2

Eine noch bei weitem dringendere Gefahr für ihn aber
ſchloß es ein, daß König Heinrich II von Frankreich, der
ſich eben ſo ſtark wie ſein Vater als der natürliche Ne-
benbuhler und Opponent des Hauſes Öſtreich fühlte, durch
dieſen Frieden freie Hand bekam.

Der König ſelbſt hatte geſagt, er wolle dem Kaiſer
nicht länger das Vergnügen machen, ſeine Nachbarn in den
Waffen gegen einander zu ſehen. Die offenen und geheimen
Gegner des Kaiſers in aller Welt wurden bei dieſer Nach-

1 King Edwards Journal March 19 1551: Burnet II Coll.
23. The emperors ambr came with a short message from his ma-
ster of war, if I no would suffer the princess to use her mass.
2 „per non esser trovati all’improvista.“ (Dispaccio fior.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0182" n="170"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
ein ganz gutes Ver&#x017F;tändniß gegründet, bei dem man &#x017F;ogar<lb/>
die Aus&#x017F;icht auf engen Bund faßte.</p><lb/>
            <p>Und nun leuchtet ein, welche Nachtheile zugleich kirchli-<lb/>
cher und politi&#x017F;cher Natur für den Kai&#x017F;er hierin lagen.</p><lb/>
            <p>Seine kirchlichen Pläne umfaßten die ganze abendlän-<lb/>
di&#x017F;che Chri&#x017F;tenheit. Unmöglich konnte es ihm gleichgültig<lb/>
&#x017F;eyn, wenn in England die Meinungen emporkamen die er<lb/>
in Deut&#x017F;chland bekämpfte. Während er hier &#x017F;eine vor-<lb/>
nehm&#x017F;te Sorge &#x017F;eyn ließ die Me&#x017F;&#x017F;e herzu&#x017F;tellen, ward &#x017F;ie<lb/>
dort aufgehoben.</p><lb/>
            <p>Da &#x017F;ich Prinze&#x017F;&#x017F;in Maria weigerte, &#x017F;ich der ge&#x017F;etzlichen<lb/>
Uniformität zu unterwerfen, und er &#x017F;ich ihrer hiebei annahm,<lb/>
&#x017F;o gerieth er jetzt &#x017F;elb&#x017F;t in Weiterungen mit der engli&#x017F;chen<lb/>
Regierung; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">King Edwards Journal March 19 1551: Burnet II Coll.<lb/>
23. The emperors amb<hi rendition="#sup">r</hi> came with a short message from his ma-<lb/>
ster of war, if I no would suffer the princess to use her mass.</hi></note> er hat ihr im Jahr 1551 mit Krieg gedroht,<lb/>
und ich finde daß die flandri&#x017F;chen Kü&#x017F;ten gegen einen An-<lb/>
fall, den die Engländer plötzlich unternehmen dürften, in Ver-<lb/>
theidigungs&#x017F;tand ge&#x017F;etzt worden &#x017F;eyen. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">&#x201E;per non esser trovati all&#x2019;improvista.&#x201C; (Dispaccio fior.)</hi></note></p><lb/>
            <p>Eine noch bei weitem dringendere Gefahr für ihn aber<lb/>
&#x017F;chloß es ein, daß König Heinrich <hi rendition="#aq">II</hi> von Frankreich, der<lb/>
&#x017F;ich eben &#x017F;o &#x017F;tark wie &#x017F;ein Vater als der natürliche Ne-<lb/>
benbuhler und Opponent des Hau&#x017F;es Ö&#x017F;treich fühlte, durch<lb/>
die&#x017F;en Frieden freie Hand bekam.</p><lb/>
            <p>Der König &#x017F;elb&#x017F;t hatte ge&#x017F;agt, er wolle dem Kai&#x017F;er<lb/>
nicht länger das Vergnügen machen, &#x017F;eine Nachbarn in den<lb/>
Waffen gegen einander zu &#x017F;ehen. Die offenen und geheimen<lb/>
Gegner des Kai&#x017F;ers in aller Welt wurden bei die&#x017F;er Nach-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0182] Neuntes Buch. Viertes Capitel. ein ganz gutes Verſtändniß gegründet, bei dem man ſogar die Ausſicht auf engen Bund faßte. Und nun leuchtet ein, welche Nachtheile zugleich kirchli- cher und politiſcher Natur für den Kaiſer hierin lagen. Seine kirchlichen Pläne umfaßten die ganze abendlän- diſche Chriſtenheit. Unmöglich konnte es ihm gleichgültig ſeyn, wenn in England die Meinungen emporkamen die er in Deutſchland bekämpfte. Während er hier ſeine vor- nehmſte Sorge ſeyn ließ die Meſſe herzuſtellen, ward ſie dort aufgehoben. Da ſich Prinzeſſin Maria weigerte, ſich der geſetzlichen Uniformität zu unterwerfen, und er ſich ihrer hiebei annahm, ſo gerieth er jetzt ſelbſt in Weiterungen mit der engliſchen Regierung; 1 er hat ihr im Jahr 1551 mit Krieg gedroht, und ich finde daß die flandriſchen Küſten gegen einen An- fall, den die Engländer plötzlich unternehmen dürften, in Ver- theidigungsſtand geſetzt worden ſeyen. 2 Eine noch bei weitem dringendere Gefahr für ihn aber ſchloß es ein, daß König Heinrich II von Frankreich, der ſich eben ſo ſtark wie ſein Vater als der natürliche Ne- benbuhler und Opponent des Hauſes Öſtreich fühlte, durch dieſen Frieden freie Hand bekam. Der König ſelbſt hatte geſagt, er wolle dem Kaiſer nicht länger das Vergnügen machen, ſeine Nachbarn in den Waffen gegen einander zu ſehen. Die offenen und geheimen Gegner des Kaiſers in aller Welt wurden bei dieſer Nach- 1 King Edwards Journal March 19 1551: Burnet II Coll. 23. The emperors ambr came with a short message from his ma- ster of war, if I no would suffer the princess to use her mass. 2 „per non esser trovati all’improvista.“ (Dispaccio fior.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/182
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/182>, abgerufen am 27.04.2024.